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"Rutherford & Sohn": Wiederentdeckung am Schauspielhaus Graz

Anfang 1912 war "Rutherford html5-dom-document-internal-entity1-amp-end Son" in London und bald international eine Theatersensation. Dies deshalb, weil das kapitalismuskritische Generationendrama von einer Frau, der aus einer Industriellenfamilie stammenden Githa Sowerby, geschrieben worden war. Nach dem Ersten Weltkrieg geriet das Stück in Vergessenheit, und so dauerte es 113 Jahre, bis "Rutherford html5-dom-document-internal-entity1-amp-end Sohn" in einer neuen Übersetzung von Gerhild Steinbuch am Samstag in Österreich erstaufgeführt wurde.

Die Rutherfords sind eine typische Industriellenfamilie. Der verwitwete Vater widmet seine ganze Lebenskraft dem Familienunternehmen, einer Glashütte. Er merkt nicht, dass er durch seine gefühlskalte und berechnende Lebenseinstellung im Lauf der Zeit eine völlige Zerrüttung der Familie herbeigeführt hat. Sohn Richard ist in das Priesteramt geflüchtet, der andere Sohn, John Jr. träumt von einem freien Leben als Erfinder, Tochter Janet führt eine geheime Beziehung mit dem Lieblingsangestellten des Vaters, Schwester Ann lebt in einer elitären Scheinwelt.

Als am Ende die Familie endgültig auseinanderfällt, bleibt auch Schwiegertochter Mary, die als einzige den emotionalen Überblick bewahrt hat, nichts anderes übrig, als mit dem einsamen Patriarchen einen Kompromiss einzugehen, der wie ein Pakt mit dem Teufel anmutet. Sowerbys Stück spiegelt zwar die gesellschaftliche Situation im englischen Industriezeitalter Anfang des 20. Jahrhunderts wieder, ist aber berückend aktuell.

Dies ergibt sich einerseits dank der präzisen Zeichnung der Charaktere und ihren psychologischen Dispositionen, die Sowerbys außerordentliches dramatisches Talent bezeugen. Zum anderen könnte das Stück ohne weiteres auch in einer durch Unternehmertum reich gewordenen Familie im Österreich der Gegenwart spielen. Die Einstellung, wonach es allen in der Familie nur dann gut gehe, wenn es der Firma gut geht, ist im auch im heutigen politischen Diskurs hierzulande unschwer auszumachen. Die in dem Stück gezeigte, durch bedingungslosen Materialismus und Egozentrik entstehende soziale Kälte ist ebenfalls kein historisches Phänomen.

Regisseur Jakab Tarnóczi und sein durch die Bank junges Produktionsteam machen sich die zeitlose Qualität des Textes zunutze, indem sie den Handlungsort - das ganze Stück spielt auf dem feudalen Anwesen der Rutherfords - auf eine Drehbühne versetzen, die immer wieder parallele Perspektiven in Form voyeuristisch einladender Blicke auf die einzelnen im Haus befindlichen Personen ermöglichen. Die einzige Komponente des Stücks, die im Hier und Heute zumindest teilweise überholt ist, nämlich diejenige des weiblichen Selbstverständnisses als Mutter und Haushaltsführerin, spiegelt sich in den dezent historisierenden Kostümen wieder.

Die Ensembleleistung ist solide, wobei einerseits Franz Solar als eiskalter, mit zynisch-dämonischen Zügen ausgestatteter Familien- und Firmenchef hervorsticht. Annette Holzmann spielt Schwiegertochter Mary als starke Frau, die ihre Zerbrechlichkeit im Gegensatz zu den anderen Figuren selbstbewusst und als Waffe einsetzt. Ein Hauch weniger plakativer Aggression hätte den Aufbegehrensversuchen der anderen Figuren gut getan, die dadurch in manchen Situationen karikaturenhafte Züge bekommen.

Dem Grazer Schauspielhaus ist jedenfalls hoch anzurechnen, Sowerbys kapitalismuskritisches Generationendrama, das 1998 vom National Theater Archive in London unter die 100 wichtigsten Theaterstücke des 20. Jahrhunderts gereiht wurde, endlich auch in Österreich aufgeführt wird. Das Premierenpublikum applaudierte zwar höflich, schien sich aber aus der historischen Dimension des Abends ansonsten wenig zu machen.

(Von Andreas Stangl/APA)

(S E R V I C E - "Rutherford & Sohn" von Githa Sowerby. Österreichische Erstaufführung im Grazer Schauspielhaus. Regie: Jakab Tarnóczi, Bühne: Eszter Kálmán, Kostüme: Ilka Giliga. Mit: Franz Solar, Annette Holzmann, Olivia Grigolli, Mario Lopatta, Marielle Layher, Tim Breyvogel, Thomas Kramer, Anke Stedingk. Weitere Aufführungen: 14., 15., 22., 31.1. sowie 8. und 27.2. https://schauspielhaus-graz.buehnen-graz.com )

ribbon Zusammenfassung
  • 'Rutherford & Sohn' von Githa Sowerby, ein kapitalismuskritisches Stück von 1912, wurde nach 113 Jahren erstmals in Österreich aufgeführt.
  • Das Drama über die Zerrüttung der Industriellenfamilie Rutherford bleibt durch seine Themen auch heute relevant.
  • Die Inszenierung am Schauspielhaus Graz nutzt eine Drehbühne und wird durch starke Darstellerleistungen hervorgehoben.