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Ärztekammer erzürnt

"Pauschalverdächtigung": ÖGK will bei Bluttests sparen

Heute, 14:38 · Lesedauer 4 min

Die Österreichische Gesundheitskasse muss sparen. Ärzt:innen sollen künftig Blutuntersuchungen nur mehr durchführen, wenn sie "klinisch gerechtfertigt" seien. Bei der Ärztekammer weist man die "Pauschalverdächtigung", dass Tests willkürlich veranlasst würden, zurück. Grund für die gestiegene Anzahl an Labordiagnostik seien nicht Fehleinschätzungen, sondern Infektionswellen.

Der Sparbedarf der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) ist hoch: Sie prognostiziert für heuer ein Budgetloch von rund 900 Millionen Euro. Um dieses Minus in den Griff zu bekommen, will man nun bei Blutuntersuchungen sparen.

Die ÖGK rief niedergelassene Ärzt:innen in einem Schreiben auf, "nur Untersuchungen, die klinisch gerechtfertigt" und "unbedingt erforderlich" sind, durchzuführen, berichtete zuerst die "Kleine Zeitung". Das Ziel: Vertragsärzt:innen sollen weniger Zuweisungen ausstellen.

"Es ist eine Unterstellung von der ÖGK, dass man uns vorwirft, wir machen nicht gerechtfertigte Untersuchungen", betonte Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Obmann der Bundeskurie niedergelassener Ärzte, im PULS 24 Gespräch: "Wir Ärzte machen die Untersuchungen so, wie es eine Diagnostik erfordert."

Anstieg der Labordiagnostik

Die ÖGK ihrerseits wies darauf hin, dass im ersten Halbjahr 2024 die abgerechneten Leistungen im Bereich der medizinischen und chemischen Labordiagnostik im Vergleich zu 2023 um 14 Prozent gestiegen seien.

Das seien "knapp 10 Millionen Euro", teilte ÖGK-Pressesprecherin Daniela Windisch auf PULS 24 Anfrage mit. Bereits in den Jahren davor habe es "sehr hohe Ausgabensteigerungen im Bereich der Labor-Institute um 34 Prozent" gegeben.

Dieser Wert schwanke generell, hieß es von Wutscher. Vor allem, wenn es Infektionswellen gebe, wie im Winter und Frühjahr auch aktuelle Grippe-Ausbrüche, "dann bringt natürlich die Blutbilddiagnostik eine sehr, sehr wertvolle Einschätzung".

Zudem spüre man auch weiterhin die Auswirkungen der Pandemie. Es brauche "immer wieder ausführlichere Labordiagnostik", damit man eine akute Corona-Infektion von Long Covid unterscheiden könne. 

"Unübliche" Praxis

Dass das Schreiben der ÖGK direkt an Vertragsärzt:innen ging, statt zuerst an die Ärztekammer, ist laut Wutscher "unüblich". Normalerweise sende die ÖGK einen Entwurf an die Ärztekammer. Wäre das in diesem Fall passiert, dann hätte die Ärztekurie sich allerdings sofort beschwert, es handle sich um eine "Pauschalverdächtigung" der ÖGK, so Wutscher.

Zudem gebe es im Gesamtvertrag zwischen ÖGK und Ärzt:innen bereits eine Klausel, die das Vorgehen bei einer "auffälligen Abrechnung" regle. Zuerst stünde dann ein "amikales Gespräch" zwischen ÖGK und Arzt oder Ärztin an, der/die dabei auch von einer Ärztekammer-Vertretung begleitet werden könne. 

"Das vermisse ich schon sehr in dieser Pauschalverdächtigung", bemängelte Wutscher.

Könne sich der/die Betroffene dort nicht ausreichend erklären, würde der Fall weiter an einen "Schlichtungsausschuss" gehen, bei dem Vertreter:innen der ÖGK und der Ärztekammer erneut zusammenkommen würden.

In der neuen Sparmaßnahme ist stattdessen die Rede davon, dass "die Notwendigkeit einer Zuweisung bedacht werden soll", teilte die ÖGK mit. Laut "Kleine Zeitung" heißt es in dem Schreiben konkret, dass man Kontakt aufnehmen werde, "wenn unserer Einschätzung nach diese Anforderungen nicht erfüllt werden".

Auf PULS 24 Anfrage ging die ÖGK weniger ins Detail, es war die Rede von "weiteren Maßnahmen", die es zu setzen gelte, "um zum Beispiel Doppelbefundungen zu vermeiden".

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Hoffnung auf klärendes Gespräch

Mittlerweile gab es bereits zwei Krisensitzungen der Ärztekammervertreter:innen. Da die ÖGK 900 Millionen Euro Defizit mache, werde "unterschwellig gesagt, da müssen wir bei den Ärzten sparen", so Wutscher. Dabei entfallen nur etwa 15 Prozent der Ausgaben der ÖGK auf den niedergelassenen Bereich, wie auch die Kassa bestätigte.

Hier würde daher "ein kleiner Teil" beschuldigt werden, statt Hand bei den 85 Prozent anzulegen, sagte Wutscher.

Er hofft, dass in einem klärenden Gespräch auf Spitzenebene der Konflikt zwischen ÖGK und Ärztekammer beseitigt werden kann. Sollte das nicht der Fall sein, befürchte man "Leistungseinschränkungen", die dann wohl auch die Patient:innen treffen würden.

Ähnlich sieht man das auch bei der Kassa. Es habe "kritische Rückmeldungen" gegeben, wird dort eingeräumt, allerdings auch "gutes und sehr wertvolles Feedback" der Vertragspartner:innen. Damit werde man sich "konstruktiv auseinandersetzen". 

Zusammenfassung
  • Die Österreichische Gesundheitskasse muss sparen. Ärzt:innen sollen künftig Blutuntersuchungen nur mehr durchführen, wenn sie "klinisch gerechtfertigt" seien.
  • Bei der Ärztekammer weist man die "Pauschalverdächtigung", dass Tests willkürlich veranlasst würden, zurück.
  • Grund für die gestiegene Anzahl an Labordiagnostik seien nicht Fehleinschätzungen, sondern Infektionswellen.
  • Es habe "kritische Rückmeldungen" gegeben, wird bei der ÖGK eingeräumt, allerdings auch "gutes und sehr wertvolles Feedback" der Vertragspartner:innen.
  • Damit werde man sich "konstruktiv auseinandersetzen".