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Peter Fässlacher auf Reisen durch "Die schwule Seele"

Peter Fässlacher ist das Gesicht von ORF III, Sendungsverantwortlicher und Moderator von "KulturHeute". 2014 hatte der aus Kärnten stammende Kulturmoderator mit seinem Outing in der "Presse" überrascht - nicht durch den eigentlichen Umstand, sondern mit der Schilderung des diesem Schritt vorhergehenden langen Kampfes. Seither hat Fässlacher mit seinem Podcast "Reden ist Gold" das Thema weiter ausgemessen und im Vorjahr die TV-Dokumentation "Verbotene Liebe" präsentiert.

Als bis dato letzten Baustein legt der 1986 in Villach geborene Kulturexperte nun mit "Die schwule Seele" ein kluges Buch vor, mit dem er das bekannt weite Land des Untersuchungsgegenstands entlang psychoanalytischer und psychotherapeutischer Größen wie Sigmund Freud und Alfred Adler erforscht. Und doch ist diese Analyse in eine schnörkellose Sprache gegossen, die sich in die Tradition angelsächsischer Wissenschaftserklärung stellt. Hinzu kommt eine grafische Gestaltung samt Überkapiteln im Rohrschachtestdesign, die es leicht macht, den Pfaden des Autors in ein weites Feld zu folgen.

Diese Wege sind durchaus persönlich grundiert, auch wenn der Autor Peter Fässlacher als Ich-Erzähler dezidiert nur in kurzen anekdotischen Episoden am Beginn einer thematischen Abhandlung aufscheint. Dennoch: "Wer von diesem Buch wissen möchte, was er denken soll, wird nur erfahren, wie ich denke", konstatiert der 36-Jährige wahrheitsgemäß. Und tatsächlich ist "Die schwule Seele" ein subjektiver Blick auf das Wesen mancher schwuler Männer, der aber zugleich eine eigenständige Perspektive auf die Conditio humana offenbart.

Fässlacher baut sein Abhandlung gemäß Hegel nach These-Antithese-Synthese auf und geht vom "Ich" zu "die Anderen" und schließlich zum "Ich und die Anderen". Für ihn mündet die Angst vor der Zurückweisung, die Schwule in der Kindheit und Jugend erführen, in Vermeidungsstrategien im Erwachsenenalter. Man führe ein Leben für die Außenwirkung und atme die Luft der positiven Rückmeldung. Der Drang nach Perfektion entspringe der Kompensation eines gefühlten Mangels. Zugleich sei eine Überempfindlichkeit auf Kritik eine weitere Konsequenz auf die früheren Zurücksetzungen.

Ein weiterer Kompensationsmechanismus sei, das Leben nach vermeintlichen Vorstellungen anderer zu führen, sei die Angst, sich zu zeigen, doch immer auch die Angst vor dem Blick der anderen. Auch die schwule Community als Schutzraum von Gleichgesinnten perpetuiere zugleich die Ansprüche an Perfektion und Anpassung.

Auf der Seite der "Anderen" wiederum konstatiert Fässlacher die Angst vor dem selbstbewussten und selbstgewissen Schwulen, weil hiermit die implizite Minderwertigkeit zugunsten einer Augenhöhe aufgegeben wird, was die eigenen Normen hinterfragt. Zugleich seien eben viele Aufregungen der aktuellen Empörungskultur und Sprachdebatte auf das Aufstehen von seit Anbeginn unterdrückten Minderheiten zurückzuführen, die sich nun bahnbrächen. Die Synthese daraus ist die Etablierung eines "belastbaren Ichs", zu dessen Festigung Fässlacher ein Plädoyer für die Kraft der Psychotherapie hält.

Am Ende der Lektüre der "schwulen Seele" bleibt ein ambivalenter Nachgeschmack. Die Thesen und Schlussfolgerungen, die Fässlacher zieht, sind klug durchdacht und türmen sich zu einem in sich stringent gebauten Gedankengebäude. Zugleich wirkt vieles in der scharfen Trennung der Menschen in Identitätsgruppen aus der Zeit gefallen, erinnert eher an Magnus Hirschfeld in den 1920ern denn an das Jahr 2022.

Viele der subjektiven Problemstellungen, die in apodiktisch Sätzen wie "Psychotherapie bedeutet für schwule Männer nicht dasselbe wie für Heterosexuelle" verabsolutiert werden, können eben nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit für Schwule im Heute erheben. Zuletzt postuliert Fässlacher selbst im Buch die Frage, die man sich als Leser von Seite 1 weg stellt: "Gibt es sie überhaupt, die schwule Seele?" Eine Antwort darauf lautet vielleicht, dass es in "Die schwule Seele" eigentlich nicht um das Schwulsein geht, sonder ums Menschsein.

(S E R V I C E - Peter Fässlacher: "Die schwule Seele. Wie man wird, wer man ist", Verlag Luftschacht, 200 Seiten, 22 Euro)

ribbon Zusammenfassung
  • Peter Fässlacher ist das Gesicht von ORF III, Sendungsverantwortlicher und Moderator von "KulturHeute".
  • Seither hat Fässlacher mit seinem Podcast "Reden ist Gold" das Thema weiter ausgemessen und im Vorjahr die TV-Dokumentation "Verbotene Liebe" präsentiert.
  • Zuletzt postuliert Fässlacher selbst im Buch die Frage, die man sich als Leser von Seite 1 weg stellt: "Gibt es sie überhaupt, die schwule Seele?"