APA/GEORG HOCHMUTH

ORF III zeigt den "Rosenkavalier" aus der leeren Staatsoper

1968 war ein bedeutendes Jahr in der Menschheitsgeschichte, das als Höhepunkt der Studenten- und Bürgerrechtsbewegung in Erinnerung bleibt. Und es ist das Jahr, in dem Otto Schenks Inszenierung von Richard Strauss' "Rosenkavalier" an der Wiener Staatsoper Premiere feierte. Anders als die 68er-Bewegung war die Regiearbeit bereits damals nicht zukunftsgewandt - und sie ist es nach 385 Aufführungen erst recht nicht. Die Zeit ist über diesen Inszenierungsmethusalem hinweggangen.

Immerhin hat der neue Musikdirektor des Hauses am Ring, Philippe Jordan, die Produktion nun musikalisch auf Vordermann gebracht. Das zweischneidige Ergebnis ist am morgigen Sonntag in ORF III zu sehen, das die am 18. Dezember vor leerem Haus erfolgte Aufzeichnung ab 20.15 Uhr ausstrahlt. Jordan jagt das Staatsopernorchester bisweilen durch die Partitur, etwa durch den flott gestalteten orgasmischen Auftakt samt schmachtender Geigen. Zugleich nimmt der 46-Jährige das Orchester durchaus uneitel immer wieder hinter die Sänger zurück, erlaubt sich dabei allerdings nicht, im streckenweise kitschigen Sud der Partitur zu schwelgen.

In dieser Janusköpfigkeit spiegelt die Interpretation gewissermaßen die Grundkonstruktion des "Rosenkavalier", ist dieser doch retro pur - Nostalgie und Abgesang auf eine Epoche gleichermaßen, die verkörperte Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die es so nie gab. Und in seiner Polystilistik durchaus von Dissonanzen und Schnitten geprägt. Eine stringent-markante Deutung dieser Charakteristik gelingt Jordan allerdings nicht.

Umso mehr liegt der Fokus auf den Sängerinnen und Sängern, allen voran Bass Günther Groissböck, der seine Paraderolle des Ochs auf Lerchenau nun erstmals an der Staatsoper präsentierte - und mit der Wandlungsfähigkeit seiner Interpretation überraschte. Ein alter Hase als junger Spund Octavian ist Daniela Sindram, die erneut souverän in der Titelpartie überzeugte und eine glasklar-liebreizende Erin Morley als Sophie an der Seite hat. Ungemein wortdeutlich, doch ebenso deutlich mit der Höhe hadernd, gab Martina Serafin die Feldmarschallin. Und dann können sich Fernsehzuschauer gleichsam auf den Cameoauftritt von Startenor Piotr Beczala in der Partie des "Sängers" freuen.

Beim "Rosenkavalier" alleine muss es der ORF-III-Freund am Sonntag nicht belassen. So ist direkt im Anschluss um 23.30 Uhr die Doku "Günther Groissböck - Portrait eines Ausnahmetalents" angesetzt, für das Regisseurin Astrid Bscher den österreichischen Shootingstar, der heuer auch als vehementer Coronakritiker in Erscheinung trat, ein Jahr lang begleitet hat.

ribbon Zusammenfassung
  • 1968 war ein bedeutendes Jahr in der Menschheitsgeschichte, das als Höhepunkt der Studenten- und Bürgerrechtsbewegung in Erinnerung bleibt.
  • Und es ist das Jahr, in dem Otto Schenks Inszenierung von Richard Strauss' "Rosenkavalier" an der Wiener Staatsoper Premiere feierte.
  • Eine stringent-markante Deutung dieser Charakteristik gelingt Jordan allerdings nicht.
  • Beim "Rosenkavalier" alleine muss es der ORF-III-Freund am Sonntag nicht belassen.