APA/EVA MANHART

Burgtheater startet mit "Hamlet" in erste Bachmann-Saison

Fünf Hamlets, Ophelia als Vorstellung und eine Auseinandersetzung mit enttäuschter Mutterliebe: Am Donnerstag startet Stefan Bachmanns erste Spielzeit als Burgtheaterdirektor mit Karin Henkels Inszenierung von Shakespeares "Hamlet". Zwei der Hamlets - der Neuzugang Alexander Angeletta und das langjährige Ensemblemitglied Marie-Luise Stockinger - gaben im Vorfeld Einblicke in die Produktion, die mit altgedienten Rollenzuschreibungen zu brechen gedenkt.

"Das Stück besteht vor allem aus langen Monologen Hamlets. Und ein Grundsatz von Karin Henkel ist, dass man nur zusammen denken kann. Wir fanden es reizvoll, die Monologe als Zwiegespräche zu denken", erläutert Stockinger die Grundkonstellation, in der sie und Angeletta gemeinsam mit Katharina Lorenz, Tim Werths und als Gast Benny Claessens die unterschiedlichen Facetten des Dänenprinzen verkörpern. Ursprünglich war Jens Harzer für die Produktion vorgesehen gewesen, er hatte sich aber im Frühsommer aus persönlichen Gründen zurückgezogen. "Ein einzelner Mensch kann Hamlets universale, komplexe und widersprüchliche Gedankenwelt, die Shakespeare seiner Figur gegeben hat, gar nicht spielen, ohne sie zu individualisieren. Werden diese Gedanken von mehrerer Spielerinnen und Spielern formuliert, bleiben sie offen und tastend."

Für Angeletta, der in München geboren wurde und zuletzt in Köln engagiert war, ist Hamlets "großes Erstarren, dieses Nicht-Weiterkommen", etwas, das gut mit unserer Gegenwart korrespondiere, wie er im APA-Interview erzählt. "Ich erlebe die Welt so, dass man das Gefühl hat, wir sind im Umbruch und man will irgendwas tun, aber man schafft es nicht ganz." Auch bei Hamlet sehe er diese Krise, er hadere mit seinem Handeln. "Unser Ansatz ist: Alles entsteht aus Hamlet", so auch die Figuren in seiner Gedankenwelt, die ebenfalls von verschiedenen Schauspielern - etwa Michael Maertens oder Kate Strong - verkörpert werden. "Das heißt, Hamlet stellt sich eine Ophelia vor, die jemand anderer für ihn spielt. Alles entspringt aus Hamlets Kopf", so Stockinger, die die recht theoretisch klingende Prämisse auf der Bühne "sehr spielerisch und überraschend" umgesetzt sieht.

Auch Angeletta freut sich, dass die in vielen Inszenierungen so stark aufgeladene und von einem Star verkörperte Figur des Hamlet nun aufgebrochen wird. Die Aufteilung auf mehrere Schauspieler ermögliche es, Hamlets unterschiedliche Facetten zu zeigen, sodass eine Art Kaleidoskop entstehe. Ein Punkt, der Marie-Luise Stockinger in der Probenarbeit aufgefallen ist, sind die "wahnsinnig vielen misogynen Äußerungen Hamlets", der "Hass gegen die Mutter, gegen die Frauen an sich". Auch wie Hamlet mit Ophelia umgeht, sei "wirklich furchtbar", so Angeletta. "Wir unternehmen hier auch den Versuch, klar zu machen, dass sie ein Spielball der Macht ist. Ophelia ist auch immer ein Abziehbild von Hamlet", spielt er darauf an, dass Stockinger sowohl Hamlet als auch Ophelia verkörpert.

Die "enttäuschte Mutter-Kind-Beziehung" nach dem Mord am Vater ist laut Stockinger wiederum ein zeitloser Topos, der Dreh- und Angelpunkt der Inszenierung sei, die auch die Frage stellt, welche Beziehung Hamlet eigentlich zu seinem übergroßen Vater hatte. "Deren Beziehung klingt auch leicht angespannt - Hamlet ist vermutlich dem Vater schon bei Lebzeiten nicht gerecht geworden, warum sonst taucht er immer als martialischer Geist in Ritterrüstung und mit Rachegelüsten auf", sinniert Stockinger, die Henkels "unkonventionelle, schnelle Fantasie und ihren Humor" lobt.

Auch der Umstand, dass durch den Intendantenwechsel nicht nur das eingespielte Team auf der Bühne steht, freut Stockinger sehr. Sie selbst hofft nach Jahren der Krisen - vom Finanzskandal über Corona bis hin zur Causa Teichtmeister -, dass sie nach zehn Jahren am Haus nun einmal eine positive Phase erlebt: "Die Gesamtstimmung war oft beschwerlich, und ich würde mir wünschen, einfach mal eine richtige Hoch-Zeit zu erleben. Denn darum geht man ja an ein bestimmtes Theater, weil man zur coolsten Band in Town gehören will und zu der würde ich - ehrlich gesagt - gerne mal gehören ..." An Bachmann schätzt sie sein Interesse und seine Niederschwelligkeit, etwa dass er sein repräsentatives Büro geräumt hat und es - samt Terrasse - dem Ensemble als Aufenthaltsraum zur Verfügung gestellt hat.

Noch in der Phase des Zurechtfindens ist Angeletta, der seit knapp drei Monaten in Wien lebt und das Burgtheater stets als "Olymp" empfunden habe: "Ich war einige Male in Wien, habe mich aber nicht getraut, das Burgtheater zu betreten", schmunzelt der 34-Jährige. Zum Glück habe er recht rasch gemerkt, dass die großen Burg-Stars "einfach auch Menschen sind, die jetzt meine Kollegen sind". Besonders freue er sich darüber, welchen Stellenwert das Theater in Wien habe. Auch seine Wurzeln - seine Mutter ist Serbin, sein Vater Italiener - spüre er in Wien viel stärker als in deutschen Städten. "Und in dem serbischen Restaurant, wo ich jetzt öfter bin, sind sie ganz stolz, dass sie jetzt jemanden aus dem Burgtheater kennen."

(S E R V I C E - "Hamlet" von William Shakespeare im Burgtheater. Premiere am 5. September. Regie: Karin Henkel, Bühne: Katrin Brack, Kostüme: Teresa Vergho, Musik: Thomas Kürstner, Sebastian Vogel. Mit Alexander Angeletta, Benny Claessens, Katharina Lorenz, Michael Maertens, Marie-Luise Stockinger, Kate Strong und Tim Werths. Weitere Termine: 10., 11. und 28. September sowie am 11., 23. und 28. Oktober. www.burgtheater.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Stefan Bachmann startet seine erste Spielzeit als Burgtheaterdirektor mit Shakespeares 'Hamlet' am 5. September.
  • Die Inszenierung von Karin Henkel zeigt fünf verschiedene Hamlets, darunter Alexander Angeletta und Marie-Luise Stockinger.
  • Die Monologe Hamlets werden als Zwiegespräche interpretiert, um die komplexe Gedankenwelt der Figur besser darzustellen.
  • Ophelia wird als Vorstellung Hamlets dargestellt, was die Vielschichtigkeit der Charaktere betont.
  • Die Produktion thematisiert auch die enttäuschte Mutter-Kind-Beziehung nach dem Mord an Hamlets Vater und zeigt Hamlets misogyne Äußerungen.