Durchwachsener Start für Salzburger Osterfestspiele
Darüber, dass Intendant Nikolaus Bachler zu seinen ersten künstlerisch komplett alleine verantworteten Osterfestspielen erst einmal eine sechs Jahre alte Inszenierung aus seinem alten Haus, der Bayerischen Staatsoper München, mitgebracht hat, durfte er sich vorab weiß Gott genug anhören. Deswegen wurde bei der Vorberichterstattung seitens der Osterfestspiele auch sehr viel Wert auf die Bezeichnung "Neueinstudierung" gelegt.
Am Ende hielten sich die Neuerungen bei der Premiere am Samstagabend im Großen Festspielhaus dann allerdings doch in Grenzen. Castelluccis bildgewaltige Kulissen voller Symbole waren auch nach der Überarbeitung immer noch mehr Kunstinstallation als Inszenierung. Wer wirklich ernsthaft an der Entschlüsselung der Gedanken des Regisseurs interessiert war, dem versuchten die Osterfestspiele mit einem Interview im Programmheft Hilfestellung an die Hand zu geben. Dass im Finale irgendwann der Satz "Hier vergehen eine Milliarde Jahre" groß im Hintergrund prangte, nahm Dirigent Andris Nelsons für seine Interpretation teilweise etwas zu wörtlich.
Nelsons und das Gewandhausorchester sind in diesem Jahr die ersten Gäste beim Festival, die Bachler nach dem Bruch mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden, vor allem aber mit deren Chef Christian Thielemann an die Salzach geladen hat. Im vergangenen Jahr hatten sie sich ebenfalls mit Wagner verabschiedet.
Wagner dieses Jahr also neu und vor allem eines: langsamer. Stellenweise ließ Nelsons die Musik wie Sand durch das dünne Loch eines Stundenglases rinnen. Das stand nicht allen Passagen so gut wie etwa dem Pilgerchor, dem diese Breite einen guten Schub Anmut und Ergriffenheit verlieh.
Vor allem aber strapazierten diese ausladenden Tempi die Sänger. Jonas Kaufmann brachte es dazu, seinen Fokus aufs Kräfteeinteilen zu legen, was nicht von Nöten gewesen wäre, denn er kam erstaunlich gut durch die Titelpartie. Die vermeintliche Vorsicht führte jedoch dazu, dass er in den großen Momenten etwas schwach auf der Brust erschien, wohingegen die intimen und gebrochenen Momente seines Tannhäusers gerade gegen Ende hin zeigten, dass Kaufmann durchaus im Stande ist, in dieser Rolle aufzugehen.
Seine anfängliche Zurückhaltung lies vor allem seine Venus erstarken. Emma Bell war für Elina Garanca kurzfristig, aber äußerst sattelfest eingesprungen und damit erstmals bei den Osterfestspielen dabei. Auch die Elisabeth, Marlis Petersen, debütierte am Samstagabend und das überhaupt zum allerersten Mal mit Wagner. Auch sie kam gut durch den Abend, wenn auch stellenweise blass, was aber vor allem der Frage geschuldet sein dürfte, ob ihre Stimme grundsätzlich geeignet fürs Wagner-Fach ist.
Dass einer guten Wagnerstimme auch strapaziöse Dirigate nichts anhaben können, bewiesen meisterhaft Christian Gerhaher als Wolfram von Eschenbach und Georg Zeppenfeld als Landgraf von Thüringen. Gerhaher gelang es, auch aus den zähen Tempi noch etwas zu zaubern und beispielsweise beim "Abendstern" das Liedhafte auszustellen. Dieses Können ließ ihn zum eigentlichen Star des Abends werden, was auch das Publikum bestätigte.
Zeppenfeld stand ihm in puncto Können in nichts nach. Er ist und bleibt die stets konstante und immer klug interpretierende Allzweckwaffe wenn es darum geht, einen exzellenten Wagnerbass zu besetzen. Letztlich belegte auch das der Schlussapplaus, der mal mehr mal weniger stark ausfiel, jedoch insgesamt sehr wohlwollend und trotz ein paar Buhs für Dirigent und Elisabet für einen guten Auftakt der Osterfestspiele sprach.
(S E R V I C E - Richard Wagner: "Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg". Musikalische Leitung: Andris Nelsons, Inszenierung/Bühne/Kostüm/Licht: Romeo Castellucci. Auf der Bühne: Hermann Landgraf von Thüringen: Georg Zeppenfeld, Tannhäuser: Jonas Kaufmann, Wolfram von Eschenbach: Christian Gerhaher, Walther von der Vogelweide: Sebastian Kohlhepp, Biterolf: Edwin Crossley-Mercer, Heinrich der Schreiber: Dean Power, Reinmar von Zweter: Alexander Köpeczi, Elisabeth: Marlis Petersen, Venus: Emma Bell, Ein junger Hirt: Emily Pogorelc. Weitere Aufführungen am 5. und 9. April, www.osterfestspiele.at)
Zusammenfassung
- Wenn es den Salzburger Osterfestspielen dieses Jahr an einem nicht mangelt, dann sind es Debüts.
- Das Publikum interessierte davon am Samstagabend vor allem, wie Jonas Kaufmann seinen ersten Tannhäuser in Romeo Castelluccis Neueinstudierung seiner Inszenierung von 2017 singen würde.
- Im vergangenen Jahr hatten sie sich ebenfalls mit Wagner verabschiedet.
- Musikalische Leitung: Andris Nelsons, Inszenierung/Bühne/Kostüm/Licht: Romeo Castellucci.