APA/APA/Russian Emergencies Ministry/HANDOUT

Russland kämpft nach Tankerunglück gegen Ölkatastrophe

Seit mehr als einem Monat sind an Russlands Schwarzmeerküste Tausende freiwillige Helfer im Einsatz. Sie versuchen, die Folgen eines Tankerunglücks zu beseitigen, das als eine der schwersten Umweltkatastrophen der jüngeren Geschichte Russlands gilt. Mitte Dezember waren bei schwerer See in der Meerenge von Kertsch zwischen dem russischen Festland und der von Moskau annektierten Halbinsel Krim gleich zwei Öltanker in Seenot geraten und gekentert.

Beide Schiffe sind weit über 40 Jahre alt. Die veraltete russische Tankerflotte hat auch international immer wieder die Besorgnis ausgelöst, dass es zu solchen Katastrophen kommen könnte.

Beim Unglück im Schwarzen Meer blieben die Behörden zunächst tatenlos - auch Kremlchef Wladimir Putin erklärte noch Tage später bei seiner großen Fernsehaudienz, die Lage dort sei unter Kontrolle. Dabei sind Schätzungen nach 3.750 Tonnen Schweröl ins Meer gelaufen. Es dauerte Tage, bis er den Behörden dann doch Dampf machte.

Erst als Anrainer die Teerklumpen am Strand von Anapa sichteten - wegen seiner weißen Sandstrände eigentlich ein vor allem bei russischen Kindern und Familien beliebter Badeort - bestätigte der Gouverneur der Region Krasnodar, Wenjamin Kondratjew, die Verschmutzung. Erste Einsatzkommandos rückten an.

Doch lange Zeit trugen freiwillige Helfer die größte Last bei der Beseitigung der Ölkatastrophe. Sie haben die Strände gesäubert und Tausende verschmutzter Vögel gerettet. Als nach drei Wochen die schwerfällige russische Bürokratie immer noch nicht richtig in die Gänge gekommen war, schimpfte Putin sogar, die Beamten sollten sich gefälligst ein Beispiel nehmen an den Freiwilligen.

Doch deren Einsatz ist nicht ungefährlich: Zuletzt haben rund 150 Helfer mit Vergiftungserscheinungen um ärztliche Hilfe gebeten. Trotz der Schutzkleidung, in der sie arbeiteten, litten sie unter Kopfschmerzen, Husten und Erbrechen. Drei von ihnen mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Der als Heizöl genutzte Brennstoff gilt als stark gesundheitsgefährdend und enthält auch krebserregende Stoffe.

Nach Angaben des regionalen Medienportals "93.ru" ist ein 17-jähriger Helfer gestorben. Die Familie sieht die Ölpest als Grund. Offiziell dementieren die Behörden einen Zusammenhang. Der Vizechef der russischen Bildungsakademie Gennadi Onischtschenko - einst auch als Oberster Amtsarzt in Russland aktiv - erklärte, der Jugendliche müsse an Erschöpfung gestorben sein. Wegen der tiefen Temperaturen könne das Schweröl keine giftigen Dämpfe ausstoßen, behauptete er.

Der Kreml sieht die Gefahr hingegen schon. "Tatsächlich gibt es Ausdünstungen", räumte Kremlsprecher Dmitri Peskow ein. Die Freiwilligen, die dort arbeiteten, bekämen aber die nötige medizinische Versorgung, versicherte er.

Die Behörden planen indes schon für den Sommer. Dann sollen wieder Millionen Urlauber an die Schwarzmeerküste kommen. Die Ämter spielen die Folgen des Unglücks so teilweise herunter. Die Verbraucherschutzbehörde erklärte, es gebe keine Abweichungen bei der Qualität des Trinkwassers und der Luft durch das Unglück - auch die Fische im Schwarzen Meer seien unbedenklich zu genießen. Das soll Ängste nehmen.

Mehrfach meldeten Beamte, dass die Wracks sicher abgeriegelt seien und kein weiteres Öl entweiche. Anschließend fanden Ökologen weitere ungesicherte Lecks.

Schon wenige Tage nach dem Unglück prognostizierte Gouverneur Kondratjew optimistisch, die Folgen des Unglücks seien "in einem Monat" behoben. Der ist schon um - und immer noch werden praktisch täglich neue zähflüssige schwarze Klumpen an Land gespült. Inzwischen sind Ölflecken sogar bis vor die gegenüberliegende Halbinsel Krim getrieben. Dort und in Krasnodar wurde der Notstand ausgerufen.

Es ist noch viel Schweröl im Wasser und vergiftet weiter die Meeresbewohner. Die Umweltschutzorganisation Delfa aus Krasnodar hat inzwischen 60 tote Delfine nach dem Tankerunglück gefunden. Auch auf der Krim wurden mehr als 30 tote Delfine angespült.

Er gehe davon aus, dass in den kommenden zwei Jahren immer wieder Schweröl an die Küsten des Schwarzen und Asowschen Meeres angetrieben werde, sagte der Umweltschützer Georgi Kawanosjan russischen Medien. "Ich erwarte, dass die Kohlenwasserstoffkonzentration erst 2027 auf die maximal zulässigen Werte sinkt und für eine vollständige Reinigung, die die Bakterien übernehmen, sind mindestens zehn Jahre nötig."

Immerhin können Spezialisten nun mit dem Abpumpen des Heizöls aus einem der beiden verunglückten Tanker beginnen. Während ein Schiff bei dem Sturm damals in zwei Teile zerbrach und unterging, driftete das andere auf eine Sandbank gut 80 Meter vom Ufer entfernt.

Das erleichtert nun die Säuberungsarbeiten bei diesem Tanker. Mit schwerer Technik wurde eine Behelfszufahrt zur Sandbank aufgeschüttet. Das Heizöl wird erwärmt, damit es abgepumpt werden kann. So soll ein weiteres Auslaufen verhindert werden. Im Wrack werden immerhin noch mehr als 1.000 Tonnen Heizöl vermutet. Nach Planungen des Seenotrettungsdienstes sollen die Arbeiten bis Ende Jänner beendet sein. Wie das zweite Schiff gesichert wird, ist noch unklar.

ribbon Zusammenfassung
  • An Russlands Schwarzmeerküste kämpfen seit einem Monat Tausende freiwillige Helfer gegen die Folgen eines Tankerunglücks, bei dem 3.750 Tonnen Schweröl ins Meer gelangten.
  • Die Behörden reagierten zunächst zögerlich, während Freiwillige die Hauptlast der Säuberung trugen und dabei 150 Helfer unter Vergiftungserscheinungen litten.
  • Ein 17-jähriger Helfer starb, doch die Behörden dementieren einen Zusammenhang mit der Ölpest.
  • Ölflecken erreichten die Halbinsel Krim, und der Notstand wurde ausgerufen, während die Behörden die Auswirkungen herunterspielen.
  • Experten erwarten, dass die Küstenreinigung Jahre dauern wird, wobei die Kohlenwasserstoffkonzentration erst 2027 sinken könnte.