"Interview mit einem Vampir" als Serie neu aufgelegt
Wer erinnert sich nicht an die barocke Seifenoper mit Tom Cruise als mondänem Vampir, der dem weltmüden Schönling Brad Pitt einen Porzellanteint verpasste, und ihrer zur ewigen Kindheit verdammten "Tochter" Kirsten Dunst. "Interview mit einem Vampir" war Neil Jordans glorreiche 1994er-Verfilmung des gleichnamigen, 1976 erschienen Romans (dt. Titel auch "Gespräch mit einem Vampir") von Anne Rice und der erste in einem dreizehnteiligen Zyklus von homoerotischen Vampirromanen der 2021 verstorbenen amerikanischen Autorin.
Sowohl der Roman als auch die Verfilmung hatten einen queeren Unterbauch, aber aus Brad Pitt und Tom Cruise explizit ein homosexuelles Paar zu machen, das war für Hollywood noch zu gewagt in den 1990ern. In einer neuen, sehr sinnlichen und üppig inszenierten siebenteiligen Serie sind die beiden Vampire jetzt offen schwul. Neben heißem, manchmal auch blutverschmiertem Sex haben Louis und Lestat auch intime Momente, vom vereinigten Herzschlag bis hin zum gemeinsamen Bettsarg.
Die klassische Erzählung folgt dem Journalisten Daniel Molloy (im Film gespielt von Christian Slater), dem der jahrhundertealte Vampir Louis de Pointe du Lac davon erzählt, wie er vom Vampir Lestat de Lioncourt verführt wurde. Die Serie hält sich größtenteils an die groben Züge dieser Originalgeschichte und der Verfilmung, aber sie hat einige sehr interessante Änderungen vorgenommen, anstatt sich für ein einfaches Remake zu entscheiden.
Es beginnt damit, dass der in die Jahre gekommene Reporter (Eric Bogosian) das Interview nie veröffentlicht hat und in der heutigen Zeit eine zweite Chance bekommt, die Geschichte von Louis zu hören. Im Grunde ist es jetzt vor allem eine schwule Liebesgeschichte: Louis, der im Kinofilm von Brad Pitt gespielt wurde und jetzt von Jacob Anderson ("Game of Thrones") verkörpert wird, ist ein nicht geouteter, schwarzer Bordellbetreiber im segregierten New Orleans der 1910er-Jahre. Als der weiße, reiche, französische Vampir Lestat auftaucht, der jetzt nicht mehr von Tom Cruise, sondern herrlich protzig von dem australischen Schauspieler Sam Reid verkörpert wird, eröffnen sich für den sensiblen Louis neue Möglichkeiten. Lestat überzeugt ihn davon, dass der Vampirismus ihm mehr Macht und die Freiheit geben wird, er selbst zu sein.
Und so eröffnen sich auch für die Serie ganz neue Möglichkeiten des Geschichtenerzählens darüber, wie Macht, Hautfarbe und Sexualität miteinander verflochten sind. Der Showrunner Rolin Jones ("Perry Mason") hat seinen Spaß mit der Idee von schwulen Vampiren, die Amok laufen. Gleichzeitig unternimmt er ernsthafte Erkundungen von Sexual- und Geschlechterpolitik. Louis ist ein schwuler Schwarzer in der Jim-Crow-Ära und obendrein ein Vampir in einer toxischen Beziehung zu einem manipulativen, älteren Weißen, der ihn "geschaffen" hat. Kein leichtes Schicksal. Als die junge Claudia (gespielt von der schwarzen Schauspielerin Bailey Bass) Teil der Familie wird, wird das Ganze noch komplizierter.
Hierzulande wird die Serie auf Sky ausgestrahlt, aber in den USA läuft sie auf dem US-Sender AMC. "Interview with the Vampire" ist nur der erste Teil eines neuen Franchises ("The Immortal Universe" genannt), das der Sender geschaffen hat, nachdem er die Rechte an vielen der berühmtesten Werke von Anne Rice erworben hat. Sie konnte die Adaption leider nicht mehr miterleben. Aber nichts stirbt jemals wirklich. Das trifft im Fernsehen genauso zu wie in der Vampirliteratur.
(S E R V I C E - https://www.sky.at/serien/interview-with-the-vampire)
Zusammenfassung
- Neil Jordans Verfilmung von Anne Rices Literaturklassiker "Interview mit einem Vampir" mit Brad Pitt und Tom Cruise aus dem Jahr 1994 bekommt fast 30 Jahre später ein queeres wie politisches Update.
- Die neue US-Serie lässt die Vampire Lestat und Louis nicht nur endlich offen schwul sein, Louis ist jetzt ein Schwarzer im rassistischen Süden Amerikas.
- In den USA längst angelaufen, ist die Serie ab Freitag auch bei uns auf Sky zu sehen.