Zum IS und doch wieder zurück? Neue Chance für Maria G.

Seit gut fünf Jahren sitzt die ehemalige IS-Anhängerin aus Salzburg, Maria G., in einem kurdischen Gefangenenlager in Syrien fest. Das Außenministerium lehnte eine Rückholaktion bisher ab, doch die Familie bekommt durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nun eine neue Chance.

"Ich sperre meine Kinder hier ein im Zelt (...), weil ich will nicht, dass denen irgendwas nochmal passiert oder ob die was Falsches lernen". Das sagte Maria G. in einer seltenen Sprachnachricht, die die ehemalige IS-Anhängerin vor mittlerweile mehr als einem Jahr ihren Eltern aus dem kurdischen Gefangenenlager Al-Roj in Syrien schickte. 

Vor gut einem Jahr sprach PULS 24 für die Reportage "Die Eltern der österreichischen IS-Töchter" auch mit den Eltern von Maria G.. Schon damals unterstützten sie im Interview den dringlichen Wunsch ihrer Tochter, nach Österreich zurückgeholt zu werden. Seither ist wenig passiert - bis heute.

"Sie bereut es auf alle Fälle"

Maria tue es leid, nach Syrien gereist zu sein. "Sie bereut es auf alle Fälle", sagte ihr Vater damals. Die Tochter habe dem IS abgeschwört, wodurch sie es im Lager nicht einfach habe. Sie habe vor allem Angst um ihre beiden Kinder, die in Syrien zur Welt kamen. Sie könnten sich in Al-Roj radikalisieren. 

Die IS-Töchter und ihre zurückgelassenen Familien

Doch das Außenministerium lehnte eine Rückholaktion bislang immer ab. Nur die Kinder hätte man holen wollen, doch ohne Zustimmung der Mutter gehe das nicht. Maria G. wollte sich von diesen bislang nicht trennen. 

Außenministerium muss erneut entscheiden

Wie Ö1 am Montag berichtete, gibt es nach gut einem Jahr nun aber doch eine neue Chance für Maria G.. Das Außenministerium hatte die Rückholanträge der Familie bislang immer mit formlosen, rechtlich ungültigen Schreiben abgelehnt. Laut einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts müsse das Ministerium von Alexander Schallenberg (ÖVP) nun aber erneut entscheiden und bis 20. Oktober einen Bescheid ausstellen. Diesen könne man, sollte er negativ ausfallen, anfechten, so die Anwältin der Familie, Doris Hawelka, gegenüber Ö1. 

Man habe damit "endlich" eine Grundlage "um ein ordentliches rechtsstaatliches Verfahren" einzuleiten, so die Anwältin. Sollte es so weit kommen, sieht Hawelka auch gute Chancen: Andere EU-Länder würden auch Menschen aus den Camps zurückholen, die kurdischen "defacto Behörden" würden darum auch seit Jahren bitten. Und: Nur die Kinder zurückzuholen, würde gegen das Kindeswohl verstoßen. 

Das Außenministerium wollte sich gegenüber PULS 24 nicht zum laufenden Verfahren äußern. "Wir stehen selbstverständlich mit der Familie und der Anwältin weiterhin in Kontakt", hieß es nur. 

"Individuelle Einzelfallprüfung"

Eine Rückholung sei immer eine "individuelle Einzelfallprüfung", teilte das Ministerium allgemein mit. Man müsse zwischen der Schutzwürdigkeit der betreffenden Person, der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die Person und der Gefährlichkeit einer Rückholung für das österreichische Personal abwägen. 

"Die Wahrung des Kindeswohls hat für uns oberste Priorität. Es gilt, dass diese nicht gegen den Willen ihrer Mütter von diesen getrennt werden können", erklärte das Ministerium auf PULS 24 Anfrage außerdem. "Trotz der widrigen und schwierigen Umstände" versuche man, Staatsbürger:innen vor Ort "konsularischen Schutz vor Ort" zu geben. Man würde dafür auch mit Hilfsorganisationen zusammenarbeiten. Vier Minderjährige habe man aus Syrien bisher zurückgeholt.

Im Falle einer Rückkehr, betonte man im Ministerium, müssen IS-Anhänger:innen mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Gegen Maria G. liegt ein EU-Haftbefehl vor, sie würde in Österreich wohl vor Gericht landen. Laut Fahndungsaufruf steht die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Raum. Der Strafrahmen dafür liegt bei bis zu zehn Jahren Haft.

Das weiß die ehemalige IS-Anhängerin auch. Sie sei bereit, sich in Österreich einem Verfahren zu stellen. "Wenn das in Österreich Gesetz ist, dann muss sie sich dem Gesetz auch stellen, das ist für sie keine Frage", sagten ihre Eltern im Vorjahr im PULS 24 Interview. 

"Gesundheitlich nicht gut beieinander"

Maria G. war vor mittlerweile rund 10 Jahren, im Alter von 17, aus ihrem Elternhaus in Salzburg nach Syrien gereist, um im selbsternannten Kalifat des IS zu leben. Dort bekam sie auch ihre beiden Kinder, die nun fünf und sieben Jahre alt sind. Der Vater, ein ehemaliger IS-Kämpfer, ist tot. 

Seit 2019 - also seit rund fünf Jahren - lebt die Mutter mit ihren Kindern nun im von kurdischen Behörden verwalteten Lager Al-Roj. Ihre Großmutter sagte gegenüber Ö1: Die Kinder wissen gar nicht, was ein freies Leben ist. Alle drei seien "gesundheitlich nicht gut beieinander". Vor allem das jüngste Kind würde an Fieberkrämpfen und Unterernährung leiden. 

Laut einem Bericht der Organisation "Save the Children" aus dem Jahr 2022 lebten damals rund 7.000 Kinder aus 60 Nationen in den beiden Lagern Al-Hol und Al-Roj. Krankheiten und Gewalt sind weitverbreitet, und die Wasser-, Sanitär- und Gesundheitsversorgung sind schlecht. Nur 40 Prozent der Kinder in Al Hol erhalten eine Schulbildung, und 55 Prozent der Haushalte in Roj gaben an, Mädchen und Jungen unter elf Jahren würden teilweise zur Arbeit gezwungen. Im letzten Jahr starben 74 Kinder in Al Hol, darunter acht, die ermordet wurden, hieß es in einem Bericht aus dem Jahr 2021.

ribbon Zusammenfassung
  • Seit gut fünf Jahren sitzt die ehemalige IS-Anhängerin aus Salzburg, Maria G., in einem kurdischen Gefangenenlager in Syrien fest.
  • Das Außenministerium lehnte eine Rückholaktion bisher ab, doch die Familie bekommt durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nun eine neue Chance.
  • Laut einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts müsse das Ministerium von Alexander Schallenberg (ÖVP) nun aber erneut entscheiden und bis 20. Oktober einen Bescheid ausstellen.
  • Diesen könne man, sollte er negativ ausfallen, anfechten, so die Anwältin der Familie, Doris Hawelka, gegenüber Ö1.