Kritisch, kreativ, komisch: Kunst Haus zeigt Mika Rottenberg
Schon im ersten Raum wird man mit einem absurden, dreiminütigen Video ("Sneeze") konfrontiert, in dem Männer mit grotesken Nasen an einem Tisch sitzen und Steaks, Kaninchen oder Glühbirnen niesen. Daneben wippt ein aus einem Loch in der Wand ragender Pferdeschwanz unablässig auf und ab ("Ponytail (honey blonde)"). "Sie nennt es Sozialer Surrealismus", sagte Barbara Horvath, gemeinsam mit Sophie Haslinger Kuratorin dieser Kooperation mit dem Museum Tinguely in Basel und dem Lehmbruck Museum in Duisburg, bei der Presseführung am Dienstag. Im Rahmen der Eröffnung am Abend wird Horvath mit der am Vormittag als verkühlt entschuldigten Künstlerin ein Gespräch führen. Wobei: Der konsumkritische Ansatz ist ebenso wie die humorvolle Umsetzung auf den ersten Blick ersichtlich. Horvath: "Wir lachen über die Absurdität unseres eigenen Lebens."
Absurd sind etwa die zahlreichen, aus Objekten und Pflanzen gebastelten kinetischen Skulpturen, die sich per Kurbeln und Pedalen bewegen lassen und sowohl an Jean Tinguely (1925-1991) als auch an die Rebecca Horn (1944-2024) erinnern - nur ohne die Elektromotoren des Schweizers und die magische Poesie der Deutschen. Diese "Nonsensemaschinen aus synthetischen und organischen Materialien" seien in ihrer Vorführung der Sinnlosigkeit der eingesetzten Energie "befremdlich und humorvoll zugleich", meinte Haslinger.
Für Kunst Haus-Direktorin Gerlinde Riedl ist Rottenberg, die schon 2018 im Kunsthaus Bregenz ausgestellt hat, "eine der innovativsten und spannendsten Künstlerinnen der Gegenwart". Sie hinterfrage in ihrer Kunst "mit viel Humor, aber auch mit großer Ernsthaftigkeit" die "Unlogik und Absurdität unseres Wirtschaftssystems". Das kommt auch in großen Videoinstallationen wie "NoNoseKnows", "Cosmic Generator" oder "Spaghetti Blockchain" (für das Rottenberg als Artist in Residence auch in der "Antimatter Factory" des Genfer CERN drehte) zum Ausdruck, bei denen kapitalistische Produktionsbedingungen, entfremdete Arbeit und Ausbeutung weiblicher Arbeitskraft in irritierend bunten absurden Bilderzählungen thematisiert werden.
Durch die Lippen blicken
Krasser Gegensatz dazu ist ein winziges, von Lippen umschlossenes Wandloch, dem man sich wie zum Kuss nähern muss, um peepshowartig einen Blick in den vermeintlichen Rachen zu werfen ("Lips (Study #3)"), aus dem einem in kurzen Abständen Atemwolken entgegengeblasen werden. Nur so viel: Bei der Annäherung die eigene Zurückhaltung zu überwinden, lohnt sich!
Am Kurs des Hauses, das sich künstlerisch mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen auseinandersetze, habe sich nichts geändert, betonte Riedl, im Gegenteil: Angesichts des immer stärkeren politischen Gegenwindes nehme die Dringlichkeit des Anliegens nur noch zu. "Wir sind nicht nur ein Ort der Kunst, sondern auch einer der Aufklärung und der Information. Wir glauben an die Macht des Humors als wirkungsvolles Schmiermittel bei der Bewältigung von Krisen."
"Plastic Matters" im Projektraum Garage
Nicht der Humor, sondern das Material ist das verbindende Element zur heute im Projektraum Garage eröffnenden zweiten Ausstellung "Plastic Matters". "Für Rottenberg verkörpert Kunststoff wie kein anderes Material den Kapitalismus", erläuterte Haslinger die jüngste Werkgruppe der Künstlerin, mit der die Ausstellung schließt: In "Lampshares" bastelt die Künstlerin aus den Stämmen invasiver Kletterpflanzen, die ihr Atelier umwuchern, wiederverwertetem Plastik und Batterien witzige Skulpturen aus farbigen Lampenschirmen, die an Myzelgeflechte erinnern, aus denen leuchtende Pilze ragen. Am Ende wartet eine Do-it-yourself-Station darauf, dass Besucherinnen und Besucher ihre eigenen Skulpturen aus recyceltem Plastik bauen.
Auch in der Ausstellung "Plastic Matters" im Projektraum Garage kann man selbst Hand anlegen und versuchen, aus Plastikmüll etwas Neues zu schaffen. "Die Ausstellung selbst ist wie ein Recycling-Prozess aufgebaut", erläuterte Veronika Hackl, gemeinsam mit Stephan Kuss Kuratorin der in Kooperation mit Fantoplast und Precious Plastic Vienna realisierten Mini-Schau, die auch mit einem Hand-Schredder-Gerät und einer Spritzgussmaschine aufwarten kann. Es gehe darum, Plastik nicht mehr als Abfall, sondern als wertvollen Werkstoff zu sehen. Seine Wiederverwertung soll einen Kreislauf schaffen, bei dem man die Belastung der Umwelt mit Plastikmüll so lange wie möglich vermeidet. In diesem Sinn sei auch das etwas irritierende Motto zu verstehen: "Lang lebe das Plastik."
(S E R V I C E - "Mika Rottenberg. Antimatter Factory" im Kunst Haus Wien, Wien 3, Untere Weißgerberstraße 13, 27.2. bis 10.8., tgl. 10-18 Uhr, Eröffnung heute ab 17 Uhr, Artist Talk: Mika Rottenberg im Gespräch mit Kuratorin Barbara Horvath, 18 Uhr; Filmscreening: "Remote" von Mika Rottenberg & Mahyad Tousi am 7.3., 18 Uhr, im Urania Kino; "Plastic Matters" im Projektraum Garage, 27.2. bis 25.5. www.kunsthauswien.com)
Zusammenfassung
- Die Ausstellung 'Mika Rottenberg. Antimatter Factory' im Kunst Haus Wien zeigt vom 27. Februar bis 10. August 2025 die Werke der Künstlerin, die für ihren Sozialen Surrealismus bekannt ist.
- Mika Rottenbergs Arbeiten, darunter absurd-humorvolle Videos und kinetische Skulpturen, thematisieren die Absurdität des Wirtschaftssystems.
- Im Projektraum Garage läuft parallel die Ausstellung 'Plastic Matters', die den Fokus auf die Wiederverwertung von Plastik legt.
- Besucher können in der Ausstellung 'Plastic Matters' eigene Skulpturen aus recyceltem Plastik kreieren.
- Die Eröffnung der Ausstellung findet am 27. Februar ab 17 Uhr statt, gefolgt von einem Artist Talk mit Mika Rottenberg und Barbara Horvath um 18 Uhr.