Gelungen: "Lotfullah & Die Staatsbürgerschaft" im Vestibül
Die Bürokratie tritt in dem 75-minütigen Abend in Gestalt von Waltraud Matz leibhaftig auf, genüsslich zelebriert sie sich in einer Arie als "Königin der Macht" und streitet sich mit dem Gesetzgeber (Florian Jungwirth): Dauernd bringt er neue Arbeit mit nach Hause und schert sich dann nicht mehr darum. Das kümmert den in Halskrausen antretenden Staatsbürgerchor wenig, denn dessen Mitglieder trällern glücklich: "Wir liegen in der Sonne und genießen unsere Staatsbürgerschaft!" Jene, die sie nicht in die Wiege gelegt bekamen, sondern sie erst erwerben müssen, haben es bedeutend schwerer. Um einen von ihnen geht es bei dieser von der Theaterpädagogik des Burgtheaters mit einem neunköpfigen Ensemble entwickelten Community-Produktion.
Im Zentrum steht der 2015 aus Afghanistan oder Pakistan ("Da sind sich die Behörden nicht einig.") allein nach Österreich geflohene Lotfullah Yusufi. Ungemein sympathisch erzählt er, fantasievoll unterstützt vom Rest der Truppe, seine Geschichte - seine Träume von Europa, seine Ankunft in Traiskirchen, seine Erfahrungen mit hilfsbereiten Unterstützern und der komplizierten österreichischen Asylbürokratie, aus der es kaum ein Entkommen gibt.
Dass er 2017 erstmals an einer Produktion des Burgtheaters mitwirkte, während er im Asylverfahren nichts anderes tun durfte als zu warten, ist Teil der von ihm gemeinsam mit Regisseurin Anna Manzano, Musikerin und Mitspielerin Marie Theissing und Ausstatterin Magdalena Knor erarbeiteten Erzählung. Auch die Erlangung des subsidiären Schutzes nach Jahren des Bangens und des Kämpfens, in denen eine Abschiebung theoretisch fast jederzeit möglich gewesen wäre, ist nur ein Teilerfolg. Mitten in den Proben zu diesem Stück wurde der Status routinemäßig erneut geprüft - jedes Mal steht aufs Neue alles auf dem Spiel.
Einfallsreich und witzig
Das Spiel, das sich vor den Zuschauerinnen und Zuschauern entfaltet, ist dagegen bedrückend nur in der Unmittelbarkeit seines Materials, aber unterhaltsam, musikalisch, einfallsreich und witzig in seiner Umsetzung. "Lotfullah & Die Staatsbürgerschaft" ist ein bei der Premiere zu Recht bejubeltes und in jeder Hinsicht überzeugendes Community-Projekt, das einen Teil seiner Aufgabe wohl schon bei der Erarbeitung entfaltet hat.
Noch mehr Wirkung würde das Stück bei einer ausgiebigen Tournee durch österreichische Schulen entfalten. Dieses Lehrstück an politischer Bildung erteilt nämlich wichtigen Nachhilfeunterricht in den Fächern Empathie und Bürokratie, Migration und Integration. Ihm kann deshalb nicht genug junges Publikum gewünscht werden.
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - "Lotfullah & Die Staatsbürgerschaft" von Lotfullah Yusufi, Anna Manzano, Marie Theissing und Magdalena Knor. Regie: Anna Manzano, Bühne und Kostüme: Magdalena Knor, Musik: Marie Theissing, Mit Florian Jungwirth, Waltraud Matz, Himali Pathirana, Marlene Schenk-Mair, Ben Schidla, Alex Teufelbauer, Marie Theissing, Patrick Werkner, Lotfullah Yusufi. Uraufführung im Burgtheater-Vestibül. Nächste Vorstellungen: 16., 28.3., www.burgtheater.at)
Zusammenfassung
- Das Theaterstück 'Lotfullah & Die Staatsbürgerschaft' wurde im Burgtheater-Vestibül uraufgeführt und dauert 75 Minuten.
- Lotfullah Yusufi, der 2015 aus Afghanistan oder Pakistan nach Österreich floh, erzählt seine Geschichte und thematisiert die Herausforderungen der österreichischen Asylbürokratie.
- Die Premiere des musikalischen und humorvollen Stücks wurde begeistert aufgenommen und eine Tournee durch österreichische Schulen wird als besonders wirkungsvoll angesehen.