Ein Dorf packt an: Steinbach hat Mahler-Sinfonie geschultert
So wurde die örtliche Sporthalle mittels schalloptimierender Elemente kurzerhand zur Musikhalle umfunktioniert, während praktisch der gesamte Ort daran mitarbeitete, das Großprojekt zum Erfolg zu machen. Schließlich steht man heuer doch gleich unter dem Dach zweier kultureller Großschirme: Man ist Teil des laufenden Europäischen Kulturhauptstadtjahres Salzkammergut und feiert das laufende Bruckner-Jahr zum 200. Geburtstag des oberösterreichischen Großkomponisten mit.
In mehren Vorträgen und Spaziergängen widmete man sich seit der Eröffnung am Donnerstag dem Verhältnis der beiden Hochromantiker Mahler und Bruckner, die einander freundschaftlich verbunden waren und sich doch immer wieder kritisch mit dem Werk des jeweils anderen auseinandersetzten. Das erste dokumentierte Zeugnis dieser Beziehung entstammt aus dem Jahr 1880, als Bruckner den jungen Mahler mit der Anfertigung der Klavierfassung seiner 3. Symphonie beauftragte. Das pianistische Monumentalwerk für vier Hände stand am Sonntagvormittag am Programm des von Intendant Morten Solvik kuratierten Festivals.
Höhepunkt der Ausgabe 2024 war aber unstrittig die Aufführung von Mahlers 2. Symphonie, zu der sich Kulturminister Werner Kogler (Grüne) ebenso vor Ort eingefunden hatte wie Kulturhauptstadt-Intendantin Elisabeth Schweeger, um dem Genius Loci nachzuspüren. So sind die drei mittleren Sätze der Symphonie einst im in seiner Einfachheit nach wie vor berührenden Komponierhäuschen in Steinbach entstanden, das Mahler ab 1894 für vier Sommer nutzte. Der Kopfsatz und Teile des Finalsatzes wurden indes andernorts geschrieben. Das just die lange "Totenfeier" als Auftakt der oftmals "Auferstehungssymphonie" titulierten Arbeit nicht der lieblichen Attersee-Idylle entstammt, mag nicht verwundern.
Dass am Samstag im Gegenzug die Stilistik der klar vom Salzkammergut grundierten Folgesätze herausgearbeitet wurde, ist der Dirigentin Elisabeth Fuchs und ihrer Philharmonie Salzburg zu verdanken, die als Spitzenorchester für das waghalsige Unterfangen engagiert wurde. Die Maestra nimmt manche Tempiwechsel recht rasant und spielt die Landler und Volksweisen beinahe neckisch aus, was andere Dirigenten oftmals versuchen, schamvoll zu kaschieren. "Ich bin ein Kind der Blasmusik", machte die 48-jährige Oberösterreicherin im APA-Gespräch deutlich. Und auch wenn Mahler selbst kein solches Kind war, hat er diese Klänge während der Sommerfrische doch adoptiert. "Man hört den Humor heraus", ist Fuchs überzeugt.
Viel Humor hätte man auch bedurft, wäre Fuchs' Ursprungsidee realisiert worden, die Monumentalsymphonie unter freiem Himmel aufzuführen, ergossen sich am Samstag doch wahre Sintfluten über Steinbach. In der umfunktionierten Sporthalle herrschte indes eine trockene Akustik, während draußen die Sturzbäche Steinbach heimsuchten. Aber, anders als bisweilen im Salzburger Festspielhaus, hielt die Decke dem Regen stand, und dem Naturmystiker Mahler hätte das sanfte Plätschern am Dach wohl ohnedies gefallen.
Da man nicht nur Mahler und Bruckner als musikalische Schutzgeister in Steinbach verehrt, sondern auch Friedrich Gulda, der Jahrzehnte am Attersee lebte und in Steinbach begraben ist, stand am Beginn des Abends das Cellokonzert des Meisters der musikalischen Verschränkung. Dezidiert als Hommage an die Region verstanden, verschneidet Gulda Jazz, Klassik und das, was man bei Mahler Landler nennen würde. Blasorchester und Band, E und U gehen hier Hand in Hand mit dem Cello, an dem der erst 14-jährige Emilian Schmid saß, bevor er letztlich von seinem zwei Jahre älteren Bruder Darius mit der Geige abgelöst wurde und an die Percussion wechselte.
Mahler ist also nicht alles in Steinbach, auch wenn der Komponist fraglos die erste Geige in Steinbach spielt. So gibt es neben dem Komponierhäuschen als Erinnerungsort auch das 2012 eingeweihte Gustav-Mahler-Dyptichon von Christian Ludwig Attersee im Dorfzentrumsgebäude sowie einen Gedenkstein am Landungssteg. Und am Attersee selbst ist das seit kurzem auch Gustav Mahler gewidmete MS Stadt Vöcklabruck unterwegs. In Kooperation mit der Kulturhauptstadt wurde das Schiff neu gestaltet. Die Schienen sind also gelegt, damit sich die noch jungen Festspiele in Steinbach im Reigen der Sommerfestivals auch künftig behaupten können.
(Von Martin Fichter-Wöß/APA)
(S E R V I C E - www.mahler-steinbach.at)
Zusammenfassung
- Das Gustav Mahler Festival in Steinbach am Attersee führte Mahlers 2. Symphonie mit rund 200 Musikern und Sängern auf, obwohl der Ort nur 900 Einwohner hat.
- Die Aufführung fand in einer umfunktionierten Sporthalle statt, da es draußen stark regnete. Die Dirigentin Elisabeth Fuchs und die Philharmonie Salzburg leiteten das Konzert.
- Das Festival ist Teil des Europäischen Kulturhauptstadtjahres Salzkammergut und des Bruckner-Jahres, und Kulturminister Werner Kogler sowie Kulturhauptstadt-Intendantin Elisabeth Schweeger waren anwesend.