Zug im Schnee-ChaosAPA/EXPA/JFK

ÖBB-Kundenservice: Der geheime Ort hinter der 051717 

Niemand soll wissen, wo jene Mitarbeiter:innen der ÖBB sitzen, die Ihre Fragen, Beschwerden und Wünsche entgegennehmen. PULS 24 konnte dennoch einen Blick hinter die Kulissen werfen. 2,6 Millionen Kundenkontakte werden hier im Jahr bearbeitet - darunter auch skurrile Anfragen. Unter anderem geht es um Pferdesperma.

Keiner soll wissen, wo das ÖBB-Kundenservice sitzt. Von außen ist das Großraumbüro in einem grauen, etwas in die Jahre gekommenen Bürogebäude in Wien nicht zu erkennen. 

Schließlich sollen Anfragen, Beschwerden oder Anregungen via Kontaktformular, Telefon oder Chat Bot beantwortet werden. Direkte Beratung gibt es nur an den großen Hauptbahnhöfen Graz, Innsbruck, Linz, Salzburg, Villach und Wien. 

PULS 24 konnte dennoch ein Blick auf das andere Ende der Leitung hinter der berühmten Telefonnummer 05 1717 werfen, wo rund 240 Mitarbeiter:innen an Tasten und Hörern rund um die Uhr, selbst an Wochenenden, Anfragen, Beschwerden oder Anregungen entgegennehmen. 

Einer von ihnen ist Flo. Er arbeitet hier seit 11 Jahren. "Ich bin Mädchen für alles und das ist gut so", beschreibt er seinen Job. Und tatsächlich: Es wirkt, als könnte er die Fahrplanauskunft Scotty im Schlaf bedienen und die meisten Tarife sowie Strecken auswendig.

"ÖBB-Kundenservice, Guten Tag"

Vor ihm stehen zwei Bildschirme, auf denen er einen Anruf nach dem anderen, fast ohne Pause dazwischen, entgegennimmt. "ÖBB-Kundenservice, Guten Tag", spult er seine Begrüßung ab. Ein junger Mann will wissen, ob man eine abgelaufene Vorteilscard wieder aktivieren und ob man ein Papierticket in die App laden kann.

Flo, Mitarbeiter vom ÖBB-KundenservicePULS 24 / Konstantin Auer

Flo, Mitarbeiter vom ÖBB-Kundenservice

Eine Lehrerin will etwas zu den Schulcards wissen, ein anderer hat einen Autozug mit Schlafwagen von Wien nach Feldkirch am falschen Datum gebucht. Er hat Glück: Am gewünschten Tag ist der Zug sogar billiger. Flo bucht um.

Nur einmal muss der Call Center-Agent während eines Anrufs aufstehen und nachfragen gehen. Die Kundin, die während der Wartezeit Musik hört, wollte wissen, wie man für den Thermenlandbus von Wien in die Steiermark einen Rollstuhlplatz bucht. Anfragen zum Thermenlandbus sind nicht alltäglich und für barrierefreies Reisen gibt es unter der 05 1717 5 eigentlich eine eigene Durchwahl. Flo leitet die Frage der Dame an die richtige Stelle weiter.

"Wir sind auch nur Menschen"

Die meisten Anfragen drehen sich beim PULS 24 Besuch im Call Center um Nightjet-Reisen, die gar nicht in Österreich stattfinden, aber von den ÖBB betrieben werden. Es geht um Verbindungen zwischen Basel und Bremen oder zwischen Zürich und Berlin.

Im Kundenservice werden aber selbst Fragen zu Postbus-Verbindungen, diversen Lokalbahnen, Anfragen an die Austro-Control bezüglich Drohnen - und nach einem Gerichtsentscheid auch zur Westbahn - beantwortet. "Der Kunde muss bei uns richtig sein", meint Flo - das gelte selbst für Schwarzfahrer:innen, die ihm meist erzählen, sie seien es ja gar nicht gewesen. 

Die meisten Kund:innen sind an diesem Tag höflich und bedanken sich. Doch das ist nicht immer so, meint Flo. Wenn jemand in Paris steht und der Nightjet ausfällt, wird bei ihm schon mal Frust abgelassen. "Wir sind auch nur Menschen", bittet der Angestellte um Verständnis. 

Er betont aber: "Ich bin nicht auf den Mund gefallen". Manchmal müsse er Kund:innen "erziehen". Sollte jemand von Anfang an losschreien, lege er auf. 

Das sind die skurrilsten Anfragen

Manche Anfragen bringen die rund 240 Mitarbeiter:innen im Kundenservice aber auch zum Lachen, wie der internen Zeitschrift zu entnehmen ist, die das Team immer um die Weihnachtszeit gestaltet. Darin werden die skurrilsten Anfragen gesammelt:

  • "Gibt es noch einen anderen Hauptbahnhof in Graz?"
  • "Kann ich Pferdesperma mit dem Zug nach Villach schicken?"
  • "Gibt es einen Schlafwagen von Krems nach Wien?"
  • "Warum gilt die Österreichcard nicht in Deutschland?"
  • "Kann man täglich von Linz nach Wels fahren?"

"Es gibt keine falschen Fragen", meint dazu Robert Sluka, Leiter der ÖBB Customer Care. Er betont aber, dass "80 bis 90 Prozent" reine Infosuchende seien.

8 Millionen ÖBB-CEOs

Das Positive überwiege, man bekomme sogar Geschenke ins Postfach geschickt. Negativ wirke sich der Vollmond aus - da seien mehr aggressive Anrufer:innen dabei. Wenn Züge nach Erdrutschen oder Schneefall ausfallen, seien die meisten überraschend verständnisvoll. Auf Social Media erhalte man "mehr Lovestorms als Shitstorms".

Leitung des ÖBB-KundenservicesÖBB

Robert Sluka (Leiter Customer Care), Holger Blumör (Leiter ÖBB-Kundenservice), Christian Stubits (Leiter Digitale Transformation)

Holger Blumör, dem Leiter des ÖBB-Kundenservices, ist aber bewusst, dass Bahnfahren "ein emotionales Thema" sei. Im Fußball gebe es acht Millionen Teamchefs und die ÖBB hätten eben acht Millionen CEOs, scherzt er.

Kundenservice in Zahlen

2,6 Millionen Kundenkontakte hat sein Team im Jahr, davon finden 1,4 Millionen via Telefon statt, 670.000 Anfragen werden schriftlich beantwortet, 100.000 erledigen Chat Bots - also technische Dialogsysteme. 99 Prozent der Anfragen können laut Sluka beim Erstkontakt gelöst werden - der Rest werde an Fachabteilungen oder ausländische Bahnunternehmen weitergeleitet. Bis zu einem Betrag von 150 Euro dürfen die Agents im Call Center selbst entscheiden, ob retourniert oder gutgeschrieben wird. 

Auf eine Zahl ist man hier besonders stolz: Hinter Flos Platz im insgesamt 2.400 Quadratmeter großen Büro, das sich über zwei Gebäude und vier Stockwerke erstreckt, hängt eine Art digitale Uhr: 80 Prozent der Anrufe werden im Moment innerhalb von 20 Sekunden entgegengenommen. 

Diesen Schnitt könne man meistens halten, meint Sluka. Nur, wenn isländische Vulkane mit ihrer Asche den Flugverkehr in Europa oder Schnee oder Streiks bestimmte Strecken lahmlegen, komme es zu viel längeren Wartezeiten. Seit 2017 habe man aber eine virtuelle Warteschleife und einen Rückrufservice.

Ungewöhnliche Stille

Für ein Großraumbüro, in dem alle telefonieren, ist es beim ÖBB-Kundenservice ungewöhnlich still. Teppichboden und große Fahnen mit Flaggen europäischer Länder dämpfen den Schall. In der Mitte des Raumes sorgt ein Aquarium für entspannte Atmosphäre. Dass der Job stressig und anspruchsvoll sein kann, bestätigen hier dennoch alle. Nach 50 Minuten am Telefon, macht man 10 Minuten Pause.

Im Schnitt bleibt ein Mitarbeiter vier Jahre im Call Center. Das sei für die Branche recht lange, sagt Sluka. Viele wechseln danach aber in andere Abteilungen der ÖBB - schließlich kennen sie das Unternehmen, wie kaum jemand. Nach 11 Jahren spekuliert darauf auch Flo. 

ribbon Zusammenfassung
  • Niemand soll wissen, wo jene Mitarbeiter:innen der ÖBB sitzen, die Ihre Fragen, Beschwerden und Wünsche entgegennehmen.
  • PULS 24 konnte dennoch einen Blick hinter die Kulissen werfen. 2,6 Millionen Kundenkontakte werden hier im Jahr bearbeitet - darunter auch skurrile Anfragen.
  • Unter anderem geht es um Pferdesperma.