Jubel für halb-szenischen Don Giovanni in Salzburg
Mit über dreieinhalb Stunden reiner Spielzeit verträgt das oft als "Oper aller Opern" bezeichnete Werk Mozarts durchaus ein bisschen Bewegung, die Villazon seinen Sängern und auch Dirigent Andras Schiff ans Herz gelegt hat. Dazu setzte er die Capella Andrea Barca mitten auf die Bühne zwischen zwei Hausfassaden, zwischen denen dann die Protagonisten mit Unterstützung einiger Requisiten hin und her wandelten. Soweit keine schlechte Idee, doch spätestens beim Anblick der Kostüme taten sich erste Fragen auf. Während zum Beispiel Johannes Kammler brav im schwarzen Anzug mit Hut und Umhang auftrat, hatte man für Maurizio Muraro anscheinend ganz weit hinten in den Kostümarchiven gegraben und den Bass als einzigen in Gehrock und Dreispitz gesteckt. Vielleicht handelte es sich hierbei aber auch um eine Reminiszenz an Joseph Loseys Kostümschinken-Verfilmung des Stoffs von 1979. Muraro ergab sich jedenfalls seinem Schicksal und sang einen Leporello der alten Schule, was ihn zeitweise zumindest stimmliche Oberhand über seinen Herren gewinnen lies.
In all den Trubel auf der Bühne war auch Andras Schiff eingebunden, der auch darstellerisch nicht vor dem ein oder anderen Einsatz sicher war und zum Beispiel Leporello seine Finger zum Zählen in der Registerarie leihen musste. Bei all dem Wirbel kam ihm dabei allerdings gelegentlich die Aufmerksamkeit auf seine Sänger abhanden, wodurch Magdalena Kozena als Donna Elvira ihre Soloarie im zweiten Akt im Alleingang bestreiten musste. Immerhin gab dies der Sopranistin die Gelegenheit zu zeigen, dass sie immer noch eine sehr gute Mozartsängerin ist. Eine weitere starke Frau gab Julia Lezhneva, die tatsächlich nur optisch die junge, zerbrechliche Zerlina im bodenlangen Glitzerkleid war. Ihr klarer Sopran mit erstaunlichem Fundament hätte sie ebenso gut die Donna Anna sein lassen können, welche Sylvia Schwartz zu Weilen an die Grenzen des Möglichen kommen lies. Ganz anders dagegen ihr Verlobter Don Ottavio, als der sich Julian Pregardian mit viel Farbe und technischer Finesse an die Spitze des Ensembles setzte. Ebenfalls gut besetzt war auch Julien van Mellaerts als Masetto.
Neben dem Mischmasch aus Kleidern, Kostümen und Stimmen, verhalfen auch immer wieder einige Regieeinfälle zu unbewusster Komik. Dem Commendatore, der einzigen Instanz, die den üblen Frauenhelden letztlich zu Fall bringen kann, kostete dies die Autorität. Erst musste Robert Holl im Duell mit Don Giovanni mit einem Messer bewaffnet wie ein Stier auf den Mantel von Don Giovanni losgehen, nach dem tödlichen Stich zuerst hilflos zusammensacken, um dann doch wieder kurz von den Toten aufzuerstehen, dem Chor hinterher zu schlurfen, in der Friedhofsszene hinter einer Büste stehen und diese nach links und rechts schieben. Auch stimmlich fehlte ihm die Durchschlagskraft, um der Rolle das eigentlich nötige Unheimliche und Mächtige zu geben.
Halbszenisch oder: nicht Fisch nicht Fleisch. Die Idee, dem "Don Giovanni" und seinen Längen etwas Dynamik zu geben, war zweifelsohne eine löbliche, die Umsetzung Villazons allerdings nicht immer nachvollziehbar. Erfreulich ist, dass der Leiter der Mozartwoche schon bei Verkündung seiner Vertragsverlängerung verlauten lies, dass in den kommenden Jahren wieder echte szenische Produktionen Teil des Festivals sein werden. Bis dahin zeigte sich das Publikum aber auch mit der halb-szenischen Darbietung mehr als zufrieden und spendete großen Applaus für alle Beteiligten.
(S E R V I C E - Wolfgang Amadeus Mozart: Don Giovanni. Dirigent und Continuo: Andras Schiff, Capella Andrea Barca, Bachchor Salzburg, Szenische Einrichtung: Rolando Villazon, Don Giovanni: Johannes Kammler, Il Commendatore: Robert Holl, Donna Anna: Sylvia Schwartz, Don Ottavio: Julian Pregardien, Donna Elvira: Magdalena Kozena, Leporello: Maurizio Muraro, Masetto: Julien van Mellaerts, Zerlina: Julia Lezhneva. Eine weitere Aufführung am 29.1. www. mozarteum.at)
Zusammenfassung
- Eine große szenische Produktion war bei der diesjährigen Mozartwoche nicht möglich, ganz auf Aktion wollte Mozartwochenchef Rolando Villazon aber nicht verzichten.
- Er richtete deshalb am Freitagabend eine halbszenische Aufführung des "Don Giovanni" in der Felsenreitschule aus.
- Die Idee, dem "Don Giovanni" und seinen Längen etwas Dynamik zu geben, war zweifelsohne eine löbliche, die Umsetzung Villazons allerdings nicht immer nachvollziehbar.