Rudigier fordert Museen jenseits der "Gutmenschenblase"
"Ein Museum muss einen Beitrag leisten, um die Spaltung in der Gesellschaft abzubauen", strich er deutlich heraus. Dazu gelte es zu erkennen, dass "ein Teil der Gesellschaft ganz anders tickt als das Museumsumfeld und deren Anhänger." "Ein Museum muss sich deshalb deutlich breiter aufstellen, als das oftmals der Fall war und ist", stellte Rudigier fest. Nur dann gelinge es, die ureigene und wesentliche Funktion von Museen zu aktivieren: "Wir haben die Pflicht, einen guten Beitrag zu einem gelingenden gesellschaftlichen Wandel zu leisten."
Dazu möchte Rudigier unter anderem, ganz nach dem Vorbild des Vorarlberg Museums in Bregenz, das er derzeit noch leitet, beispielsweise "interkulturelle Dialoge" oder "Dialoge zwischen den Generationen" etablieren. Auch sollen, wenn es Sammlung und Thema hergeben, "verstärkt Brücken in die Gegenwart geschlagen werden", hielt Rudigier fest. Insgesamt gelte es jedenfalls Formate zu finden, "die Migration und Jugend stets mitdenken."
Dahinter stehe für ihn eine grundsätzliche Haltung: "Ein Museum ist mehr als nur ein Tempel für Bildungsbürger." Museen müssten stattdessen "offene Orte sein", in die auch Menschen kommen können, die "lediglich eine Ansprache suchen." An diesem offenen Ort müsse man zudem auch jungen Menschen deutlich mehr Freiraum lassen und ihnen außerdem einiges zutrauen: "Sie sollen eigenständig etwas tun und gestalten können, ganz ohne pädagogische Anleitung."
Daran, dass ihm das und die weiteren genannten Aspekte auch für "seine" künftigen Landesmuseen-Häuser - Ferdinandeum, Tiroler Volkskunstmuseum, Hofkirche, Zeughaus und Tirol Panorama - vorschweben, ließ Rudigier keinen Zweifel. "Aber es gilt dennoch auch die Sammlungen und geschichtlichen Besonderheiten des Landesmuseums und des Landes Tirol anzunehmen", betonte er. "Zuerst müssen die Sammlungen ausgiebig und präzise beforscht werden, dann ausgestellt und schließlich erst können wir in die Vermittlung und in den Dialog gehen", so der 58-jährige Kunsthistoriker.
Die Landesmuseen stellt sich Rudigier dabei als Orte der "Geschichten" vor, in der nicht nur Geschichte vermittelt wird. "Es geht auch etwa um gegenwärtige O-Töne und Stimmen aus der Region", sagte er. In dieser Hinsicht werde "auch die menschliche Biografie zum Objekt für eine Ausstellung", erklärte der Vorarlberger.
Dass es für ihn in Tirol aber nicht "nur" um inhaltlich-museale Arbeit gehen wird, ist Rudigier bewusst. Dass es bei den Landesmuseen zuletzt unruhige Zeiten gab, hat er nämlich augenscheinlich mitverfolgt. So muss das Land Tirol etwa für den Um- bzw. Neubau des Ferdinandeums mittlerweile 48 Millionen Euro statt der ursprünglich avisierten 36 Millionen Euro in die Hand nehmen. Begonnen werden soll mit den Arbeiten nach Verzögerungen erst im Herbst 2024. Zudem hatte es den überraschenden Abgang seines Vorgängers, Peter Assmann, gegeben. Im November 2022 übernahm Karl Berger, langjähriger Leiter des Volkskunstmuseums, dessen Aufgaben interimistisch.
"Das alles reizt mich sehr, ich habe mit solchen Dingen und Krisen Erfahrung", meinte Rudigier und hielt im gleichen Atemzug fest, dass die mit dem Umbau einhergehende "architektonische Öffnung hin zur Stadt" genau seinem Verständnis eines offenen Museums entspreche.
"Ich freue mich auf meine Zeit in Tirol und werde dort auch an der Schärfung der Profile der jeweiligen Häuser arbeiten", versprach der gebürtige Bludenzer. Das "Kultur-Klima" für diese Arbeiten und Vorhaben schätzte Rudigier als überaus positiv ein: "Dass Landeshauptmann Anton Mattle Kultur zu seiner Chefsache gemacht hat und dass er nicht mit der FPÖ koalieren wollte, stimmt mich persönlich sehr optimistisch", platzierte er noch eine politische Aussage.
Zusammenfassung
- Der designierte Leiter der Tiroler Landesmuseen, Andreas Rudigier, lässt in Sachen österreichischer Museumspolitik aufhorchen.
- Rudigier, der mit Dezember seine Tätigkeit in Innsbruck aufnimmt, drängt darauf, dass sich Museen der Gegenwart "außerhalb der Gutmenschenblase" positionieren sollen.
- Die Landesmuseen stellt sich Rudigier dabei als Orte der "Geschichten" vor, in der nicht nur Geschichte vermittelt wird.