Deutsche Koalition einigt sich im Budgetstreit
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich betonte, dass eine "Menge Kunstgriffe" notwendig gewesen seien, um einen Überschreitungsbeschluss laut Schuldenbremse zu vermeiden. Scholz, Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck sowie Finanzminister Christian Lindner hatten bis zum frühen Morgen an dem Paket gefeilt. Sie wollen die Beschlüsse noch am Vormittag öffentlich vorstellen, nachdem zunächst die Fraktionen informiert wurden. Der Kanzler betonte in der SPD-Fraktionssitzung nach Teilnehmerangaben, dass er darauf gedrungen habe, die Beratungen in dieser Sitzungswoche des Parlaments abzuschließen.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr zeigte sich zufrieden, dass die Schuldenbremse nicht angetastet wird. Innerhalb der Ampel-Koalition hatten sich Vertreter der SPD und der Grünen immer wieder dafür eingesetzt, wegen einer Notlage erneut von der im Grundgesetz verankerten Schuldenregel abzuweichen, um mehr Geld für Investitionen zu haben. Neben Einsparungen in den Ressorts sollen die Finanzlücken im Etatansatz 2025 nun auch dadurch geschlossen worden sein, dass optimistischere Annahmen für Wachstum und Zinsentwicklung verwendet wurden, hieß es in Regierungskreisen. Zudem wurden globale Minderausgaben für die Ressortetats 2025 verhängt, also pauschale Kürzungen. SPD-Fraktionschef Mützenich kritisierte die FDP dafür, dass sie aus der Schuldenbremse ein Dogma gemacht habe. "Wir wollten nicht die Schuldenbremse aussetzen, sondern wir wollten genau ein Instrument, was die Schuldenbremse bereithält für Zeiten, die nicht normal sind. Und die Zeiten sind nicht normal." Die SPD-Fraktion nehme sich vor, in den parlamentarischen Beratungen notfalls auf die Erklärung einer Notlage zurückzukommen.
In dem gleichzeitig beschlossenen Maßnahmenpaket zur Ankurbelung der Wirtschaft, das Scholz "Wachstumsturbo" genannt hat, ist unter anderem eine beschleunigte Abschreibung von Investitionen und eine bessere Forschungszulage vorgesehen. Für gewerblich genutzte E-Autos soll es eine Sonderabschreibung geben. Zudem will die Regierung einen Anreiz für längere Arbeit geben, indem Beschäftigen, die bereits Rente beziehen, Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung in Zukunft direkt als Lohn ausgezahlt werden sollen. Auch weitere Schritt zum Bürokratieabbau sind geplant. "Das Paket kann im nächsten Jahr zu einem zusätzlichen Wachstum von mehr als einem halben Prozent führen, das sind 26 Milliarden Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung", hieß es in einem Papier.
Beschlossen wurde zudem ein Nachtragshaushalt 2024, um zusätzliche Bedarfe im Klima- und Transformationsfonds (KTF) abzudecken. Dort sind wichtige Fördermittel für die Dekarbonisierung von Unternehmen und Privathaushalten gebündelt.
Vor allem die SPD hatte auf eine Einigung vor der parlamentarischen Sommerpause gepocht. Unterschiedliche Flügel der Fraktion äußerten sich am Freitag positiv zu den Beschlüssen. "Die Einigung zeigt, dass diese Koalition handlungsfähig ist und sich der Verantwortung für das Land stellt", sagte der Sprecher des Seeheimer Kreises, Dirk Wiese. "Zentral bleibt, dass keine Gruppen gegeneinander ausgespielt werden und in die Zukunft investiert werden kann", betonte auch der Sprecher der Parlamentarischen Linken, Matthias Miersch, gegenüber Reuters. Andere Ampel-Parlamentarier sprachen davon, dass die Einigung angesichts der unterschiedlichen Grundpositionen von SPD, Grünen und FDP "ein Wert an sich sei". Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter hatte auf die Verantwortung der Regierung verwiesen. "Angesichts der Weltlage wäre es unverantwortlich, die Koalition platzen zu lassen", sagte der Vorsitzende des Europaausschusses des Bundestages.
Von den Oppositionsparteien CDU und CSU kam deutliche Kritik. "Die Ampel trickst sich in das nächste Haushalts-Chaos", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. "Scholz, Habeck und Lindner versuchen, mit ungedeckten Schecks in die Verlängerung zu stolpern." Auch vom Unions-Haushälter Christian Haase kam Kritik: "Es scheinen eher halbherzige bis gar keine Lösungen das Ergebnis zu sein - etwa bei der Migration, der Bundeswehr oder dem Bürgergeld", sagte der CDU-Politiker.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sieht den Durchbruch beim Haushalt 2025 als nicht ausreichend für eine grundlegende Wende in Deutschland. "Die Koalition scheint offensichtlich den Matchball des Niedergangs abgewendet zu haben gestern Nacht", sagte der bayerische Ministerpräsident in Berlin. Die Ampel habe sich "noch mal zusammen gerappelt, hat noch mal letzte Kräfte mobilisiert, um eine Einigung zu finden".
Zusammenfassung
- Die Schuldenbremse soll im Wahljahr 2025 eingehalten werden, was innerhalb der Koalition umstritten war. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich betonte, dass viele Kunstgriffe notwendig waren, um dies zu erreichen.