Zuckeranteil in Limonaden seit dem Vorjahr nicht gesunken
Das Salzburger Institut überprüft seit 2010 jährlich im Zeitraum November bis Februar über 500 Getränke am österreichischen Markt auf ihren Zucker- und Süßstoffgehalt. Die aktuellen Ergebnisse des Getränke-Checks 2022 zeigen, dass der durchschnittliche Zuckergehalt im Vergleich zum Vorjahr erstmals seit 2012 nicht weiter gesunken ist, sondern bei sechs Gramm stagniert (6,06 g pro 100 ml, im Vorjahr: 6,01 g), wie Studienleiter Manuel Schätzer erläuterte.
"Es ist enorm wichtig, ein Bewusstsein für die potenziell hohe Zuckeraufnahme über Getränke zu schaffen, die enthaltenen Zuckermengen aufzuzeigen und die gesündere Wahl zur leichteren Wahl zu machen", so Schätzer. "Mit unserer Arbeit konnten wir in den vergangenen Jahren zeigen, dass eine positive Änderung im Sinne einer langsamen, aber stetigen Zuckerreduktion möglich ist."
Dass nun der Zuckergehalt stagniert, dafür nannte der Ernährungswissenschafter im APA-Gespräch vor allem zwei Gründe: Erstens sei der Zuckergehalt bei Getränken, die den SIPCAN-Kriterien noch nicht entsprechen, zu wenig gesenkt worden. Zweitens würden sich die Hersteller von Produkten aus dem Ausland, die in den letzten Jahren verstärkt in den österreichischen Markt gedrungen sind, noch zu wenig an diesen Kriterien orientieren.
Für eine gesündere Getränkewahl legte das Salzburger Institut Orientierungskriterien fest - in Anlehnung an die entsprechenden Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der D-A-CH-Referenzwerte für Nährstoffzufuhr. Diese lauten, dass Getränke maximal 6,7 Gramm Zucker pro 100 Milliliter (inklusive natürlich enthaltenem Zucker) und keine Süßstoffe enthalten sollen.
Der aktuelle Getränke-Check zeigt, dass 45 Prozent aller Getränke diese Kriterien immer noch nicht erfüllen, also zu süß sind oder Süßstoffe enthalten. Zudem ist der Anteil im Vergleich zum Vorjahr (42,4 Prozent) sogar etwas gestiegen. 12,1 Prozent aller Getränke fielen beim aktuellen Check durch, weil sie Süßstoffe enthalten (12,5 Prozent im Vorjahr).
Ein hoher Zuckeranteil in Getränken wird von Ernährungswissenschaftern auch mit einem höheren Risiko für Adipositas in Verbindung gebracht. "Die vergangenen beiden Jahre der Corona-Pandemie haben uns vieles gelehrt und einiges verändert. Leider auch, dass Übergewicht beziehungsweise Adipositas als Risikofaktoren für zahlreiche Folgeerkrankungen und gerade auch für einen schweren Covid-19-Erkrankungsverlauf noch ernst zu nehmender sind", heißt es in der aktuellen Studie.
Eine internationale Studie aus dem ersten Coronajahr 2020 ergab, dass Menschen im Lockdown zu mehr frittierten und süßen Lebensmitteln greifen, vor allem Jugendliche im Alter von zehn bis 19 Jahren. Die Wissenschafter des Salzburger Instituts äußerten sich besorgt darüber, dass gerade während der Pandemie der Anteil der übergewichtigen Menschen gestiegen ist. Aktuellen Daten von über 190.000 Kindern und Jugendlichen aus den USA zufolge seien besonders die Fünf- bis Elfjährigen betroffen. "So sind darunter bereits 45,7 Prozent übergewichtig oder adipös, während es vor der Pandemie noch 36,2 Prozent waren."
Eine Erhebung der BMI-Daten an Kärntner Volksschulen bestätige dies auch für Österreich, allerdings auf niedrigerem Niveau: "Waren im Herbst 2019 noch 15 Prozent der sieben- bis zehnjährigen Mädchen übergewichtig oder adipös, so lag der Anteil nach einem Jahr Pandemie bereits bei 19,6 Prozent." Noch stärker sind die Buben betroffen, ihr Anteil stieg von 15,4 auf 21,3 Prozent. Als Ursachen dafür werden die geänderten Lebensumstände durch die Pandemie verantwortlich gemacht: reduzierte körperliche Aktivität und vermehrt sitzendes Verhalten in Kombination mit einer ungünstigen Ernährung.
In Getränken kann der Mensch in kürzester Zeit eine große Menge an Zucker aufnehmen. Ein Viertel-Liter-Glas Limonade enthält im Durchschnitt knapp sieben Stück Würfelzucker und damit schon rund die Hälfte des täglich empfohlenen Höchstwertes. Dieser wurde von der WHO für einen durchschnittlichen Erwachsenen mit 50 Gramm (etwa zehn Teelöffel) freiem Zucker angegeben. Darin beinhaltet ist auch jener Zucker, der natürlich in Honig, Sirup oder in Fruchtsäften vorkommt.
Zuckerreiche Getränke gelten laut der WHO als eine der Hauptursachen für die Entstehung von Übergewicht, Adipositas und Diabetes-Typ-2. "Eine Übersichtsarbeit über die Studienlage, bei der SIPCAN beteiligt war, zeigte, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen dem Konsum von mit Zucker gesüßten Getränken und Übergewicht gibt", erklärte SIPCAN-Vorstand Friedrich Hoppichler. Er ist auch ärztlicher Direktor und Internist am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg.
Das Kriterium "keine Süßstoffe" wurde deshalb festgelegt, weil aus Sicht der Experten der Ersatz von Zucker durch Süßstoffe keine zufriedenstellende Lösung ist. "In einer aktuellen Studie mit über 100.000 Erwachsenen konnte gerade der lange vermutete Zusammenhang zwischen Süßstoffkonsum und einem erhöhten Tumorrisiko bestätigt werden. Ziel ist außerdem, dass sich Konsumentinnen und Konsumenten langfristig an weniger Süße gewöhnen. Und dies gelingt nicht mit Süßstoffen statt Zucker", warnte Hoppichler.
Der Mediziner appellierte an die Getränkeproduzenten, weiter an einer Zuckerreduktion zu arbeiten, aber auch an die Konsumentinnen und Konsumenten, ihre Getränke bewusst auf Nährwerte und Zutaten zu checken. "Greifen Sie zunehmend zu Getränken mit weniger Süße und achten Sie bei süßeren Getränken ganz gezielt auf eine moderate Portionsgröße." Bei neuartigen Produkten, bei denen Wasser durch Zugabe einer Mischung aus Vitaminen, Mineralstoffen, Aromen und auch Süßstoffen in ein "funktionales Getränk" verwandelt werden, sollte die Zutatenlisten besonders genau gelesen werden, um Süßstoffe wie Aspartam, Cyclamat, Sucralose und Co. aufzuspüren.
(S E R V I C E - Alle Infos zum Getränke-Check auf www.sipcan.at/zuckerreduktion.)
Zusammenfassung
- Ernährungsexperten schlagen Alarm: Der Zuckergehalt in Limonaden in Österreich ist seit rund zehn Jahren zwar um knapp 20 Prozent gesunken, doch jetzt stagniert die Zuckerreduktion.
- 45 Prozent aller Getränke erfüllen die WHO-Kriterien nicht: Sie sind zu süß, der Zuckeranteil ist im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht gestiegen.
- 12,1 Prozent aller Getränke fielen beim aktuellen Check durch, weil sie Süßstoffe enthalten.