Vier Palästinenserinnen in Israel: Fotoschau in Hohemens
Die Beziehungen zwischen Mehr- und Minderheiten sind laut JMH-Direktor Hanno Loewy seit jeher ein Kernthema des Jüdischen Museum Hohenems, zumeist geht es dabei um eine jüdische Minderheit. In der aktuellen Ausstellung dreht das JMH den Spieß um: Die Fotografin Iris Hassid begleitete in Bildern und Filmen von 2014 bis 2022 vier palästinensische Studentinnen, alle israelische Staatsbürgerinnen, auf einem Stück ihres Lebenswegs. Die arabischen Frauen in ihrem Viertel in Tel Aviv entsprachen nur wenig dem von Medien vermittelten Klischee. Sie habe sich darum aus persönlichem Interesse am Leben anderer Frauen entschlossen, sie zu porträtieren, so Hassid bei der Presseführung in der vom Jüdischen Museum Amsterdam übernommenen Ausstellung.
2020 entstand aus dem Langzeitprojekt ein Fotobuch, für die Ausstellung drehte Hassid zudem drei Filme. Die Farbaufnahmen kontrastieren mit den Texten, in denen die Frauen von ihren Erfahrungen als Teil einer großteils muslimischen Minderheit im vermeintlich jüdischen israelischen Staat und von den Auswirkungen der häufig gewaltsamen gesellschaftlichen Konflikte auf ihr Leben berichten. Thematisiert werden Diskriminierung bei der Wohnungssuche, Fragen der Zugehörigkeit und Identität, Familienstruktur und -herkunft.
Was vordergründig als farbenfrohes Bild daherkomme, offenbare beim Tiefergehen dunkle Seiten, andere Aufnahmen ließen ein schwarz-weißes Bild vermuten, bei näherer Betrachtung eröffne sich aber etwas Vielschichtigeres, Buntes, so Samar Qupty, eine der porträtierten Frauen und inzwischen Schauspielerin. Dass sie heute in Italien lebt, eröffnete der Architektin Majdoleen neue Perspektiven, so müsse sie etwa nicht mehr ständig betonen, dass sie keine Terroristin sei. Palästinenser machen 20 Prozent der israelischen Gesellschaft aus, auf dem Papier haben sie die gleichen Rechte, in der Praxis sind sie aber oft benachteiligt.
Loewy zog Parallelen zur Vorarlberger Gesellschaft, in der ebenfalls rund 20 Prozent Muslime sind. Die Schau sei niederschwellig eine Möglichkeit, diese Beziehungen zu diskutieren, auch vor dem Hintergrund aktueller politischer Entwicklungen in Israel und in Österreich. Loewy zeigte sich diesbezüglich besorgt, in Österreich gebe es inzwischen Faschisten in neuen Regierungen. Er ließ deshalb zur Mahnung eine schwarze Fahne am Museum hissen.
Die Ausstellung befasst sich außerdem mit der Beziehung zwischen der Fotografin und den Frauen. Von Anfang an hatte sich die Realität - etwa das Nationalstaatsgesetz 2018, die Gewalt zwischen Israel und der Hamas 2021 und die Covid-Lockdowns - auf das Fotoprojekt ausgewirkt, es drohte mehrfach zu scheitern. Die Schau dokumentiert damit, dass es möglich ist, über Vorurteile und Ideologien hinweg miteinander zu sprechen. Israelische Politik sei für Jüdische Museen stets ein "Elefant im Raum", so die Amsterdamer Kuratorin Judith Hoekstra, über das Persönliche sei es aber möglich, auch die palästinensische Seite zu zeigen. "Es ist ein Projekt über das Andere. Man muss miteinander reden, das ist die Lösung des Problems", so Victor Levie, Ausstellungsarchitekt aus Amsterdam.
(S E R V I C E - Ausstellung "A Place of Our Own. Vier junge Palästinenserinnen in Tel Aviv" von Iris Hassid, 7. Mai 2023 bis 10. März 2024 im Jüdischen Museum Hohenems, Schweizer Straße 5. Eröffnung am 7. Mai, 14.30 Uhr, im Salomon Sulzer Saal, Schweizer Straße 21. Weitere Informationen im Internet unter www.jm-hohenems.at)
Zusammenfassung
- Vier junge Palästinenserinnen stehen im Zentrum der neuen Ausstellung "A Place of Our Own" im Jüdischen Museum Hohenems (JMH).
- Die Arbeiten der israelischen Fotografin Iris Hassid bieten exemplarisch eine persönliche Perspektive auf das Leben junger palästinensischer Frauen und eröffnet einen Einblick, wie eine Minderheit eine Mehrheitsgesellschaft erlebt.
- Die Schau läuft von 7. Mai bis 10. März 2024.