APA/Ale Carmona

"Fuck Me" bei ImPulsTanz: Ein wehmütiger Imperativ

Marina Otero ist ganz klar die Chefin im Ring. Ihr Stück "Fuck Me", das am gestrigen Dienstag im Rahmen des Wiener ImPulsTanz-Festival Premiere feierte, besteht vor allem daraus, dass sie die Männer nach ihrer Pfeife tanzen lässt. Fünf Männer, um konkret zu sein. Diese Performer lässt die Argentinierin im Akademietheater ein Wechselspiel aus autobiografischen Elementen und fiktivem Ich anstimmen, das vor allem eines im Zentrum hat: Marina Otero.

Die Selbstbespiegelung war bis dato stets ein Kennzeichen der Arbeiten der Tänzerin. Doch diesmal geht es um alles. Vor der Erarbeitung von "Fuck Me" warf die 1984 Geborene ein schweres Rückenleiden aus der Bahn, das nicht nur ihre Tanzkarriere unterbrach, sondern Otero ans Bett und auf den Operationstisch fesselte. Vom Krankenlager aus entwarf die Argentinierin Schnipsel ihrer Vergangenheit, die nun im wilden Wechsel aus zugespielten Heimvideoaufnahmen, Fotografien, Tanzmitschnitten und Reenactments alter Arbeiten eine Art "Das war Marina Otero" bilden.

Geschützt sind dabei nur die Knie der Tänzer - und die Kniepolster sind über die meiste Zeit auch das Einzige, das den Körper der fünf männlichen Archetypen bedeckt. Sie sind im Wechsel Alter Ego der meist am Spielfeldrand Sitzenden, Objekte der Begierde, bewegen sich in den Spuren einer Vergangenheit, die nicht die ihre ist. All das geht einher mit Pathos und Selbstironie, wuchtiger Verzweiflung und derbem Humor. Dass das titelgebende "Fuck Me" am Höhepunkt der Erkrankung eben just nicht durchführbar war, ist eine Triebkraft Oteros, und doch ist die grenzenlose Sexualität auch nur mehr eine Erinnerung, wenn der Schmerz die Kontrolle über den Körper innehat.

Daneben rückt stellenweise auch die Parallelbedeutung von "Fuck Me" als Ausruf des missmutigen Widerspruchs in den Fokus. Schließlich ist Otero Enkelin eines Geheimdienstoffiziers der argentinischen Militärdiktatur. Entsprechend versucht sie stellvertretend für eine Gesellschaft aus ihrer Familiengeschichte heraus alte, schlecht verheilte Wunden aufzureißen und von dem zu erzählen, das bis dato unter den Teppich gekehrt wurde.

Und dennoch wäre es ein Fehler, die Bühnen-Otero mit der privaten Otero gleichzusetzen. Die selbstentblößenden Arbeiten sind zugleich immer auch ironische Spiele mit der Gutgläubigkeit des Publikums. So offerierte Otero den begeisterten ImPulsTanz-Zuschauern am Ende des Abends, durch den sie sich bis dahin scheinbar mühsam schlurfend gequält hatte, ein Abschiedsgeschenk - und begann auf der Bühne im Kreis zu laufen mit der Einladung, ruhig jederzeit zu gehen. Sie laufe einfach so lange weiter, bis der Saal leer sei. Und sie lief, und lief, und lief.

(S E R V I C E - "Fuck Me" im Rahmen des ImPulsTanzes im Akademietheater, Lisztstraße 1, 1030 Wien. Dramaturgie/Regie: Marina Otero. Mit Augusto Chiappe, Juanfra López Bubica, Fred Raposo, Matías Rebossio, Miguel Valdivieso, Cristian Vega und Marina Otero. Weitere Aufführung am 27. Juli. Am 28. Juli folgt dann das Otero-Solo "Love Me" im Schauspielhaus. www.impulstanz.com/performances/pid1535/)

ribbon Zusammenfassung
  • Marina Otero ist ganz klar die Chefin im Ring.
  • Ihr Stück "Fuck Me", das am gestrigen Dienstag im Rahmen des Wiener ImPulsTanz-Festival Premiere feierte, besteht vor allem daraus, dass sie die Männer nach ihrer Pfeife tanzen lässt.
  • Fünf Männer, um konkret zu sein.
  • (S E R V I C E - "Fuck Me" im Rahmen des ImPulsTanzes im Akademietheater, Lisztstraße 1, 1030 Wien.
  • Am 28. Juli folgt dann das Otero-Solo "Love Me" im Schauspielhaus.