Netflix-Reichensatire "Delicious" schlägt auf den Magen
Was kürzlich im Rahmen der Berlinale Weltpremiere feierte, ist nichts für schwache Nerven und schlägt durchaus auf den Magen: Eine vierköpfige deutsche Familie hat eigentlich nur ein paar entspannte Tage in ihrer Villa in Südfrankreich im Sinn. Doch nachdem sie eines Nachts auf der Rückfahrt von einem Restaurantbesuch eine junge Frau mit dem Auto streift, bleibt kein Stein auf dem anderen. Karrierefrau Esther (Valerie Pachner) will vom Krankenhaus nichts hören und nimmt die wortkarge Teodora (Carla Díaz) mit, um sie in luxuriöser Umgebung zu versorgen. Ihr Ehemann John (Fahri Yardim) und die beiden Kinder beobachten das Geschehen eher distanziert denn wirklich geschockt. Aber das ändert sich schnell.
Denn Teodora ist beim Morgengrauen zwar aus dem Gästezimmer verschwunden, taucht aber nur wenig später wieder vor dem Gittertor des Anwesens auf. Aufgrund der Verletzung habe sie ihren Job verloren und braucht nun Unterstützung. Die Lösung? Sie beginnt als Hausmädchen, schnappt sich Küchenmesser, Einkaufsliste und Staubsauger, um alles auf Vordermann zu bringen. Doch eigentlich hat sie die Familie selbst im Auge und beginnt sukzessive, sich einen nach dem anderen vorzuknöpfen. Esther fühlt sich von Job und Familie erdrückt und will nur noch ausbrechen, während sich John nach mehr Nähe zu seiner Frau sehnt und seinen Frust mit Alkohol betäubt. Die Kinder laufen da nur wie nebenbei mit.
Überzeichnete Figuren und stilisierte Bilder
Mueller-Stöfen, die auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, setzt ganz auf überzeichnete Figuren und stilisierte Bilder sowie symmetrische Tableaus. Schon zu Beginn lässt sie ihre reichen Protagonisten auf Ausschreitungen bei einer Demonstration treffen, haben die Menschen vor Ort doch kaum genug zum Überleben. "Die interessieren sich doch gar nicht für uns", versucht Vater John die verängstigten Blicke seiner Tochter runterzuspielen. Wenn er nur wüsste. Immer wieder wird eine Gruppe junger Angestellter ins Bild gerückt, die die Touristen auf Schritt und Tritt verfolgt. Zwei Welten treffen aufeinander, die kein Verständnis füreinander haben - in einem Fall das Gegenüber nicht einmal wirklich sehen.
Zumindest bei Esther ändert sich das schlagartig, als Teodora sie ins Nachtleben entführt. Endlich kann die so zielstrebige Frau loslassen, lacht sich einen jungen Liebhaber an und kehrt ihrer Familie vermeintlich den Rücken. Es liegt nicht zuletzt an Pachners Leistung, dass dies einigermaßen authentisch wirkt, spielt die Österreicherin den Ausbruch aus dem gesellschaftlichen Korsett doch mit viel Verve, während Yardims Figur in Selbstmitleid versinkt - eine nicht immer dankbare Rolle. Wie ohnehin das Verhalten der meisten Charaktere eher holzschnittartig angelegt ist. Die Wut und Verzweiflung von Teodora und ihrer Gruppe kommt nur selten wirklich zum Tragen, dafür bleibt "Delicious" zu sehr an einer glänzend schimmernden Oberfläche, die immer unansehnlicher wird.
Etwas mehr Ambivalenz hätte dem Film gut getan
Im letzten Drittel lässt die Regisseurin ihren Film dann kippen und inszeniert das "Eat the Rich"-Thema als horrorfilmartiges Finale, das seine Stoßrichtung allzu wörtlich nimmt. So manche zuvor gesetzte Andeutung erscheint da in anderem Licht. Dabei wäre eine gewisse Ambivalenz diesem dunklen Gesellschaftsdrama wohl besser zu Gesicht gestanden, als die durchaus ernst ausgeführte, aber insgesamt absurd erscheinende Conclusio. Wirklich Neues wird hier nicht erzählt. Vielleicht sollte man sich der nächsten, nicht ganz so roh servierten Mahlzeit widmen.
(S E R V I C E - www.netflix.com/at/title/81653495)
Zusammenfassung
- Die Netflix-Satire 'Delicious' von Nele Mueller-Stöfen nimmt die reiche Elite ins Visier und zeigt, wie eine gut situierte deutsche Familie durch einen Unfall aus der Bahn geworfen wird.
- Teodora, die junge Frau, die in den Unfall verwickelt ist, wird von der Familie aufgenommen und beginnt, deren Leben zu verändern, während der Film auf überzeichnete Figuren und stilisierte Bilder setzt.
- Im letzten Drittel kippt der Film in ein horrorfilmartiges Finale, das das 'Eat the Rich'-Thema wörtlich nimmt, wobei die Charaktere oft holzschnittartig dargestellt werden.