Wolfgang Niedecken über Bob Dylan: "Hat mir Kosmos eröffnet"
2017 ist Niedecken im Auftrag des TV-Senders Arte zu einer Reise auf Dylans Spuren aufgebrochen - kreuz und quer durch die USA, wo er mit ehemaligen Weggefährten Dylans, Fotografen, Journalisten und Musikern gesprochen hat. "Es war total spannend. (Regisseur) Hannes Rossacher und sein Team hatten das sehr gut vorbereitet", erzählt Niedecken. Die Erlebnisse verarbeitete der Kölner schließlich zum Buch "Wolfgang Niedecken über Bob Dylan" in der Reihe "KiWi-Musikbibliothek". Daraus entstand wiederum eine Lesereise mit Musik, in der Niedecken Autobiografisches mit Dylan-Geschichten verbindet.
An den Anfang seiner Begeisterung für Dylan kann sich Niedecken noch sehr gut erinnern: "Ich spielte in einer Schülerband Bass. Eines Tages sagte unser Sänger, wir müssten uns einen Neuen suchen, weil er sich ab sofort für das Abitur (Pendant zur Matura, Anm.) vorbereiten wollte. Am selben Tag brachte er Dylans Single 'Like a Rolling Stone' mit. Als ich das Lied hörte, war für mich klar: Ich will nicht mehr Bass spielen, ich will versuchen, solche Lieder zu schreiben wie der Typ mit der Sonnenbrille! Am gleichen Abend hab ich meinen Bass an einen Freund abgegeben."
Es war ein regelrechtes Erweckungsereignis: "Bis dahin waren wir nur diese harmlosen Beatles-Texte gewohnt. Und auf einmal kommt Dylan mit diesem Wortgewitter, das hat mich wirklich geflext", sagt Niedecken. "Dylan hat mir einen Kosmos eröffnet. Bis zu 'Like a Rolling Stone' habe ich mich kulturell wenig interessiert. Ich hatte einen langweiligen Deutschlehrer, einen langweiligen Kunstlehrer, alles war irgendwie langweilig." Aber Dylan habe ihn Lyrik, Literatur und sogar die Malerei näher gebracht, erzählt Niedecken.
Auf die Frage nach seinen Dylan-Lieblingsphasen antwortet der Deutsche zuerst mit "diesem Dreisprung". Gemeint sind die bahnbrechenden Alben "Bringing It All Back Home", "Highway 61 Revisited" und "Blonde On Blonde", erschienen vom März 1965 bis Juni 1966. "Das war unfassbar! Niemand konnte sich vorstellen, dass einer in dieser kurzen Zeit tatsächlich das alles kreativ zustande gebracht hat." Dann erwähnte Niedecken noch das rund zehn Jahre danach erschienene "Blood On The Tracks" und dessen Nachfolger "Desire". "Und das Spätwerk muss man auch noch hinzunehmen", so Niedecken, der übrigens "milde" über die viel diskutierte religiöse Phase des Barden "hinwegschauen kann": "Da sind musikalisch gute Sachen dabei."
Ambros als Mutmacher
Niedecken freut sich auf seinen Besuch in intimen Rahmen in Wien, bei dem ihn der Pianist Mike Herting begleitet, nachdem sich das große Format mit seiner Mundartrockband hierzulande nicht lohnt. Warum eigentlich hat es für BAP in Österreich nie so recht geklappt? "Keine Ahnung", antwortet der Musiker. "Vielleicht, weil ihr in diesem Genre eine starke eigene Szene habt - von Ludwig Hirsch über Wolfgang Ambros bis Georg Danzer. Man muss ja ehrlich sagen, die haben uns auch Mut gemacht. Das war zu einer Zeit, als wir gerade angefangen haben. Meine damalige Freundin wohnte in einer WG. Dort sagte jemand zu mir: 'Da gibt's in Wien so einen Typ, der macht so was wie ihr.' Er gab mir das Ambros-Album 'Hoffnungslos', das habe ich rauf- und runtergehört, das finde ich nach wie vor sensationell."
Auch Ambros' Dylan-Interpretationen gefallen Niedecken. Er selbst hat ebenfalls - Mitte der 90er-Jahre - ein ganzes Album mit Dylan-Songs eingespielt ("Leopardenfell"). Zahlreiche Dylan-Songs übertrug er mittlerweile ins Kölsche, bei der "Dylanreise" wechselt er manchmal bei den musikalischen Darbietungen von einer Sprache in die andere. "Englisch und Kölsch, sind ja beides Weltsprachen", lacht Niedecken.
Zusammenfassung
- Wolfgang Niedecken, 73, Kopf der Band BAP, wurde durch Bob Dylan inspiriert und verfolgt mit seinem Programm 'Dylanreise' die Spuren des US-Künstlers. Am 23. Februar gastiert er damit im Wiener Konzerthaus.
- 2017 unternahm Niedecken im Auftrag von Arte eine Reise durch die USA, um Weggefährten Dylans zu treffen. Diese Erlebnisse verarbeitete er in einem Buch der 'KiWi-Musikbibliothek'.
- Niedecken erinnert sich an das Erweckungserlebnis mit Dylans 'Like a Rolling Stone' und schätzt besonders die Alben 'Bringing It All Back Home', 'Highway 61 Revisited' und 'Blonde On Blonde'.