Az W-Schau über das Einfamilienhaus: Traum und Widerspruch
Ein ruhiger, sicherer Ort für die Kernfamilie, naturnah und in einer menschenfreundlichen Umgebung: So stellte und stellt man sich das Leben im Umland vor. Die Kulturgeschichte des Einfamilienhauses nahm ihren Ursprung in den gehobenen amerikanischen Wohnvierteln des frühen 19. Jahrhunderts. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Typologie massiv entwickelt und in die Breite ausgerollt. "Immer mehr Leute ziehen längst auch in Europa in Einfamilienhäuser in den Vorstädten", berichtete Philipp Engel, der die Schau ursprünglich für das Zeitgenössische Kulturzentrum von Barcelona (CCCB) kuratiert hat, bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.
Die Wiener Version wurde um einen Österreichteil erweitert. Das Einfamilienhaus sei weiterhin die beliebteste Wohnform hierzulande, merkte Az W-Direktorin Angelika Fitz an. Die Nation der Häuselbauer sieht sich aber mit großen Zukunftsfragen konfrontiert. Denn mit dieser Lebensform gehen die Abhängigkeit vom Auto, Flächenversiegelung, Verödung der Ortskerne, Bedrohung der Biodiversität und Isolation einher. Und nicht zuletzt prägen halb verwaiste, in die Jahre gekommene Häuser und Siedlungen viele Teile des Landes. "Suburbia" zeigt auch Lösungen, präsentiert etwa gelungene Beispiele für Umbauten, Umnutzung und Alternativen.
Mit historischem Material, Fotos, Filmen, künstlerischen Arbeiten und Alltagsgegenständen nähert sich die Ausstellung dem Thema. So wird zunächst ein geschichtlicher Überblick über das "Leben im amerikanischen Traum" (so der Untertitel der Schau) gegeben. Man bekommt vielfältige Einblicke: zum Beispiel darüber, wie die Suburbanisierung das Autofahren erleichtern sollte, wie sich das Leben in "Suburbia" auf die Geschlechterrollen auswirkte, aber auch wie Vorortsiedlungen zur Segregation beitrugen. Es dürfen Bilder des Fotografen Bill Owens nicht fehlen, der in seinem Kultbuch "Suburbia" von 1972 das Leben in einem kalifornischen Wohnviertel dokumentierte.
Schattenseiten und Lösungsmodelle
Neben ökologischen und sozialen Schattenseiten wird der kriminelle Aspekt nicht vernachlässigt: "Die Vorstellung von einem sicheren, gesunden und heiteren Ort wurde allmählich von Angst, Schrecken und Paranoia überschattet", heißt es auf einer Texttafel - daneben flimmern Szenen aus John Carpenters Slasherfilm "Halloween" über einen Bildschirm. Ergänzend gibt es Bilder waffensammelnder Amerikaner im trauten Heim und forensische Fotografien zu sehen.
Im rot-weiß-roten Teil wird die emotionale Bindung der Österreicherinnen und Österreicher zu ihrem Eigenheim beleuchtet. "Dem setzen wir harte Fakten gegenüber", so Kuratorin Katharina Ritter. Laut einer aktuellen Boku-Studie hat sich der Anteil der hoch zersiedelten Fläche hierzulande von 1975 bis 2020 verfünffacht. Was tun, wenn Österreich fertig gebaut ist, der Wunsch nach der Wohnform Einfamilienhaus ungebrochen bleibt? 13 präsentierte Beispiele für Gebäudenutzung nach dem ersten Einfamiliendasein geben mögliche Antworten.
(S E R V I C E - "Suburbia. Leben im amerikanischen Traum" im Architekturzentrum Wien, Messequartier, 6.3.-4.8., täglich 10-19 Uhr; www.azw.at)
Zusammenfassung
- In Österreich gibt es rund 1,5 Millionen Einfamilienhäuser, was die anhaltende Beliebtheit dieser Wohnform verdeutlicht.
- Die Ausstellung 'Suburbia' im Architekturzentrum Wien beleuchtet die Geschichte des Einfamilienhauses und thematisiert ökologische sowie soziale Herausforderungen wie Flächenversiegelung und Isolation.
- Von 1975 bis 2020 hat sich der Anteil der hoch zersiedelten Fläche in Österreich verfünffacht, was die Notwendigkeit von Umbauten und alternativen Nutzungskonzepten unterstreicht.