Über 150 Tote in Deutschland: Hochwasserlage entspannt sich
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei ihrem Besuch in den vom Hochwasser schwer getroffenen Gebieten in Rheinland-Pfalz schnelle Hilfe angekündigt. "Wir stehen an Ihrer Seite, Bund und Land", sagte sie am Sonntag in Adenau im Kreis Ahrweiler. Sie sei gekommen, um sich ein reales Bild von den surrealen, "gespenstischen Bildern" an Ort und Stelle zu verschaffen, sagte Merkel.
Die deutsche Sprache kenne kaum Worte "für die Verwüstung, die hier angerichtet ist." Begleitet wurde die Kanzlerin unter anderem von der Mainzer Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).
Hunderte Millionen an Soforthilfen
Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz stellte unterdessen Soforthilfen in dreistelliger Millionenhöhe in Aussicht. Am Mittwoch im Kabinett wolle er zwei Dinge auf den Tisch legen. "Erstens eine Soforthilfe, bei der letzten Flut waren dafür deutlich mehr als 300 Millionen Euro nötig. Da wird jetzt sicher wieder so viel gebraucht", erläuterte Scholz. "Zweitens müssen wir die Grundlage für ein Aufbauprogramm schaffen, damit die zerstörten Häuser, Straßen und Brücken zügig repariert werden. Wie wir von der vorherigen Katastrophe wissen, geht es um Milliarden Euro."
Nachdem sich das verheerende Wasser aus vielen Flutgebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz allmählich zurückgezogen hat, wird in den Trümmern weiterhin nach Todesopfern und Verletzten gesucht.
Suche nach Toten geht weiter
Der Schwerpunkt der Katastrophe in Rheinland-Pfalz liegt im Kreis Ahrweiler. Allein dort kamen nach Angaben der Polizei Koblenz über 110 Menschen ums Leben. 670 Menschen wurden verletzt. Es wird befürchtet, dass noch weitere Todesopfer und Verletzte hinzukommen. "Wenn Sie die Bilder sehen, wie es da aussieht, kann man nicht ausschließen, dass noch weitere Leichen gefunden werden", hatte ein Sprecher gesagt. Weiterhin wurden Menschen vermisst.
In Nordrhein-Westfalen lag die Zahl der bestätigten Todesopfer am Sonntagabend bei 46, darunter waren vier Feuerwehrleute. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), der am Samstag mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Katastrophengebiet in Erftstadt besucht hatte, versprach Direkthilfe für die betroffenen Menschen und sagte zu, dass "sehr unbürokratisch Geld ausgezahlt" werde. Steinmeier hatte zu Solidarität und Spenden für die Opfer aufgerufen. "Die Unterstützungsbereitschaft, sie muss anhalten, im Großen wie im Kleinen", sagte er. Für Montag hat sich Deutschlands Innenminister Horst Seehofer in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz angekündigt.
Flutkatastrophe: Lokalaugenschein in betroffenen Gebieten
Am Samstag kam es auch im krisengebeutelten Deutschland nach den Überflutungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zu neuen Unwettern, die am späten Abend Bayern trafen. Im Landkreis Berchtesgadener Land in Oberbayern wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Auch in der Sächsischen Schweiz gingen gewaltige Regenmassen nieder.
Donau geht in Passau zurück
Die Lage in den Hochwassergebieten Deutschlands hat sich am Montag etwas entspannt. In Passau (Bayern) lag der Pegelstand der Donau am Montag früh bei 8,18 Metern und damit unterhalb der höchsten Hochwasserwarnstufe von 8,50 Metern. Von katastrophalen Zuständen sei man zum Glück noch entfernt, sagte ein Polizeisprecher. Anlass zur Hoffnung geben die Wetteraussichten.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) sagte zum Wochenstart für die Nordhälfte "nur selten ein paar Tropfen" voraus. Auch in der Südhälfte sei es oft freundlich. Nur südlich der Donau sind laut Prognose nachmittags einzelne Gewitter möglich, örtlich allerdings auch mit Starkregen.
Schlauchbootfahrer an österreichischer Grenze gerettet
Während des Hochwassers wurden in einer dramatischen Rettungsaktion zwei Schlauchbootfahrer aus der Donau bei Passau gerettet. Die Männer seien am Sonntagabend mit ihren Booten abgetrieben und gekentert, sagte ein Sprecher der Wasserpolizei am Montag früh. Nach Auskunft der Feuerwehr konnten sich die Männer an Treibholz festklammern. Es hatte sich am Ufer der unbewohnten Donau-Insel Soldatenau verfangen, die schon zu Österreich gehört.
Menschen hatten die Hilferufe der Schiffbrüchigen gehört und die Rettungskräfte alarmiert. Die Feuerwehr sei wegen des Hochwassers gerade in der Nähe gewesen und habe die beiden mit einem Boot rechtzeitig retten können. Nach Informationen der Rettungskräfte gehörten die Männer zu einer Gruppe von vier Leuten, die wohl in Plattling gestartet waren, jeder mit einem eigenen Schlauchboot. Wegen des Hochwassers eine dumme Idee, wie ein Polizeisprecher kommentierte. "Das ist lebensgefährlich."
Sachsen: Orte abgeschnitten
Immense Regenfälle verursachten am Samstag auch in Teilen Sachsens heftige Überschwemmungen. In der Sächsischen Schweiz waren mehrere Ortslagen von Städten und Gemeinden nicht mehr erreichbar. Besonders betroffen waren Neustadt, Sebnitz, Bad Schandau, Reinhardtsdorf-Schöna und Gohrisch, informierte das Landratsamt am Samstagabend. Die Bahnstrecke zwischen Bad Schandau und dem tschechischen Dečin wurde gesperrt. "Die Situation ist angespannt, aber beherrschbar", erklärte das Lagezentrum des Innenministeriums in Dresden auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
500 Einsätze in Oberbayern
Nach sintflutartigem Regen war die Feuerwehr im Landkreis Berchtesgadener Land in Oberbayern seit Samstagabend mit rund 500 Einsatzkräften im Dauereinsatz. Der Landkreis hat aufgrund des Unwetters den Katastrophenfall ausgerufen.
Zwei Menschen starben in dem Hochwassergebiet. Es sei bei einem Todesfall aber noch unklar, ob dieser in Zusammenhang mit dem Hochwasser stehe, sagte die Sprecherin des Landratsamt Berchtesgadener Land, Alexandra Rothenbuchner.
Hangrutsche und Evakuierungen
Die Lage sei dramatisch, sagte ein Sprecher der Integrierten Leitstelle Traunstein. Das Wasser schieße aus den Bergen, gleichzeitig stiegen die Pegelstände des Flusses Ache an. Betroffen waren vor allem die Orte Berchtesgaden, Bischofswiesen, Schönau am Königssee, Marktschellenberg und Ramsau im äußersten Südosten Bayerns. Dort trat das Wasser stellenweise über die Ufer und überflutete Straßen. Hänge rutschten ab. Einzelne Häuser mussten deshalb geräumt werden, sagte Rothenbuchner. "Es kommen ständig Notrufe rein", sagte ein Polizeisprecher in Rosenheim.
Medien berichteten von Rekord-Pegelständen an der Ache - bis 22.00 Uhr lagen sie schon bei etwa 3,75 Metern. Bilder zeigen Straßen, die sich in reißende Bäche verwandeln. Menschen waten knietief im Wasser. Alle paar Hundert Meter sei die Feuerwehr im Einsatz, berichtet ein Augenzeuge. Traktoren räumten Schutt beiseite. Zum Teil stehe das Wasser bis zu 50 Zentimeter hoch.
Opfer der Flutkatastrophe: "Wir haben einen Schaden von einer Million"
Ebenso ist in Chamerau in der Oberpfalz der Roßbach wegen Starkregens über die Ufer getreten. Ein Gebäude sei mit Sandsäcken vor den Wassermassen geschützt worden, sagte ein Sprecher der Polizei. Im gesamten Landkreis gab es fünf weitere Einsätze der Feuerwehr aufgrund von vollgelaufenen Kellern oder überschwemmten Straßen.
In Passau steigen die Wasserstände der Flüsse stündlich weiter an. Die Polizei schleppte vorsorglich Autos an Parkplätzen an der Donau ab, wie eine Sprecherin am Sonntag sagte. Anrainer hätten trotz Hochwasserwarnungen versäumt, ihre Fahrzeuge umzuparken. "Wenn wir sie nicht abschleppten, dann schwimmen die Dinger bis Österreich", sagte die Polizeisprecherin. Der Pegel der Donau war nach Angaben des Hochwassernachrichtendienstes im Laufe des Samstags um fast zwei Meter auf 7,80 Meter gestiegen. Der Wasserstand des Inn stieg in den vergangenen zwölf Stunden von 3,30 auf 5,40 Meter.
Zusammenfassung
- Unwetter hatten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine Schneise der Verwüstung hinterlassen - mehr als 150 Menschen starben durch die Fluten.
- Am Samstag kam es auch im krisengebeutelten Deutschland zu neuen Unwettern, die am späten Abend Bayern trafen. Im Landkreis Berchtesgadener Land in Oberbayern wurde der Katastrophenfall ausgerufen.
- Immense Regenfälle verursachten am Samstag auch in Teilen Sachsens heftige Überschwemmungen. In der Sächsischen Schweiz waren mehrere Ortslagen von Städten und Gemeinden nicht mehr erreichbar.
- Nachdem sich das verheerende Wasser aus vielen Flutgebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz allmählich zurückgezogen hat, wird in den Trümmern weiterhin nach Todesopfern und Verletzten gesucht.
- Der Schwerpunkt der Katastrophe in Rheinland-Pfalz liegt im Kreis Ahrweiler. Allein dort kamen nach neuesten Angaben der Polizei Koblenz über 110 Menschen ums Leben. 670 Menschen wurden verletzt. Weitere Todesopfer und Verletzte werden befürchtet.
- Am Sonntag besuchte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die am schwersten getroffenen Gebiete. Für Montag hat sich Deutschlands Innenminister Horst Seehofer in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz angekündigt.