Billy F. Gibbons war auch ohne ZZ top
ZZ Top stand Jahrzehnte lang für geradlinig g'strampften Südstaaten-Rock mit Augenzwinkern, brillant zelebriert als quasi ewige Gitarrenriffs von Billy Gibbons mit genialer Begleitung durch Dusty Hill - beide mit markanten Rauschebärten - und Drummer Frank Beard (als Gag: jahrelang bartlos). Wie sehr allerdings Songs, Sound und überhaupt alles von Gibbons geprägt waren, das wird erst jetzt wirklich bewusst: Neue Gibbons-Songs - oder auch ältere, die er aber nicht mit ZZ Top eingespielt hatte - sind vom legendären ZZ Top-Vollgas-Südstaatenrock schlicht nicht unterscheidbar.
Wenn man unbedingt eine Differenzierung finden will, dann war z. B. "More-more-more" im Gasometer etwas erdiger und blues-rockiger als die berechtigterweise bekannte ZZ Top-Ware. Aber schon bei Gibbons' Solokomposition "Missin' Yo' Kissin'" entstehen begründete Zweifel am "Unterschied": Das ist schlicht ZZ Top-Sound pur - und grandios wie immer.
Der 73-Jährige muss natürlich nicht mehr beweisen, was für ein großartiger Rock- und Bluesgitarrist er ist, so souverän, wie er sich immer noch auf der Bühne bewegt. Aber es ist trotzdem ein Wagnis, sich als weißer Texas-Rocker z. B. an den Klassiker "Foxy Lady" des schwarzen Rock-Gitarrengottes Jimi Hendrix heranzuwagen - mit allerhöchstem Niveau, wie Gibbons in Wien bewiesen hat.
Ansonsten gab es - leider - nichts Großartiges zu bemerken zur neuen Gibbons-Formation: Gitarrist Austin Hanks fällt zum Wohle des Ganzen nicht weiter auf, Schlagzeuger Matt Sorum (immerhin u. a. bei The Cult und Guns 'N' Roses tätig gewesen) sorgt für eine sehr solide Rhythmus-Basis. Um es mit einem Bild einer kleinen Ranch in Texas zu illustrieren: Billy "The Man" Gibbons reitet die Mustangs zu, Austin Hanks darf die Fohlen auf die Weide führen und Matt Sorum drischt brav die Zaunpfähle zur Orientierung in die weite Landschaft.
Das Gasometer-Konzert hat bewiesen: Billy F Gibbons rockt die Halle - selbst wenn die Muppets die anderen Instrumente gekapert hätten und Statler & Waldorf für den Background-Gesang verantwortlich wären. Fazit daher: Eineinhalb Stunden gewohnt großartiger Südstaaten-Rock mit kurzen Texas-Blues-Atempausen - und wie immer bei ZZ Top einem "Sudden Death", sprich: keine Zugabe - aber was willst Du denn auch nach dem Hammer "La Grange" noch spielen?
Zusammenfassung
- Bassist Dusty Hill ist vor knapp zwei Jahren verstorben - man sollte also annehmen, die legendäre Texas-Rock-Band ZZ Top ist nicht mehr das, was sie mal war.
- Um ehrlich zu sein: Der Unterschied ist kaum wahrnehmbar - und das ist sehr gut so, wie Gibbons am Mittwochabend im Wiener Gasometer bewiesen hat.