APA/APA/ROLAND SCHLAGER/ROLAND SCHLAGER

"Radikale Wende": Buch von Klimaaktivistin Lena Schilling

Die Hoffnung lebt. Die Hoffnung nämlich, dass man den Weltenlauf ändern könne. Gegen Ende ihres Buches "Radikale Wende" verweist Lena Schilling auf die "Frauen(wahlrechts)bewegung", auf die "Bürger:innenrechtsbewegung der People of Colour", auf die "Arbeiter:innenbewegung". Ohne diese sähe die Welt heute anders aus. Diesen Bewegungen verdanke man "auch das Wissen, dass wir etwas verändern können". Am Dienstag wird das erste Buch der Klimaaktivistin in Wien präsentiert.

Als Gründerin des Jugendrats und Sprecherin von "LobauBleibt", der BürgerInneninitiative gegen Stadtstraße Aspern und Lobau-Tunnel, hat die 21-jährige Wiener Studentin einige Bekanntheit erlangt. Bei ihren zivilgesellschaftlichen Aktivitäten hat sie Siege errungen und Niederlagen eingesteckt, über die sie in dem - selbstredend von einem cradle-to-cradle-zertifizierten Unternehmen gedruckten - Buch erzählt. Vor allem aber schreibt sie darüber, warum es wichtig ist, weiter zu protestieren und immer mehr Menschen dazu zu bringen, selbst politisch aktiv zu werden. "Wir haben eine Welt zu gewinnen, denn wenn wir weitermachen wie bisher, haben wir sie schon verloren. Alles wird gut, sagen die Entscheidungsträger:innen und ändern nichts."

Schillings Verbitterung ist groß. "Trotz vieler Jahre Klimaprotest sind wir den Klimazielen keinen Schritt näher gekommen. Die großen politischen Tanker haben sich nur ein winziges bisschen bewegt." Dieses bittere Fazit, das der Motor all' ihres Handelns ist, wird in dem Buch immer wieder variiert. Die Aktivistin ist keine große Autorin. Aber hinter vielen Sätzen spürt man eine Verzweiflung, eine Wut, die sie mit vielen Menschen nicht nur ihres Alters eint, und die noch nicht in Resignation umgeschlagen ist.

Es ist das System, dessen Wachstums- und Ausbeutungslogik uns in diese Krise gebracht hat, und es wäre völlig unrealistisch, von diesem System eine Lösung zu erwarten, schreibt Schilling und referiert ein schönes, an der kapitalistischen Logik gescheitertes Beispiel aus der Zeit, als Vietnam unter französischer Kolonialherrschaft stand: Um der Rattenplage Herr zu werden, wurde pro abgeliefertem Rattenschwanz Geld gezahlt. Doch statt die Ratten zu töten, gingen immer mehr Menschen dazu über, ihnen nur die Schwänze abzuschneiden. Die schwanzlosen Ratten konnten sich so weiter vermehren und für Profitmaximierung sorgen...

Schilling gibt Einblicke in ihre Erfahrung als Klimaaktivistin (inklusive der Verhandlungen mit der Polizei und der wachsenden Sorge ihrer Eltern) und lässt Johannes Stangl, einen Mitbegründer von Fridays for Future in Österreich, in einem Gastbeitrag auf seine internationalen Protest-Erfahrungen auf unzähligen Klimakonferenzen zurückblicken. Eine Handlungsanleitung oder gar ein Handbuch des Klimaaktivismus ist "Radikale Wende" nicht.

Während der schwedische Klimaaktivist Andreas Malm, dessen geplanter Wien-Auftritt kürzlich abgesagt wurde, in seinem Buch "Wie man eine Pipeline in die Luft jagt" zwar genau das nicht verrät, aber etwa konkrete Ideen vermittelt, wie man SUV-Fahrern ihre überdimensionierten Automobile rasch verleiden könnte, bleibt Schilling ganz allgemein: "Politischer Aktivismus hat viele Formen: Aktionen, Petitionen, Kundgebungen, Lichtermeere, Demonstrationen, (Schul-)Streiks, Blockaden. Was richtig ist, hängt vom Thema und von den strategischen Zielen ab. Manches davon ist ziviler Ungehorsam. Deswegen kann es trotzdem richtig sein. Manchmal sogar gerade deshalb."

"Radikale Wende" vermittelt eine Ahnung davon, was jene antreibt, die sich auf Straßen festkleben - und scheut sich auch nicht davor, von den unerfreulichen Diskussionen mit denen zu berichten, die deswegen im Stau stecken, obwohl sie ohnedies lieber mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Arbeit fahren würden. Der Weg vom kleinen Erfolg im Kampf um mediale Aufmerksamkeit hin zum großen politisches Umdenken ist jedoch ein sehr weiter. Wie man den in der nötigen Geschwindigkeit zurücklegen könnte, hat noch niemand schlüssig beschrieben.

(S E R V I C E - Lena Schilling: "Radikale Wende", Amalthea Verlag, 208 Seiten, 22 Euro, Präsentation und Gespräch mit Johannes Stangl am Di., 25.10., 19 Uhr, bei Thalia, Wien 6, Mariahilferstraße 99)

ribbon Zusammenfassung
  • Gegen Ende ihres Buches "Radikale Wende" verweist Lena Schilling auf die "Frauen(wahlrechts)bewegung", auf die "Bürger:innenrechtsbewegung der People of Colour", auf die "Arbeiter:innenbewegung".
  • Diesen Bewegungen verdanke man "auch das Wissen, dass wir etwas verändern können".
  • Am Dienstag wird das erste Buch der Klimaaktivistin in Wien präsentiert.
  • Die großen politischen Tanker haben sich nur ein winziges bisschen bewegt."