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Wenig Sendezeit für den Globalen Süden in der "ZiB1"

Österreichs reichweitenstärkste Nachrichtensendung - die "ZiB1" - hat dem Globalen Süden und damit ca. 85 Prozent der Weltbevölkerung im Vorjahr neun Prozent der Sendezeit gewidmet. Damit bleiben viele humanitäre Krisen beinahe unbeleuchtet, stellt Ladislaus Ludescher, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, in einer Untersuchung fest. Der ORF betont, dass die Betrachtung der "ZiB1" allein zu kurz gefasst sei.

Ludescher, der auch als Lehrbeauftragter am Historischen Institut der Universität Mannheim tätig ist, analysierte für seine Arbeit "Den Globalen Süden kaum im Bild" 364 "ZiB1"-Sendungen im Jahr 2022 und damit in etwa 120 Stunden Nachrichtenmaterial. Wenig überraschend dominierten der Ukraine-Krieg (fast ein Viertel der Sendezeit) und seine Auswirkungen (zehn Prozent der Sendezeit) etwa auf den Energiesektor das Nachrichtengeschehen. Zählt man noch Berichterstattung über die Coronapandemie hinzu, kommt man auf 44 Prozent der Sendezeit.

Dass sich im Globalen Süden - ein Begriff für Schwellen- und Entwicklungsländer - mehrere humanitäre Krisen ereigneten, wurde weit weniger intensiv beleuchtet. Der Bürgerkrieg in Tigray (Äthiopien) wurde mit 40 Sekunden gecovert. Die laut UN-Angaben "weltweit schlimmste humanitäre Krise" im Jemen kommt auf 185 Sekunden. Der Ukraine-Krieg kommt dagegen auf 93.890 Sekunden. Auch das Thema "Globaler Hunger" wird spärlich thematisiert und wenn, dann fast ausschließlich im Hinblick auf die politische Dimension - etwa in Form des Getreideabkommens - aber nicht zu von Hunger akut betroffenen Gebieten.

Die Analyse ist ein Zusatz zu einer größer angelegten Studie, die sich deutschen Nachrichten widmete. Dabei zeigt sich, dass die "ZiB1" nahezu deckungsgleich zur deutschen "Tagesschau" ist. Die ARD-Nachrichtensendung bringt es auf 10,8 Prozent Sendezeit für den Globalen Süden. Ludescher schreibt von einer "überdimensionalen Präferenz für Nachrichten aus dem Globalen Norden", was dazu führe, dass eine "mediale Blindheit auch gegenüber schwersten humanitären Krisen und Katastrophen" drohe. Er plädiert, den Nachrichtenwert eines Ereignisses nicht primär am Ort festzumachen, "sondern nach einer menschlichen Dimension zu bemessen".

Der ORF verwies auf APA-Anfrage darauf, dass in seinen Fernsehprogrammen 2022 mehr als 21.000 Informationssendungen in einer Länge von mehr als 4.700 Stunden gezeigt wurden. Die Betrachtung der "ZiB1" sei zu kurz gefasst, um eine repräsentative Aussage zu treffen. "Die 'ZiB1' bemüht sich täglich in einem engen Zeitkorsett von rund 19 Minuten den Zuschauer:innen nicht nur die aktuellsten und wichtigsten Nachrichten zu liefern, sondern auch eine Einordnung dazu", so die interimistische ORF-TV-Chefredakteurin Eva Karabeg. Ein wesentlicher Teil entfalle auf innenpolitische Ereignisse, welche das Leben der Menschen direkt oder indirekt beträfen. "Die 'ZiB1' ist innerhalb der ORF-Newslandschaft zweifellos der Anker, aber nicht das einzige Format. Wenn die zahlreichen weiteren 'ZiB'-Formate mitausgewertet worden wären, wäre der Prozentsatz deutlich höher", so Karabeg.

"Die Bemühungen, in der 'ZiB1' ein möglichst breites Bild zu zeichnen, werden wir aber sicherlich weiter vorantreiben", kündigte die ORF-TV-Chefredakteurin an. Bereits jetzt werde Afrika durch Korrespondentin Margit Maximilian regelmäßig in den Fokus gerückt. Selbiges gelte für den Nahen und Mittleren Osten und Ägypten, wo Tim Cupal und Karim El Gawhary tätig sind. Mit Rainer Mostbauer sei zudem ein ausgewiesener Lateinamerika-Experte für den ORF am Werk, der derzeit an einer großen Dokumentation zu Brasilien arbeite.

(S E R V I C E - https://de.ejo-online.eu/qualitaet-ethik/den-globalen-sueden-kaum-im-bild)

ribbon Zusammenfassung
  • Österreichs reichweitenstärkste Nachrichtensendung - die "ZiB1" - hat dem Globalen Süden und damit ca. 85 Prozent der Weltbevölkerung im Vorjahr neun Prozent der Sendezeit gewidmet.
  • Damit bleiben viele humanitäre Krisen beinahe unbeleuchtet, stellt Ladislaus Ludescher, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, in einer Untersuchung fest.
  • Der ORF betont, dass die Betrachtung der "ZiB1" allein zu kurz gefasst sei.