Nordsee: Frachter kollidiert, Vier Seeleute vermisst
Gegen 5.00 Uhr am Dienstagmorgen sollen nach Angaben der Behörde die Frachtschiffe "Polesie" und "Verity" in der Deutschen Bucht zusammengestoßen sein. Die "Polesie" hatte 22 Menschen an Bord, auf der gesunkenen "Verity" dürften sich sieben Menschen befunden haben.
Der Unfall ereignete sich demnach rund 22 Kilometer südwestlich der Hochseeinsel Helgoland und 31 Kilometer nordöstlich der ostfriesischen Insel Langeoog.
Ein Seemann wurde nur noch tot geborgen, zwei weitere seien gerettet, sagte der Sprecher der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, Christian Stipeldey.
Schlechtes Wetter erschwert Suchaktion
Stipeldey betonte, die Suche nach den Vermissten werde nicht eingestellt, solange es noch eine Chance gebe, Überlebende zu finden. Allerdings wisse niemand, wie die Seeleute ausgerüstet seien. Immer wieder aber würden Menschen auch nach längerer Zeit lebend in kaltem Wasser gefunden.
Sechs Seenotrettungskreuzer der Gesellschaft sind den Angaben des Sprechers zufolge im Einsatz, zudem zahlreiche weitere Behördenschiffe und Hubschrauber. "Wir haben im Seegebiet verhältnismäßig herausfordernde Wetterbedingungen", sagte Stipeldey. An den Unglücksstellen herrschten Windstärke sechs und ein Wellengang bis zu drei Metern. Die Wassertemperatur beträgt zwölf Grad.
Taucher suchen Schiffswrack ab
Am Nachmittag wurde bekannt gegeben, dass auch Taucher zu dem gesunkenen Schiff losgeschickt werden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Vermisste in dem Wrack eingeschlossen sein könnten, sagte Renner. Es gebe am Dienstagnachmittag nur ein kurzes Zeitfenster für die Aktion im sogenannten Stauwasser zwischen Ebbe und Flut. Der Frachter "Verity" liege in einer Tiefe von etwa 30 Metern.
Der andere Frachter, die "Polesie", sei dagegen schwimmfähig. Wie groß das Schadensbild genau ist und ob möglicherweise Ladung in die Nordsee gelangte, war zunächst unklar. Ein Mehrzweckschiff, das beispielsweise Treibstoffe vom Wasser aufnehmen könne, sei an der Unfallstelle. Die "Verity" habe rund 1.300 Kubikmeter Dieseltreibstoff geladen. Rettungskräfte warnten vor möglichen Umweltgefahren.
Die unter der Flagge Großbritanniens fahrende 91 Meter lange "Verity" war laut dem Havariekommando auf dem Weg von Bremen nach Immingham, einem Hafen an der englischen Nordseeküste. Das 2001 in den Niederlanden gebaute Schiff hat auf der Isle of Man seinen Heimathafen. Es gehört zu der britisch-niederländischen Reederei Faversham Ships.
Der Frachter "Polesie" gehört zur polnischen Reederei Polsteam Group, die ihren Sitz in Stettin (Szczecin) hat. Dieses Schiff ist 190 Meter lang und 28,5 Meter breit - also deutlich größer als die "Verity". Es wurde 2009 in China gebaut und fährt unter der Flagge der Bahamas. Es war seit Montagabend auf dem Weg von Hamburg nach La Coruña in Nordwest-Spanien. Ob und was die Frachter geladen hatten, war zunächst nicht bekannt.
Geringe Sicht wegen Wetter
An der Küste war das Wetter am Dienstagmorgen diesig, die Sichtweite etwa von den Ostfriesischen Inseln auf die Nordsee gering. Laut dem Havariekommando herrschten in dem Seegebiet an der Unglücksstelle Windstärke sechs und Wellengang mit bis zu drei Metern.
An der Suche beteiligen sich zahlreiche Schiffe, darunter die Seenotrettungskreuzer der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS): "Hermann Marwede" von Helgoland und die "Bernhard Gruben" aus dem friesischen Hooksiel. Auch der Notschlepper "Nordic" und der Lotsentender "Wangerooge" sind im Einsatz, ebenso die Wasserschutzpolizei mit einem Schiff.
Die Deutsche Marine beteiligte sich mit einem SAR-Rettungshubschrauber. Weitere Schiffe der Seenotretter, der Wasserschutzpolizei und Behörden waren am Dienstagmorgen auf dem Weg zur Unglücksstelle.
Das Havariekommando ließ das Seegebiet von einem Sensorflugzeug überfliegen, um nähere Erkenntnisse zu bekommen. Auch das Kreuzfahrtschiff "Iona" der Reederei P&O Cruises, das nahe der Unglücksstelle unterwegs war, unterstütze laut dem Havariekommando die Suche. Dort könnten Schiffbrüchige auch medizinisch versorgt werden - an Bord befinden sich mehrere Ärzte, hieß es. Weiteres medizinisches Personal wollen die Rettungskräfte per Helikopter zur Unglücksstelle bringen.
Deutsche Behörden leiten Einsatz
Das Havariekommando in Cuxhaven übernahm die Gesamteinsatzleitung. Die Behörde ist in Deutschland für die maritime Notfallvorsorge und das Unfallmanagement auf Nord- und Ostsee zuständig. Es ist eine gemeinsame Einrichtung des Bundes und der fünf norddeutschen Bundesländer. Bei Unfällen auf der Nord- und Ostsee plant und organisiert es Hilfe etwa für Verletzte, bei Verunreinigungen durch Schadstoffe und bei Bränden.
Das Unglück auf der Nordsee ereignete sich fast auf den Tag genau 25 Jahre nach einem der größten Schiffsunglücke in der deutschen Geschichte. Am 25. Oktober 1998 war der italienische Holzfrachter "Pallas" auf dem Weg von Schweden nach Marokko, als die Holzladung vor der dänischen Nordseeküste in Brand geriet. Das Schiff trieb führerlos in deutsche Gewässer und strandete vor der Insel Amrum. Es kam zu einer großen Ölverschmutzung, in deren Folge viele Vögel starben.
Zusammenfassung
- In den frühen Morgenstunden kam es in der Nordsee vor der deutschen Küste zur Kollision zweier Frachter. Einer davon soll gesunken sein.
- Rettungskräfte suchen fieberhaft nach mehreren Vermissten.
- Bisher konnte ein Mensch aus dem Meer gerettet werden. Wieviele Menschen über Brod gingen ist bisher unklar.
- Zahlreiche Schiffe seien dazu im Einsatz, teilte das zuständige Havariekommando in Cuxhaven mit.
- Weitere Schiffe der Seenotretter, der Wasserschutzpolizei und Behörden waren am Dienstagmorgen auf dem Weg zur Unglücksstelle.