23 Salzkammergut-Gemeinden starten in die Kulturhauptstadt
Das Salzkammergut hat sich im Ringen um den Titel Europäische Kulturhauptstadt Anfang 2019 überraschend gegen Dornbirn und die Favoritin St. Pölten durchgesetzt. Erstmals wurde eine inneralpine, ländliche Region statt eines urbanen Raumes auserkoren. Der Anfang war recht holprig - so trennte man sich vom künstlerischen Leiter Stephan Rabl, sein Konzept "Die Originale" wurde eingestampft und Elisabeth Schweeger trat als neue Chefin auf den Plan. Sie kehrte wieder stärker zum Bewerbungsbuch zurück, wenn sie auch in manchen Bereichen nachschärfte und adaptierte.
So reklamierte sie das Thema des jüdischen Lebens im Salzkammergut hinein. Der ursprünglich prägende Themenschwerpunkt des Overtourism wurde stärker in Richtung einer Suche nach Möglichkeiten für den sanften Tourismus und die Zukunft des Reisens gedreht - eine Änderung die wohl auch der zwischen Bidbook und Programmpräsentation hereingebrochenen Coronapandemie geschuldet war.
Das fertige Programm umfasst rund 300 Projekte und gliedert sich in vier Leitlinien: Macht und Tradition, Kultur im Fluss, Sharing Salzkammergut - Die Kunst des Reisens und Globalokal - Buiding the New. Jede der 23 beteiligten Gemeinden steuert zumindest eines bei, viele Programmpunkte erfolgen auch in Kooperation mit etablierten Festivals in der Region wie etwa den Salzkammergut Festwochen Gmunden. Dass Schweeger stark auf Kooperationen setzt, hat wohl auch mit dem vergleichsweise schmalen Budget von 30 Millionen Euro zu tun.
Weitere Herausforderungen für die Intendantin waren teils nur hinter vorgehaltener Hand geäußerte Kritik manch lokaler Kulturschaffender, die sich übergangen fühlten, und Differenzen um das Programm. So trat der Industrielle Hannes Androsch verärgert aus dem Kulturkomitee aus, weil es ihm missfiel. Rückendeckung bekam Schweeger hingegen vom ebenfalls im Komitee vertretenen Hubert von Goisern, der auch künstlerisch einiges zur Kulturhauptstadt beisteuert, etwa einen Teil der Eröffnung.
Einen thematischen Schwerpunkt des Jahres stellt die "Reise der Bilder" dar - eine Ausstellungsreihe zum Thema des Kunstraubs durch die Nationalsozialisten, an der das Linzer Lentos federführend beteiligt ist. Auch der mit Bad Ischl oft verbundenen Kaiserseligkeit ist ein großes Ausstellungsprojekt gewidmet, besser gesagt der kritischen Auseinandersetzung damit: Die Veranstaltungsreihe "kritisch&kontrovers" setzt einen Kontrapunkt zu Sisi-Kitsch und k&k-Nostalgie. Die von Gottfried Hattinger kuratierte Ausstellung "sudhaus - kunst mit salz & wasser" befasst sich mit den titelgebenden Werkstoffen, schließlich prägt das Salz die Region seit Jahrtausenden.
Zahlreiche Projekte befassen sich auch mit den Themen Klimawandel und Zersiedelung. Die Kulturhauptstadt hat sich die Nutzung von Leerständen auf die Fahnen geschrieben - nicht nur, weil dies das Budget schont, auch aus Gründen der Raumplanung und der Nachhaltigkeit. So entsteht in Gmunden am Areal der Stadtgärtnerei ein "KunstQuartier". Das Alte Sudhaus in Bad Ischl, 2024 für die große Salz-Ausstellung genutzt, soll danach als Stadtbibliothek oder als Offenes Kulturhaus verwendet werden. Der Zuschlag als Kulturhauptstadt könnte bei einigen teils stockenden Projekten in der Region Anschub geleistet haben, auch wenn kaum etwas rechtzeitig fertig wird: Derzeit wird das Stadttheater in Gmunden bei laufendem Betrieb saniert. Das heruntergekommene Lehártheater in Bad Ischl kann zwar im Kulturhauptstadtjahr nur provisorisch bespielt werden, immerhin dürfte die Renovierung aber danach losgehen, auch die Lehárvilla wird saniert.
Wie stark das Kulturhauptstadtjahr mit dem gleichzeitig stattfindenden Brucknerjahr in Konkurrenz tritt, bleibt abzuwarten - die Schlusszeremonie begeht man jedenfalls gemeinsam am 30. November in Laakirchen.
(S E R V I C E - www.salzkammergut-2024.at)
Zusammenfassung
- Am Samstag feiert das Salzkammergut als erste der drei Europäischen Kulturhauptstädte 2024 offiziell Eröffnung: Bad Ischl und 22 weitere Gemeinden in OÖ und der Steiermark stehen in den Startlöchern, um mit dem jodelnden "Chor der 1.000" im Kurpark der Kaiserstadt das Startsignal zu geben. Der Themenbogen des Jahres reicht von Tourismus, Klima und Zersiedelung bis zum Umgang mit khtml5-dom-document-internal-entity1-amp-endk- und NS-Geschichte. Das estnische Tartu folgt am 26. Jänner, Bodø in Norwegen am 3. Februar.