Silberner Bär für Österrreicherin Thea Ehre
Ehre spielt in Christoph Hochhäuslers Krimi "Bis ans Ende der Nacht" eine Transfrau, die verdeckt im Drogenmilieu ermittelt. Der Goldene Bär für den besten Film ging an die Doku "Sur l'Adamant" des Franzosen Nicolas Philibert, den Großen Preis der Jury erhielt "Roter Himmel" von Christian Petzold.
"Ich widme diesen Preis auf jeden Fall der Trans-Community - Leute, die mich unterstützt haben", sagte die 23-jährige Ehre der dpa. "Ich widme den Preis auch meinen Eltern, die mich immer supported haben, wie's eigentlich sein soll." Ihre Eltern seien die gewesen, "die mich so frei leben lassen haben, wie ich es wollte".
Sie hoffe, dass sich durch den Film "viele Menschen angesprochen fühlen und dass sie darüber nachdenken, wie sie mit Menschen umgehen", sagte Ehre später in einer Pressekonferenz. Sie wünsche sich mehr Sichtbarkeit für Transmenschen und ein Bewusstsein dafür, dass viele Transfrauen in prekären Situationen lebten, in Situationen, "die extrem toxisch und transfeindlich" seien.
Gegen 18 Mitbewerber
"Sur l'Adamant" (Englisch: "On the Adamant") erzählt von einem Zentrum für Menschen mit psychischen Problemen in Paris. Der Dokumentarfilm setzte sich im Kampf um die Trophäe gegen 18 Mitbewerber durch. Hoffnungen auf den Goldenen Bären hatte sich auch eine österreichische Koproduktion gemacht, und zwar Margarethe von Trottas Filmessay "Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste".
Der Schauspielpreis ging heuer an ein Kind: Sofía Otero wurde für die beste schauspielerische Leistung in einer Hauptrolle ausgezeichnet. Im Coming-of-Age-Film "20.000 especies de abejas" ("20.000 Species of Bees") spielt sie ein achtjähriges Kind, das auf der Suche nach seiner geschlechtlichen Identität ist. "Selten sieht man so viele Emotionen und gleichzeitig erschütternde Einfachheit", begründete die Jury ihre Entscheidung. Otero bedankte sich unter Tränen bei der Jury sowie ihrer Familie und den Mitwirkenden des Films. "Vielen Dank für diesen wundervollen Preis", sagte sie. Otero schlug unter anderem den Wiener Thomas Schubert, der in Petzolds Drama "Roter Himmel" die Hauptrolle spielt.
Weiterer Erfolg aus Österreich
In einer Nebenkategorie gab es einen weiteren österreichischen Erfolg. Der Film "Adentro mío estoy bailando (The Klezmer Project)" gewann den GWFF Preis für den Besten Erstlingsfilm. Es handelt sich um eine argentinisch-österreichische Koproduktion von Leandro Koch und Paloma Schachmann. Die österreichische Regisseurin Selma Doborac wurde mit dem Caligari-Filmpreis für ihren Film "De Facto" ausgezeichnet.
Kultur-Staatssekretärin Andrea Mayer gratulierte den österreichischen Preisträgerinnen, allen voran Thea Ehre. "Die diesjährigen heimischen Beiträge stehen wie selten zuvor für den vielfältigen und breiten Kosmos der österreichischen Filmbranche. Allen Künstlerinnen und Künstlern, die mit ihren außerordentlichen Werken und Leistungen die internationale Präsenz des österreichischen Films festigen und stärken, gilt mein großer Dank ", schrieb sie am späten Samstagabend in einer Aussendung.
Der deutschen Filmemacherin Angela Schanelec wurde für ihre Ödipus-Adaption "Music" der Drehbuchpreis zugesprochen. Der Franzose Philippe Garrel bekam den Silbernen Bären für die beste Regie, in seinem Film "Le grand chariot" porträtiert er eine Puppenspielerfamilie.
Der Preis der Jury ging an das Psychodrama "Mal Viver" des portugiesischen Regisseurs João Canijo, das von mehreren Frauen in einem alten Hotel erzählt. Die Kamerafrau Hélène Louvart erhielt den Silbernen Bären für eine herausragende künstlerische Leistung im Drama "Disco Boy". Franz Rogowski spielt darin einen Mann, der nach Frankreich flieht und der Fremdenlegion beitritt.
Großes Filmfestival
Die Berlinale zählt neben Cannes und Venedig zu den großen Filmfestivals. Die US-amerikanische Schauspielerin Kristen Stewart ("Spencer", "Twilight") leitete heuer die Internationale Jury. Gemeinsam mit den anderen Jurymitgliedern entschied sie über die Vergabe der Auszeichnungen. Im vergangenen Jahr hatte das Drama "Alcarràs - Die letzte Ernte" den Goldenen Bären gewonnen.
"Sur l'Adamant" erzählt von einer ungewöhnlichen Tagesklinik - einer Hilfseinrichtung, die in einem schwimmenden Gebäude auf der Seine untergebracht ist. Hier finden psychisch kranke Menschen stundenweise Aufmerksamkeit, Beschäftigung und Hilfe. Sie können an Workshops teilnehmen, an Kursen, oder auch einfach nur mit anderen reden. Das Zentrum ist Teil eines größeren Netzwerks.
Regisseur Philibert hatte seinen Film während des Festivals bei einer Pressekonferenz vorgestellt. Er habe dazu beitragen wollen, dass der Blick verändert werde, der auf die Patienten gerichtet werde, auf die Menschen mit psychischen Problemen. "Und ich wollte diese Klischees auch ein bisschen zerstören", sagte Philibert. Der Alltag auf dem auch architektonisch ungewöhnlichen Schiff wird voller Respekt und Zuneigung zu allen Menschen gezeigt.
Philibert lässt stets Behutsamkeit walten, ob er nun Kranke oder Gesunde erzählen lässt, sie interviewt oder still beobachtet. Mit respektvoller Distanz kommt er den Menschen auf der "Adamant" nah. Die Kamera erlaube ihm, eine gewisse Schwelle zu überschreiten, sagte Philibert, seine eigene Angst und seine eigenen Schwierigkeiten zu überwinden. "Wir haben ja alle Schwierigkeiten, auf andere zuzugehen, und die Kamera hilft mir."
Zusammenfassung
- Überraschungserfolg für eine Österreicherin bei der Berlinale: Die Welserin Thea Ehre ist am Samstagabend mit dem Silbernen Bären als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet worden.
- Der Goldene Bär für den besten Film ging an die Doku "Sur l'Adamant" des Franzosen Nicolas Philibert, den Großen Preis der Jury erhielt "Roter Himmel" von Christian Petzold.
- Der Film "Adentro mío estoy bailando" gewann den GWFF Preis für den Besten Erstlingsfilm.