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Protestbewegung

Derwisch bis Hunde: Die bunten Proteste in der Türkei

24. März 2025 · Lesedauer 4 min

Der Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu ist vorübergehend abgesetzt worden und sitzt seit Sonntag in U-Haft. İmamoğlus Festnahme hat die größten Straßenproteste in der Türkei seit mehr als zehn Jahren ausgelöst. Hunderttausende möchten ihre Demokratie verteidigen - zumindest, was noch davon übrig ist.

Die türkischen Behörden hatten vergangene Woche am Mittwoch, Ekrem İmamoğlu, den wichtigsten politischen Gegner von Langzeit-Präsident Recep Tayyip Erdoğan festgenommen. İmamoğlu wird unter anderem Korruption und Unterstützung einer Terrorgruppe vorgeworfen. Kritiker werfen der Regierung vor, unter einem Vorwand einen Rivalen ausschalten zu wollen.

Sei Sonntag sitzt er in U-Haft. İmamoğlu ist zudem als Istanbuler Bürgermeister "vorübergehend" abgesetzt worden, wie das türkische Innenministerium am Sonntag mitteilte. Seine Festnahme löste eine große Protestwelle in der Türkei aus.

Es folgten Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und Polizei mit Wasserwerfer und Tränengas sowie Hunderte Verhaftungen und Social-Media-Einschränkungen.

Derwisch mit Gasmaske

Besondere Aufmerksamkeit zog ein Derwisch auf sich, der in traditionellem Gewand und mit Gasmaske dem Polizeiaufgebot trotzte und Pfefferspray über sich ergehen ließ.

Derwische sind Anhänger einer mystischen Auslegung des Islam und für ihre meditativen Tänze bekannt. Sie tragen traditionell hohe Mützen und weite Kleidung.

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"Recht, Gesetz, Gerechtigkeit"

Trotz Versammlungsverboten in vielen Städten fanden am Sonntag die fünfte Nacht in Folge Proteste für den inhaftierten Istanbuler Bürgermeister İmamoğlu und gegen die Regierung statt. "Recht, Gesetz, Gerechtigkeit", rufen Tausende Menschen auf den Straßen, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, aus dem Fenster ihrer Wohnungen. 

Aufnahmen auf Social Media zeigen zudem, wie Tausende Demonstrierende mit regierungskritischen Parolen die AKP-Regierung zum Rücktritt auffordern. Viele Protestteilnehmer:innen schwenken Flaggen und bunte Plakate, auf denen gegen die AKP gerichtete Slogans zu lesen waren.

Darunter etwa wie: "Der Diktator wird sich dem Volk verantworten" oder "Wer den Präsidenten des Volkes inhaftiert, dem wird nicht verziehen". Mit Präsident des Volkes ist in diesem Kontext İmamoğlu gemeint. 

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Durch seine volksnahe Art und seine Fähigkeit, Menschen zu mobilisieren, konnte İmamoğlu bis heute eine breite Wählerschaft für sich gewinnen. Das zeigt sich bei den aktuellen Protesten einmal mehr. 

Vierbeiner zeigen Solidarität

Bei den Protesten sind nicht nur Studierende oder ältere Personen vertreten, sondern auch Vierbeiner, die sich den demonstrierenden Menschenmassen anschließen.

Auf Social Media gibt es zahlreiche Aufnahmen von Straßenhunden, die Demonstrierende in den verschiedensten Städten der Türkei bei ihrem Protestmarsch mit begleiten. Innerhalb kürzester Zeit gingen diese Aufnahmen viral.

Neun Jorunalist:innen festgenommen

Während die Proteste andauern und Medien ohnehin nur eingeschränkt über die Geschehnisse im Land informieren können, wurden nach Angaben der Journalistengewerkschaft neun Journalist:innen festgenommen.

Darunter sei auch ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP, teilte die Gewerkschaft in einem Beitrag auf der Online-Plattform X am Montag mit. Der Grund für die Festnahme der Journalist:innen war zunächst unklar. Sie hatten über die nächtlichen Proteste in mehreren Städten berichtet.

Regierung weist Vorwürfe zurück

Oppositionelle wie auch Beobachter:innen werfen der Regierung vor, mit ihrem Vorgehen gegen İmamoğlu einen politischen Konkurrenten ausschalten zu wollen. Erdoğan tat in seiner ersten Stellungnahme vergangene Woche Kritik der Opposition an der Festnahme als "übertriebene Reaktion" ab.

"Wir haben weder Zeit für sinnlose Debatten zu verschwenden, noch Unmengen an Geld, mit denen wir leichtfertig umgehen können", sagte Erdoğan am Donnerstag in einer Ansprache in Ankara.

Die Regierung weist die Vorwürfe zurück und warnt davor, Erdoğan mit İmamoğlus Festnahme in Verbindung zu bringen. Das sei der "Gipfel politischer Unvernunft", sagte AKP-Sprecher Ömer Celik.

Zusammenfassung
  • Der Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu, Mitglied der sozialdemokratischen CHP ist vorübergehend abgesetzt worden und sitzt seit Sonntag in U-Haft.
  • İmamoğlus Festnahme hat die größten Straßenproteste in der Türkei seit mehr als zehn Jahren ausgelöst.
  • Hunderttausende möchten ihre Demokratie verteidigen - zumindest, was noch davon übrig ist.