Kunsthalle Krems zeigt Margot Pilz, die "Selbstauslöserin"
Die dreiteilige Fotoserie ist keineswegs die einzige extra in und für Krems entstandene neue Arbeit. Auch die Neonskulptur "Göttin schuf Eva" hat Pilz eigens für die Ausstellung konzipiert - eine feministische Neudeutung des berühmten Freskos der Sixtinischen Kapelle. "Eine Frechheit" nennt die Künstlerin in einem der vielen die Präsentationen auf angelehnten Hochkant-Schrifttafeln begleitenden Zitaten den biblischen Schöpfungs-Mythos, der die Frau als unter Schmerzen Gebärende ignoriert.
"Als Künstlerin, die mit Fotografie arbeitet, habe ich oft den Selbstauslöser verwendet, weil ich mich selbst fotografiert habe. Ich habe nicht gewartet, bis mich jemand fragt, ich habe oft selbst die Initiative ergriffen", kommentiert Pilz den Ausstellungstitel. Die Selbstauslöserin ist immer auch eine Selbstermächtigerin und hat nicht nur über die Begegnung mit männlicher Polizeigewalt 1978 zu ihrer Haltung als feministische Künstlerin gefunden, sondern auch im Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit und männliche Dominanz nie nachgelassen. "Ich finde, eigentlich sind meine Kunst und mein Leben untrennbar", sagt Pilz.
"Sie zählt auch international zu den Galionsfiguren der feministischen Avantgarde", sagte Kunsthallen-Leiter Florian Steininger bei der heutigen Presseführung und hob hervor, dass Kunst im öffentlichen Raum und Partizipation schon sehr früh Schwerpunkte ihrer Arbeit waren. Das stellt auch die Installation in der zentralen Erdgeschoß-Halle unter Beweis, eine Installation, die sich auf ihre legendäre Arbeit "Kaorle am Karlsplatz" bei den Wiener Festwochen 1982 bezieht, und an die mit einer Diashow erinnert wird.
Ließen damals elf Wagenladungen Sand rund um das Wasserbecken vor der Karlskirche den ersten der heute so populären Stadtstrände entstehen, so gibt es in der neuen Version zwar ebenfalls eine Palme und eine Tonne Sand, doch hat dieser Strand einen Saum aus Mikroabfällen und Plastikgranulat. Sie habe Derartiges auf Lanzarote mit eigenen Augen gesehen, schilderte Pilz: "Es ist soweit! Wir müssen extrem aufpassen! Das ist meine Warnung!" Die Installation selbst sei nachhaltig, versicherte Kurator Andreas Hoffer. Den Sand bekomme nach dem Ausstellungsabbau im April ein Kindergarten, die Palme werde jeden dritten Tag gegossen...
Etwas anderes macht Hoffer mehr Sorgen: Durch die lange Laufzeit wird das teilweise mehrere Jahrzehnte alte elektronische Equipment in den vielen Medien-Installationen von Pilz extrem beansprucht: "Hoffentlich halten sie das durch." Auf dem "U-Turn", der in der Großvariante in der U3-Station Ottakring steht, musste gestern bereits ein Monitor ausgetauscht werden. Die Integration von Video-Bildschirmen in Skulpturen ist an mehreren Arbeiten - etwa in der Reihe "The Spirit of St. Lucifer" - zu sehen und war ursprünglich dem Umstand geschuldet, dass reine Videoarbeiten zwar in der Herstellung sehr teuer, als Kunstwerke zunächst jedoch kaum verkäuflich waren, erzählte Pilz freimütig.
1986 kaufte Margot Pilz ihren ersten Amiga-Computer und ärgerte sich über permanente Abstürze. Doch als Künstlerin ist sie jedenfalls ein "Early Adopter" geblieben, für alles offen und stets experimentierfreudig. Das beweist die umfangreiche Ausstellung, die sich in weiten Teilen aus den Beständen des Wien Museums speist, auf Schritt und Tritt. Fotografie blieb dabei immer ein Thema - von den konzeptuelle Fotoarbeiten rund um ihre 1,65 Meter mal 1,65 Meter große "Weiße Zelle" (1983-85) bis zur schonungslosen Auseinandersetzung mit dem eigenen Altern. Zwei großformatige Fotografien stehen dabei für zwei Pole: "Anti Aging (Work Out)" zeigt die lachende Künstlerin beim Hanteltraining, ein anderes Selbstporträt zeigt sie deutlich skeptischer die eigene "Old Age Deformation" betrachtend: "Similar Weight - Different Volume".
Nach der Beschäftigung mit Fotografie und Video, Skulptur und Installation (sehr schön ist ein Raum mit vier sich langsam drehenden Spiegeln) schlitterte Margot Pilz um die Jahrtausendwende in ein Burn-Out - und erfand sich als Keramik-Künstlerin neu. Durch die haptische Arbeit mit Ton habe sie "eine kreative Wiedergeburt" erlebt, sagt sie. Nicht die erste - wie eine filmische Auseinandersetzung mit ihrer Kinder-Zeit in einem japanischen Lager auf Java, wo ihre Mutter als niederländische Staatsbürgerin interniert war, beweist. "Ich bin aber kein Kriegsopfer", sagt sie nüchtern.
Werke von Margot Pilz sind derzeit auch in Linzer Lentos, in der Galerie3 in Klagenfurt, im Belvedere 21 in Wien und ab 6. November auch im Flux23 in Wien zu sehen. Die - von einem Katalog begleitete - Ausstellung in Krems läuft bis 3. April 2022.
(S E R V I C E - "Margot Pilz. Selbstauslöserin", Ausstellung in der Kunsthalle Krems, 23. Oktober 2021 bis 3. April 2022, Katalog: Verlag art edition - Verlag Bibliothek der Provinz, 128 Seiten, 25 Euro, ISBN 978-3-99126-063-9, http://www.margotpilz.at/, Nina Schedlmayer: "Margot Pilz. Leben. Kunst.", Leykam Verlag, 224 Seiten, 24,90 Euro, ISBN 978-3-7011-8175-9)
Zusammenfassung
- Deswegen ist man versucht, die heute Abend in der Kunsthalle Krems eröffnende Ausstellung von Margot Pilz keine Retrospektive, sondern eine "Mid Career Show" zu nennen.
- Das jüngste Werk der "Selbstauslöserin"-Schau ist bloß zwei Tage alt.
- Die dreiteilige Fotoserie ist keineswegs die einzige extra in und für Krems entstandene neue Arbeit.
- "Ich finde, eigentlich sind meine Kunst und mein Leben untrennbar", sagt Pilz.