APA/CHRISTOPH GRIESSNER

Sängerin Berglind tobt sich auf "kreativer Spielwiese" aus

Diesmal hat sich Giovanna Fartacek Zeit genommen: Entstand das letzte Mynth-Album mit ihrem Bruder Mario in gerade mal vier Wochen, dauerte es bis zu ihrem Solodebüt als Berglind länger. Vor drei Jahren startete Fartacek die Arbeit an dem, was nun mit der Platte "Feste Feiern Fallen" das Licht der Welt erblickt: kluge, einnehmende Popmusik mit deutschen Texten. "Hier kann ich mich künstlerisch und visuell austoben, das ist einfach meine kreative Spielwiese."

Seit bald zehn Jahren ist die gebürtige Salzburgerin Teil der heimischen Musikszene, hat sich neben den Erfolgen mit Mynth auch als Songwriterin für andere Künstlerinnen sowie Künstler etabliert und spielt auch hinter den Kulissen eine Rolle. Berglind ist nun ein neuer Schritt, ein neuer Sound, eine neue Sprache. "Meine Mama hat mir einmal eine Platte von Erika Pluhar geschenkt. Es hat mich fasziniert, wie sie mit Worten umgeht und wie das rüberkommt, wie es mich berührt und auch gefangen hat. Das habe ich bei englischen Texten selten", erläuterte Fartacek ihre zwischenzeitliche Abkehr von der international dominierenden Popsprache. "Auf Deutsch machst du dich viel angreifbarer, gleichzeitig kann ich sehr viel von mir geben und zeigen."

Los ging es letztlich während Corona. "Eh klassisch", schmunzelte Fartacek im APA-Interview, ganz nach der Devise: "Probier' es einfach mal. Also habe ich mit ersten Texten und Songskizzen begonnen." Immer wieder habe sie bewusst Zeit für Berglind freigeräumt, hat neben ihren anderen Verpflichtungen an den Nummern gefeilt. "Am Anfang wollte ich am liebsten alles zerreißen. Ich wollte, dass die Leute es hören und gerne alle Songs rausbringen." Ihr Bruder Mario, der auch diesmal als kreativer Sparringpartner mit an Bord war, habe sie aber zum Glück gebremst. "Es war wichtig, dass wir noch gewartet haben. Das Projekt musste sich erst formen. Ich brauchte die Zeit, damit es genau so wird, wie ich es mir vorgestellt habe."

Das Warten hat sich gelohnt: Dieses "Zeitdokument der letzten drei Jahre", wie Fartacek die Platte beschrieb, ist ein Stück moderner Pop, der gerne elektronisch unterfüttert daher kommt und oft mit ungewohnten Klängen aufwartet. Sofort fällt dabei das tiefe Timbre der Sängerin auf, wodurch ein deutlicher Unterschied zu den Mynth-Songs entsteht. "Was ich keinesfalls wollte, war Mynth auf Deutsch", nickte Fartacek. Das habe man dementsprechend auch im Studio berücksichtigt. "Bei dieser Musik, die sehr schwer sein kann, hat es sich recht gut angefühlt, es so samtig und tief reinzulegen." Und dennoch versprühen Nummern wie "Träum lauter" durchaus einen positiven Vibe, während etwa "Insel der Verlorenen" von einer wunderbaren Melancholie lebt.

Den Sound habe sie gemeinsam mit Mario entwickelt, auch Kollegen wie Andreas Häuserer und Johannes Madl waren involviert. "Ich habe einfach versucht zu beschreiben, was Berglind für mich ist - und das ist es dann geworden", beschrieb die Sängerin diesen Prozess. "Das war sehr intuitiv. Die elf Songs sind in drei Jahren entstanden, da hätte es auch sein können, dass sie ganz verschieden sind - aber das sind sie nicht. Vom Sound her passt es. Es ist einfach ein Paket mit verschiedenen Farben und Facetten."

Wie aber definiert sie nun Berglind? "Verträumt", überlegte Fartacek kurz. "Es ist ein bisschen surreal. Ich finde einfach Künstlerinnen spannend, die ein gewisses Mysterium haben", brachte sie etwa Björk ins Spiel, die sie kürzlich bei ihrem Konzert in Wien erleben konnte. "Das zu sehen, hat mich wieder sehr inspiriert. Das ist einfach Kunst, nicht nur Musik. Es gibt so viele Ebenen. Genau das wollte ich auch für Berglind, dass es Kunst auf mehreren Ebenen ist." Musikalisch ist ihr in jedem Fall ein abwechslungsreiches Album gelungen, das durchaus tanzbare Momente bereithält ("Bleib"), an anderer Stelle aber von der Spannung zwischen reduzierter Klangkulisse und grooviger Rhythmussektion zehrt ("Haut").

Ist aber der Umgang mit Themen auf Deutsch ein anderer? "Es ist schwieriger, wie man es umschreibt", gab Fartacek zu bedenken. "Auf Deutsch muss man Dinge direkter ansprechen. Die Frage ist ja, wie weit man gehen kann." Bei einer Nummer wie "Berlin", die eine Liebeserklärung an die Stadt sei, schwinge auch viel Schmerz mit. "Da war der Grat so schmal, wie ich das sage. Auf Deutsch kann etwas sehr schnell seicht klingen. Da habe ich mich erst einfinden müssen, dass es sich richtig anfühlt, das zu singen." Thematisch sind auch Motive wie Bewegung und Stillstand vielfach präsent, was sie teils erst nachher bemerkt habe. "Ich nehme mir keine Themen vor. Wahrscheinlich sind das Dinge, die mich gerade beschäftigen. Insofern ist es einfach ein Lebensabschnittsalbum."

Als arrivierte Musikerin ein Debüt vorzulegen, habe durchaus Vorteile. "Die Zeit bringt eine Gelassenheit, wenn man schon lange dabei ist und viel gemacht hat. Ich bin so stolz auf dieses Berglind-Album, aber es muss eigentlich gar nicht etwas ganz Großes damit passieren." Den Namen - ein isländischer Mädchenname - hat sie übrigens zufällig aufgeschnappt. "Vorher habe ich ihn noch nie gehört. Wer heißt Berglind? Wenn ich mich so nenne, glauben die Leute dann, ich mache Schlager?", lachte die Künstlerin. "Ich fand diese Idee cool, weil es ein bisschen irreführend ist. Gleichzeitig macht es mit der Musik, die ja doch nordisch sein könnte, irgendwie Sinn." Live stellt Berglind ihre Platte am Donnerstag im Wiener Club The Loft vor.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E - https://berglind.bandcamp.com)

ribbon Zusammenfassung
  • Vor drei Jahren startete Fartacek die Arbeit an dem, was nun mit der Platte "Feste Feiern Fallen" das Licht der Welt erblickt: kluge, einnehmende Popmusik mit deutschen Texten.
  • "Hier kann ich mich künstlerisch und visuell austoben, das ist einfach meine kreative Spielwiese."
  • Vom Sound her passt es.
  • "Es ist schwieriger, wie man es umschreibt", gab Fartacek zu bedenken.
  • Live stellt Berglind ihre Platte am Donnerstag im Wiener Club The Loft vor.