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"Last of the Wild"-Weltpremiere: Tiger-Balsam für die Seele

31. März 2025 · Lesedauer 3 min

Das Wilde in uns selbst, das Wilde im Außen - die Wiener Dokumentaressayistin Bernadette Weigel begibt sich in ihrem philosophischen Projekt "Last of the Wild" auf die Spuren dessen, was die Zivilisation hinter sich gelassen glaubt. Anhand dreier Porträts macht sie sich auf eine ebenso komplexe wie gewundene Gedankenreise zum Wilden. Am Sonntagabend feierte der Film seine Weltpremiere auf der laufenden Diagonale in Graz, bevor am 5. Juni der reguläre Kinostart ansteht.

Im Grunde handelt es sich bei "Last of the Wild" um drei voneinander unabhängige Porträts, die Weigel und ihre Kamerafrau Siri Klug nach Leipzig, Ostsibirien und schließlich nach Mexiko führen. Das verbindende Element des Geschichtentrios ist die Raubkatze respektive konkreter der Tiger als Symbol der Wildheit und zugleich Symboltier für deren Verschwinden.

Den Auftakt macht die deutsche Tigertrainerin Carmen Zander, die viele scheinbare Widersprüche in sich vereint und das Wilde in gewissem Sinne domestiziert hat. Zander trägt Stöckelschuhe und lange, frisch manikürte Fingernägel, fährt aber zugleich mit dem Lkw in die Stadt, zerteilt riesige Fleischstücke mit Hand und Hammer und hat als "Tigermama" ihre "Mäuse" ganz gut im Griff. Sie würde eine Welt nur mit Tieren bevorzugen, deren Sprache sie besser spreche als die der Menschen, meint sie an einer Stelle.

Der Wildhüter mit Tigererfahrung

Ebenfalls eher unter Tieren als Menschen unterwegs ist in den einsamen Wäldern am Amur-Fluss Wildhüter Pavel Fomenko, der 2000 vom "Time Magazine" zum "Helden des Planeten" gekürt wurde und eine tiefe Narbe von einem "Tigerkuss" im Gesicht trägt. Mit ihm streift Weigel durchs Unterholz, stets die potenzielle Bedrohung im Nacken und doch keinem Tiger begegnend. Nicht von ungefähr trägt bereits der Titel "Last of the Wild" den Verlust in sich, sind die Tiger, die Fomenko beschützt, doch die dezimierten Letzten ihrer Art.

Die Jaguarkriegerin

Und schließlich steuert die mexikanische Körperkünstlerin María José Cristerna ihren Aspekt bei, verwandelt sie sich doch mittels plastischer Eingriffe in die "Jaguarkriegerin", eliminiert das Menschliche aus ihrer Erscheinung - eine Selbstermächtigung aus einer Gewaltbeziehung kommend und zugleich die ostentative Hinwendung zur Wildheit.

Zwischen den einzelnen Porträts spricht Weigel aus dem Off und zum trostlosen Blick aus einer Altbauwohnung philosophische Überlegungen zur Aufgabe des Ungezähmten zugunsten der Bequemlichkeit. Oder sie postuliert angesichts häuslicher Gewalt die Erkenntnis: "Weil wir das Wilde nicht verstehen, ist das Bestialische in die Häuser eingezogen."

Ein bisschen Lost in the Wild

So umkreist "Last of the Wild" am Ende in verschiedenen Schleifen das Wilde, oft in Zeitlupe, sich und dem Gegenüber stets Zeit lassend. Dennoch wäre die Konzentration auf eine der Figuren möglicherweise erfüllender gewesen. So wirkt "Last of the Wild" immer wieder auch ein wenig wie Lost in the Wild, verloren im Dschungel verschiedener Gedanken und Konzepte.

(S E R V I C E - "Last of the Wild" von Bernadette Weigel am 1. April um 14 Uhr im Schubertkino 2. www.diagonale.at)

Zusammenfassung
  • Der Dokumentarfilm 'Last of the Wild' von Bernadette Weigel hatte seine Weltpremiere auf der Diagonale in Graz und erforscht die Themen Wildheit und Zivilisation durch drei Porträts.
  • Carmen Zander, Pavel Fomenko und María José Cristerna verkörpern unterschiedliche Aspekte des Wilden, wobei der Tiger als Symboltier für Wildheit und deren Verschwinden fungiert.
  • Der Film regt zum Nachdenken über die Aufgabe des Ungezähmten zugunsten der Bequemlichkeit an und wird ab dem 5. Juni regulär im Kino zu sehen sein.