Fußball-WM: ORF und ServusTV üben "medialen Doppelpass"
ORF-Generaldirektor Roland Weißmann freute sich am Mittwoch bei einer Pressekonferenz über die "erfolgreiche, sportliche Zusammenarbeit" mit ServusTV. Es handle sich um "ein kleines Stück Mediengeschichte", kooperiere man doch erstmals mit dem Salzburger Privatsender für eine derartige Großveranstaltung. "Wir werden den Fans tolle Bilder liefern", versprach er. Zugleich sei es als öffentlich-rechtlicher Sender wichtig, auch einen genauen Blick auf die gesellschaftspolitischen Probleme in Katar zu werfen.
ServusTV-Intendant Ferdinand Wegscheider strich die Vorteile des "medialen Doppelpasses" hervor. Es handle sich um eine "Win-Win-Win-Situation". Denn nicht nur die beiden Medienhäuser profitieren von der Zusammenarbeit, sondern auch das Publikum, dass so alle Spiele im Free-TV sehen könne. In Nachbarländern sei das nicht mehr selbstverständlich, so Wegscheider mit Verweis auf Pay-TV-Schranken.
In der Gruppenphase stehen bis zu vier Begegnungen pro Tag an. Die Partien um 17 Uhr sowie manche Spiele um 14 Uhr sind bei ServusTV zu sehen. Die Fußball-Spiele um 11 Uhr und 20 Uhr zeigt der ORF. Wer welche Begegnungen am dritten Spieltag in der Gruppenphase zeigt, ist noch offen. Hier haben sich die beiden Medienunternehmen das First-Pick-Recht aufgeteilt und entscheiden je nach Attraktivität. In der K.o.-Phase strahlt der ORF sechs Achtelfinal- und zwei Viertelfinal-Partien sowie ein Halbfinale und das Finale aus. Auf ServusTV entfallen zwei Achtelfinal- und zwei Viertelfinal-Begegnungen sowie ein Halbfinale und das Spiel um Platz drei. Die Highlights sämtlicher Fußball-Spiele zeigen der ORF und ServusTV online oder auch im Rahmen von Zusammenfassungen im TV.
Da es aufgrund der ungewöhnlichen Jahreszeit für eine Fußball-WM zu Kollisionen mit dem Ski-Weltcup kommt, sind manche Speed-Bewerbe der Damen bzw. Herren in ORF 2, anstatt ORF 1 zu sehen. Ein Ausweichen auf ORF Sport + ist dem ORF nicht möglich, da derartige Premium-Inhalte dort nicht gezeigt werden dürfen.
Für den ORF sind rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Redaktion, Produktion und Technik im Rahmen der WM im Einsatz. Bei jenen vor der Kamera setzt das öffentlich-rechtliche Medienhaus auf bewährte Kräfte wie Oliver Polzer und Anna-Theresa Lallitsch als Kommentatoren, Rainer Pariasek und Kristina Inhof im "WM-Studio" in Wien und Herbert Prohaska oder auch Helge Payer als Analytiker.
Wegen diverser Menschenrechtsverletzungen in Katar kursieren auch Boykottaufrufe. Dass diese zu niedrigeren Zuschauerzahlen führen werden, glaubt ORF-Chef Weißmann aber nicht: "Das Interesse wird da sein." Der ORF begleitet die WM aber dennoch kritisch. Denn der ORF-Nahostexperte Karim El-Gawhary wird während der WM in Katar unterwegs sein und aktuelle Reportagen beisteuern, die etwa einen Blick auf die ungleiche Gesellschaft im Land und die vielen ungeklärten Todesfälle im Rahmen der Bauarbeiten für die WM werfen sollen.
Mit dem Start der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 launcht der ORF Sport auch einen TikTok- und Youtube-Shorts-Kanal. Die wichtigsten WM-Facts, unterhaltsame Interviews, Analysen und kuriose Szenen präsentieren dort Lea Herold (19 Jahre alt) und Benjamin Koglbauer (27 Jahre alt), die sich in einem Casting durchsetzten.
ServusTV setzt auf ein elfköpfiges Team, wobei sich Sportchef Christian Nehiba täglich aus dem WM-Studio in Salzburg meldet. Er moderiert zudem abwechselnd mit Christian Baier die Spiele. Experten im Studio sind etwa Jan Åge Fjörtoft und Steffen Freund. In Katar sind die Reporterinnen Julia Kienast, Anna-Maria Brunnauer und Alina Marzi im Einsatz. In aktuellen Sendungen informiere man über Vorkommnisse, die sich rund um die Fußball-WM zutragen, so Wegscheider. Mit den Schattenseiten des Fußballs befasst sich der jüngst online-gegangene Serien-Kosmos "Das Netz" auf ServusTV und der Streamingplattform ServusTV On. "Wir sehen das als bewusstes Zeichen, uns dieser Thematik anzunehmen", sagte der ServusTV-Intendant.
Der Salzburger Privatsender hält die Rechte an der Fußball-Europameisterschaft 2024 und 2028. Und auch hier dürfte es wieder zu einer Kooperation mit dem ORF kommen. "Wir haben uns darauf verständigt, diese gemeinsam in die Wohnzimmer zu bringen", so Wegscheider.
Die Rechte für derartige sportliche Großveranstaltungen sind teuer. Ob ServusTV die finanziellem Mittel nach dem jüngst erfolgten Geschäftsführerwechsel im Red-Bull-Konzern weiter parat habe? "Sportrechte sind ein Teil des Erfolgs von ServusTV. Ich gehe davon aus, dass wir diesen erfolgreichen Weg so fortsetzen können", so Wegscheider.
Zusammenfassung
- ORF und ServusTV sorgen dafür, dass man hierzulande keines der 64 Spiele bis zum Finale am 18. Dezember verpasst.
- ServusTV zeigt als Sublizenznehmer 25 Spiele, darunter ein Halbfinale und das Spiel um Platz drei.
- ServusTV-Intendant Ferdinand Wegscheider strich die Vorteile des "medialen Doppelpasses" hervor.
- Die Highlights sämtlicher Fußball-Spiele zeigen der ORF und ServusTV online oder auch im Rahmen von Zusammenfassungen im TV.