APA/APA/GETTY IMAGES NORTH AMERICA/DIA DIPASUPIL

Cat Power bringt in Wien Dylans legendäres Konzert ins Jetzt

Pop und Rock sind mit Coverbands und Musical-Adaptionen längst im Museum angekommen. Oft geht es um Nostalgie. Manchmal haben Tributeshows aber durchaus Berechtigung. Die Songs, die Bob Dylan 1966 auf seiner legendären Tour präsentierte, sollte man jedenfalls gerade jetzt - "in schwierigen Zeiten", wie Cat Power am Donnerstag sagte - hören. Ihre Darbietung von Dylans "Royal Albert Hall Concert" im Konzerthaus untermauerte das und war noch dazu wunderschön.

Die Geschichte hinter der 66er-Konzertreise, die der spätere Nobelpreisträger mit den Hawks, die wenig später The Band werden sollten, unternahm, ist Musikinteressierten hinlänglich bekannt. Dylan spielte eine Hälfte akustisch und schreckte dann mit einem elektrischen Set die Folkpuristen auf. "Judas!", schrie ihm jemand aus dem Publikum in der Manchester Free Trade Hall entgegen. Ein Bootleg dieses mythenumwobenen Auftritts wurde fälschlich mit "Royal Albert Hall" beschriftet. Der mittlerweile legal veröffentlichte Mitschnitt ist eines der wichtigsten Dokumente, wie sich populäre Musik in den Sechzigern entwickelte.

Die US-Sängerin und Songschreiberin Cat Power, irgendwo zwischen Indie und Alternative-Country zu Hause, hat im vergangenen Jahr "The 1966 Royal Albert Hall Concert" komplett in eben dieser ikonischen Londoner Spielstätte aufgeführt und als Live-Album veröffentlicht. Gestern brachte sie das Programm nach Wien. Auch wenn die Texte unverändert blieben, ebenso großteils die Arrangements, machte sich Cat Power mit ihrer Art zu singen (ohne zu imitieren) die einzigartigen Lieder zu eigen.

An laute E-Gitarren und Drums, sprich an Rock and Roll, hat man sich mittlerweile nicht nur gewöhnt, man verbindet das geradezu mit Pop-Konzerten. Daher wirkt der akustische Teil vom "Royal Albert Hall Concert" heute radikaler als der elektrische: Man hörte im Konzerthaus wirklich intensiv zu, wie Cat Power, von sechs Studiolampen im Hintergrund nur spärlich beleuchtet (ähnlich wie Dylan zuletzt seine Bühne illuminierte), "It's All Over Now, Baby Blue" und "Mr. Tambourine Man" gediegen interpretierte - kein Getratsche, keine Handy-Filmerei, kein Hin- und Her zum Getränkestand.

Nach eigenen Angaben am Jetlag leidend und mit der (eigentlich perfekten) Akustik hadernd, verhinderte einzig die Protagonistin selbst mit aufgeregtem Fuchteln in Richtung Tontechnikern und Kommentaren, dass man komplett in der Darbietung versinken konnte. Aber bei ihrer bluesigen Version von "Ballad Of A Thin Man" und einem kräftigen "Like A Rolling Stone" im "lauten" Teil war das längst vergessen. Dylans Lieder sind wahrlich keine musealen Stücke, sondern haben gerade im Hier und Jetzt ihre Gültigkeit, wie Cat Power mit ihrer Darbietung untermauerte. Und man konnte durchaus nachvollziehen, welcher Schock es für viele 1966 gewesen sein muss, als nach dem intimen Teil die Band mit "Tell Me, Mama" furios loslegte.

(Von Wolfgang Hauptmann/APA)

ribbon Zusammenfassung
  • Cat Power führte Dylans 'Royal Albert Hall Concert' im Wiener Konzerthaus auf und betonte die Relevanz der Lieder in schwierigen Zeiten.
  • Das Konzert, bestehend aus einem akustischen und einem elektrischen Teil, wurde letztes Jahr in der Royal Albert Hall aufgeführt und als Live-Album veröffentlicht.
  • Trotz kleiner Störungen durch Cat Powers Interaktionen mit der Tontechnik war die Darbietung von 'Ballad Of A Thin Man' und 'Like A Rolling Stone' besonders beeindruckend.