"Verwandlung eines Wohnzimmers": Zähes Festwochen-Experiment
Schon die Vorgeschichte zu diesem Auftragswerk der Festwochen weist einen durchaus experimentellen Charakter auf. Denn pandemiebedingt waren Okada und Fujikura bei der Erarbeitung des Stücks zwei Jahre hindurch lediglich online miteinander verbunden. Daraus ergab sich, dass der Komponist, der in London lebt, via Laptop die Proben der Schauspielerinnen und Schauspieler von Okadas chelfitsch-Truppe in Tokio live mitverfolgen und dazu in Echtzeit seine Sounds schreiben und vorspielen konnte, worauf wiederum das Ensemble unmittelbar reagierte. Eine Art künstlerisches Ping-Pong also.
Am Beginn des knapp eineinhalbstündigen Abends scheint das Publikum noch Zeuge einer zwar unangenehmen, aber nicht allzu ungewöhnlichen Geschichte zu werden. Eine Familie oder Lebensgemeinschaft - die genauen Beziehungsverhältnisse bleiben im Dunkeln - sieht sich mit einer bevorstehenden Delogierung konfrontiert. Kein Grund zur Sorge, immerhin gibt es ein Mietrecht und den Rechtsstaat. Aber schon bald geschehen seltsame Dinge: Schmutziger Regen fällt, ein von zäher schwarzer Flüssigkeit triefender Fremdling taucht auf, eine "Präsenz" wird wahrgenommen, und Konturen und schließlich das Wohnzimmer selbst scheinen sich aufzulösen.
Eine "Theaterarbeit, die grundlegend neu sein würde" und wo "weder die Musik noch das Theater dominieren würde, also ein Werk als gleichwertiges Nebeneinander von Musik und Theater" schwebte Okada mit "Verwandlung eines Wohnzimmers" vor, wie er im Begleittext bekundet. Ein zu Beginn vielversprechendes Vorhaben, das allerdings nicht so recht verfangen und an Fahrt aufnehmen will. Die sechs Schauspielerinnen und Schauspieler - weit weg vom illusionistschen Theater - ergehen sich in teils äußerst zerdehnten performativen Szenen, die in Verbindung mit der eigenwilligen Poetik des Textkörpers mit der Zeit einer gewissen Langatmigkeit nicht entbehren.
Um Ebenbürtigkeit zu signalisieren, sind vor dem eigentlichen Bühnensetting - ein aus Baumarkt-Holzplatten zusammengezimmertes Wohnzimmer - sieben Musikerinnen und Musiker des Klangforum Wien postiert, die Fujikuras filigrane und Unheil verkündende Soundgirlanden, die unter die Haut gehen, ohne Dirigat intonieren. Das alles könnte spannend sein, verläuft sich aber mit Fortschreiten des Abends, ohne auf einen wirklichen Höhepunkt zuzusteuern.
Zum Schluss bleibt dem Publikum viel Interpretationsspielraum, was man hier eigentlich gerade gesehen hat. Assoziationen in Richtung Klimakatastrophe und einer aus den Fugen geratenen und vom Menschen nicht mehr zu kontrollierenden Welt, in der jegliche Art der bisher gewohnten Wahrnehmung und Narration obsolet geworden sein werden, scheinen naheliegend. Sollte das Ende tatsächlich einmal vor der Tür stehen, ist man geneigt sich zu wünschen, dass es dann zumindest etwas rasanter zugehen möge.
(S E R V I C E - Toshiki Okada und chelfitsch, Dai Fujikura, Klangforum Wien: "Verwandlung eines Wohnzimmers". Text und Regie: Toshiki Okada, Musik: Dai Fujikura, Ensemble: Mitglieder des Klangforum Wien (Bernhard Zachhuber, Lorelei Dowling, Florian Müller, Sophie Schafleitner, Jacobo Hernandez Enriquez, Dimitrios Polisoidis, Benedikt Leitner). Mit: Izumi Aoyagi, Chieko Asakura, Wataru Omura, Mariko Kawasaki, Ayana Shiibashi, Makoto Yazawa. Licht: Masayoshi Takada (RYU). Kostüme: Kyoko Fujitani (FAIFAI). Wiener Festwochen in der Halle G im Museumsquartier. Japanisch mit deutschen und englischen Übertiteln. Weitere Aufführungen am 14. und 15. Mai, 20.30 Uhr. www.festwochen.at/verwandlung-eines-wohnzimmers)
Zusammenfassung
- Mit bisher fünf Gastspielen ist Toshiki Okada so etwas wie ein Wiener Festwochen-Veteran.
- Schon die Vorgeschichte zu diesem Auftragswerk der Festwochen weist einen durchaus experimentellen Charakter auf.
- Kein Grund zur Sorge, immerhin gibt es ein Mietrecht und den Rechtsstaat.
- (S E R V I C E - Toshiki Okada und chelfitsch, Dai Fujikura, Klangforum Wien: "Verwandlung eines Wohnzimmers".
- Weitere Aufführungen am 14. und 15. Mai, 20.30 Uhr.