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Umbau des Wiener Michaelerplatzes wirbelt Staub auf

Die Bagger sind bereits aufgefahren: Aber nicht nur dank schwerem Gerät sorgt der Wiener Michaelerplatz derzeit für Erschütterungen. Denn der angelaufene Umbau mit Baumpflanzungen, Grasbeeten und Wasserspiel bis Jahresende hat inzwischen eine Reihe von Kritikern auf den Plan gerufen, die um den Fortbestand des historischen architektonischen Erscheinungsbildes fürchten. Auch die UNESCO nimmt das Ganze unter die Lupe.

Der runde innerstädtische Platz, umgeben von Hofburg, Michaelerkirche und Looshaus, soll zukunftsfit gemacht werden. Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) kündigte beim Spatenstich am 22. April eine neue Pflasterung, die Setzung von neun Bäumen, die Schaffung von Beeten, ein Wasserspiel mit 52 Bodendüsen, die Reduzierung der Fiakerstandplätze und verkehrsberuhigende Maßnahmen im nahen Umfeld an. All das passiere in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt und unter Freihaltung der geschichtsträchtigen Sichtachsen, hieß es beim gemeinsamen Medientermin mit dem ÖVP-Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, Markus Figl.

Schon wenige Tage später meldeten sich erste kritische Stimmen. Die Österreichische Gesellschaft für Architektur (ÖGFA) veröffentlichte einen Offenen Brief, in dem mehr als 100 Unterzeichnende - darunter zahlreiche Uniprofessoren aus dem In- und Ausland - beklagten, dass die Wirkung des historischen Ensembles zerstört werde.

Mittlerweile ist die Front der Umbaugegner angewachsen. Unter ihnen findet sich auch der Denkmalbeirat, der das Kulturministerium und das Bundesdenkmalamt in Fragen des Denkmalschutzes berät. In seinem Wahrnehmungsbericht zur Causa spricht sich das Gremium "mit aller gebotenen Deutlichkeit gegen die bevorstehende Umgestaltung des Wiener Michaelerplatzes" aus. Es werde nämlich "das subtile und zugleich labile Gleichgewicht dieses einzigartigen über Jahrhunderte geprägten städtischen Platzraums (...) schwerwiegend gestört, die architektonische und städtebauliche Wirkung regelrecht zerstört". Außerdem wird bemängelt, dass seitens der Stadt die Pläne vor Baubeginn nicht veröffentlicht worden seien.

Vertreten im Denkmalbeirat ist auch der Österreichische Kunstsenat, dem Schriftsteller Josef Winkler vorsteht und zu dessen 21 Mitgliedern u.a. Peter Handke, Wolf D. Prix und Arnulf Rainer zählen. Kürzlich hat das Gremium in einer Sitzung das Thema ebenfalls aufs Tapet genommen, um zu dem Schluss zu kommen, dem Wahrnehmungsbericht des Beirats "vollinhaltlich" zuzustimmen, wie es auf APA-Anfrage heißt: "Man kann dem nichts hinzufügen."

Der Beirat fragt sich in seinem Bericht auch, "ob die geplanten Maßnahmen auch eine Gefahr für das Welterbe Innere Stadt darstellen". Seitens der heimischen UNESCO-Kommission gibt es dazu auf APA-Anfrage keine Stellungnahme. Fakt ist jedenfalls, dass sich Experten der Welterbe-Institution im Zuge einer "Advisory Mission" bereits ein Bild vom Michaelerplatz-Vorhaben gemacht haben. Derartige Besuche werden bei Projekten durchgeführt, die eventuell Auswirkungen auf ein bestehendes Welterbe haben könnten. Ein Bericht soll zeitnah vorliegen, erfuhr die APA. Enthalten könnte dieser u.a. Handlungsempfehlungen an die Republik. Dass aus den Erschütterungen ein Erdbeben vergleichbar der Heumarkt-Causa werden könnte, ist aber nicht zu erwarten.

Die Stadt hält jedenfalls am Umbau in der jetzigen Form fest. "Das Projekt ist nicht mehr zu stoppen", stellte Stadträtin Sima jüngst gegenüber der "Presse" klar. Auf APA-Anfrage nahm der Abteilungsleiter der MA 19 (Architektur und Stadtplanung), Franz Kobermaier, schriftlich Stellung. Die Begrünung sei "sensibel an den Standort angepasst" und "speziell auf die historischen Anforderungen des Platzes abgestimmt" worden, verwies er nicht zuletzt auf die steigende Anzahl von Hitzetagen in der City: "Eine Umgestaltung von Plätzen, ohne auf Begrünung und Beschattung zu achten, ist nicht mehr zeitgemäß und wird von den Menschen auch nicht mehr akzeptiert." Dem Gesamtprojekt sei "eine umfangreiche Planungsphase vorausgegangen, bei der intensiv mit dem Bundesdenkmalamt zusammengearbeitet wurde". Dabei habe es einen "intensiven Austausch mit dem Landeskonservatorat für Wien sowie der Abteilung für Archäologie und der Abteilung für Spezialmaterien, etwa bezüglich der vom österreichischen Architekten Hans Hollein gestalteten sichtbaren Ausgrabungen und den denkmalgeschützten Gusskandelabern" gegeben. Auch ein "Runder Tisch mit rund 20 ExpertInnen aus den Bereichen Architektur, Denkmalschutz, Landschaftsplanung etc." habe stattgefunden.

Seitens des Denkmalamts - dieses wird u.a. vom in der Sache kritischen Denkmalbeirat beraten - wird auf APA-Anfrage auf einen Eintrag auf der Homepage verwiesen. Darin wird auf mehrfache Veränderungen am Platz im Laufe der Zeit hingewiesen. "Im Zuge des aktuellen Projekts der Stadt Wien wird die Platzgestaltung von Hans Hollein (einschließlich des sichtbaren archäologischen Bereichs) in Abstimmung mit den zuständigen Abteilungen des Bundesdenkmalamtes instandgesetzt und restauriert. Der für das Pflanzen von drei Bäumen im denkmalgeschützten Bereich erforderliche Eingriff wurde vom Bundesdenkmalamt gemäß § 5 Denkmalschutzgesetz bewilligt", wird festgehalten. Und weiter: "Der Schutz der Sichtachsen ist rechtlich eine Angelegenheit des Stadtbildes und fällt nicht in die behördliche Verantwortung des Bundesdenkmalamtes."

(S E R V I C E - Wahrnehmungsbericht des Denkmalbeirats unter https://go.apa.at/dIDFhWrh; Onlineeintrag des Bundesdenkmalamts unter https://go.apa.at/ORgG9gKR)

ribbon Zusammenfassung
  • Der Umbau des Wiener Michaelerplatzes, geplant bis Jahresende, umfasst die Pflanzung von neun Bäumen und die Installation eines Wasserspiels mit 52 Bodendüsen.
  • Kritik am Projekt kommt von der UNESCO und dem Denkmalbeirat, die eine Beeinträchtigung des historischen Erscheinungsbildes befürchten.
  • Über 100 Architektur-Experten, darunter Universitätsprofessoren, haben in einem Offenen Brief ihre Besorgnis über die Zerstörung des architektonischen Gleichgewichts ausgedrückt.
  • Trotz der Kritik bleibt die Stadt Wien bei ihren Plänen; laut Planungsstadträtin Ulli Sima ist das Projekt 'nicht mehr zu stoppen'.
  • Ein Bericht der UNESCO über die potenziellen Auswirkungen des Umbaus auf das Weltkulturerbe wird erwartet, eine unmittelbare Gefahr wie bei der Heumarkt-Causa scheint jedoch unwahrscheinlich.