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Schönklang und Wut trafen sich beim donaufestival

Viel Abwechslung und ein geradezu gegensätzliches Programm gab es am gestrigen Sonntag zum Abschluss des ersten donaufestival-Wochenendes in Krems: Während die irisch-norwegische Musikerin Tara Nome Doyle bei ihrem Österreichdebüt mit klugem Pop ihr Potenzial offenbarte, musste man sich beim Auftritt des britischen Rappers Blackhaine beinahe ein bisschen fürchten ob der aus ihm herausbrechenden Wut. Und das war bei Weitem nicht alles, was es zu hören gab.

Die in Berlin geborene Doyle hat mit ihrem zu Jahresbeginn veröffentlichten Album "Vaermin" gezeigt, wie hochqualitativer, internationaler Pop geht. Ein Konzeptwerk über eine toxische Liebesbeziehung, für die sie Ungeziefer als titelgebende Metaphern gewählt hat. Blutegel, Schnecken und Motten bevölkern dieses Universum, das sie auch noch mit von C.G. Jung entlehnten Gedanken über Schatten und Persona unterfüttert. "Es muss für alle funktionieren: Jene, die sich gar nicht für das Konzept interessieren, und jene, die wirklich tief reingehen wollen", hatte sie dazu vor dem Auftritt im APA-Gespräch betont.

Live ging dieses Vorhaben jedenfalls auf: Begleitet von Simon Goff an Synthesizer und Violine sowie Tobias Humble am Schlagzeug, zeigte sich die Mittzwanzigerin ganz in ihrem Element, wenn sie mit zunächst zarter Stimme über ihre Klavierakkorde sang. Behutsam schichtete das Trio dann Sound über Sound, um den Songs immer mehr Dringlichkeit zu verpassen. Das lyrische "Snail I" war ein erstes Highlight, dem viele folgen sollten, etwa das mantraartige "Worms" oder die live weniger artifiziell gestaltete Version von "Crow", die auch die gesangliche Bandbreite Doyles unterstrich.

Hatte sie bis dahin nur ihre Kopfstimme genutzt, entdeckte Doyle für "Vaermin" auch die Bruststimme für sich. "Am Anfang war es wie ein Fremdkörper für mich, ich konnte es gar nicht kontrollieren. Diese Stimme war nicht meine", schmunzelte sie. "Aber mit mehr Übung habe ich mich daran gewöhnt und damit verbunden gefühlt." Nun sind es eben die zwei Charaktere der Geschichte, denen sie somit Ausdruck verleiht. Der Auftritt im Stadtsaal war jedenfalls ein Versprechen für die Zukunft: Wer eine so ausgereifte Performance mit derart zwingenden Liedern vorlegen kann, von dem ist noch viel zu erwarten.

Warten mussten die Fans auch auf Blackhaine: Der britische Rapper, der bürgerlich Tom Heyes heißt, ließ zunächst seine beiden Handlanger eine düstere Klanglandschaft in den Raum stellen, bevor er mit fast halbstündiger Verspätung doch noch die Bühne einnahm. Und wie! Gerade die ersten Minuten seines Sets spuckte Blackhaine Gift und Galle, schrie seine Zeilen zum aus den Boxen dröhnenden Backingtrack und marschierte schlussendlich, das Mikrofon fest umklammert, hinein in die ersten, sichtlich verdutzten Reihen des Publikums. Hier brach sich ganz offensichtlich die Wut von der Straße Bahn, wenn man die in tiefstem nordenglischen Dialekt gehaltenen Worte denn auch verstand. Es war ein eigenwilliger, letztlich aber ziemlich intensiver Auftritt, der zumindest Fans glücklich machen sollte. Wer Zorn erwartet hat, wurde belohnt.

Komplett konträr dazu regierten wenige Stunden zuvor in der Minoritenkirche meditative Sounds, als Saxofonistin Matana Roberts und Violinistin Jessica Moss eine einstündige Improvisation darboten. Minimale Verschiebungen und elegische Passagen ließen die Zuhörerschaft größtenteils mit geschlossenen Augen genießen, was sich natürlich im Ambiente der Kirche besonders passend anfühlte. Der finnische Produzent Vladislav Delay brachte wiederum zu pulsierenden Visuals von Antye Greie-Fuchs die Wände zum Vibrieren, ganz so, als ob Kontinentalplatten aufeinanderkrachen würden. Und wer sich schlussendlich noch nach einer Prise Funk mit spacigen Elementen sehnte, wurde bei Shabazz Palaces abgeholt: Die Hip-Hop-Gruppe um Ishmael Butler setzte den Schlusspunkt unter ein abwechslungsreiches, vielfach gelungenes Wochenende, das Lust auf Nachschub machte.

(S E R V I C E - www.donaufestival.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Die in Berlin geborene Doyle hat mit ihrem zu Jahresbeginn veröffentlichten Album "Vaermin" gezeigt, wie hochqualitativer, internationaler Pop geht.
  • Behutsam schichtete das Trio dann Sound über Sound, um den Songs immer mehr Dringlichkeit zu verpassen.
  • Der Auftritt im Stadtsaal war jedenfalls ein Versprechen für die Zukunft: Wer eine so ausgereifte Performance mit derart zwingenden Liedern vorlegen kann, von dem ist noch viel zu erwarten.