Karl Mahrer auf der Mariahilfer StraßeSilvio Heinze / Twitter

Mahrer rief Polizei, aber Mittagsschlaferl ist nicht strafbar

ÖVP-Wien Chef Karl Mahrer wurde dabei beobachtet, wie er wegen eines auf einer Bank schlafenden Mannes die Polizei rief. Die ÖVP erklärt die Mariahilfer Straße zu einer entstehenden "Unsicherheitszone". Was sagen Polizei und Sozialeinrichtungen dazu?

Zuerst am Brunnenmarkt, dann am Viktor-Adler-Markt, nun auf der Mariahilfer Straße. Die ÖVP-Wien sieht auch in Österreichs wohl bekanntester Einkaufsstraße eine "Unsicherheitszone" entstehen. 

Deswegen wollte ÖVP-Wien-Chef Karl Mahrer dort am Donnerstag ein weiteres Video drehen - und wurde dabei beobachtet. Und zwar von einem Grünen-Bezirksrat, der gesehen haben will, dass sich Mahrer von seinem Team dabei filmen ließ, wie er wegen eines auf einer Bank schlafenden Mannes die Polizei verständigte. 

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Die Polizei rückte nach dem Anruf tatsächlich gegen 15 Uhr aus, wie sie am Freitag auf PULS 24 Anfrage bestätigte: "Eine Funkwagenbesatzung wurde von der Landesleitzentrale in die Mariahilfer Straße geschickt. Der Einsatz war jedoch sehr schnell wieder beendet, da der Mann nach einem kurzen Gespräch mit den Beamten die Örtlichkeit freiwillig verließ". Es sei "kein Fall für eine erste allgemeine Hilfeleistung" gewesen, teilte die Polizei mit und der Mann hätte den Ort auch nicht verlassen müssen, denn: "Ein Mittagsschlaferl ist kein strafbares Verhalten". 

In den sozialen Medien, bei Bezirks- und Stadtregierung stieß Mahrers Vorgehen auf harsche Kritik. Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) empfahl Mahrer am Freitag etwa, sich intensiver mit den Problemen wohnungsloser Menschen zu beschäftigen und sich "gleich nützlich" zu machen.

Er lud den Wiener ÖVP-Chef ein, einen Tag lang in einer entsprechenden Betreuungs-Einrichtung ehrenamtlich tätig zu sein. "Das hilft sicher mehr, als die Polizei mit einem Mittagsschlaf zu beschäftigen". "Gerade er muss aber wissen, wie es um die Ressourcen der Polizei in Wien bestellt ist", richtete der Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien, Ewald Lochner, aus.

ÖVP zeichnet dystopisches Bild

Die ÖVP-Wien wiederum schickte gleich zwei Presseaussendungen aus, in denen man ein nahezu dystopisches Bild von der Mariahilfer Straße zeichnete. Von "Alkohol und Gewalt" ist die Rede, von "Wohnsitzlosen aus anderen EU-Staaten", die auf der Einkaufsstraße "campieren" würden. Man beobachte auch "exzessiven Konsum von Alkohol und Drogen im öffentlichen Raum". 

Laut Gerhard Hammerer, Bezirksparteiobmann der ÖVP-Mariahilf, und Christina Schlosser, Obfrau der ÖVP-Neubau, habe "die Sozialarbeit im Sinne aller offensichtlich vollkommen versagt". Notschlafstellen oder traditionelle Sozialhilfe würden nicht helfen, teilten sie in einer Aussendung mit. Sie fordern von den Bezirken, die Vorsteher von SPÖ und Grünen haben, "Lösungen". Selbst schlugen sie aber keine vor. 

Karl Mahrer versuchte, sich in einer anderen Aussendung zu erklären: Der Mann auf der Bank sei "sichtbar ein Obdachloser" gewesen, "der bei hohen Temperaturen, so wie viele andere Wohnsitzlosen auf der Mariahilfer Straße, einen eingeschränkten Eindruck gemacht hat, der dringend abgeklärt werden sollte". "Nur die Polizei ist geschult, hier die absolut korrekten weiteren Schritte zu setzen. Die Entscheidung, ob hier die Sozialhilfe, eine Obdachlosenunterkunft oder eine medizinische Betreuung notwendig wird, trifft die Polizei", wird Mahrer zitiert. 

Aber wie sehen das Polizei und Sozialeinrichtungen? Dass "nur" die Polizei zuständig sei, ist freilich falsch. "Es handelt sich zweifellos um eine interdisziplinäre Thematik", heißt es von der Landespolizeidirektion auf PULS 24 Nachfrage.

Ob es richtig oder falsch sei, die Polizei wegen eines auf einer Bank schlafenden Menschen zu rufen, sei "pauschal nicht zu beantworten", es komme "immer auf den Einzelfall an". Grundsätzlich gelte aber immer das Credo: "Besser einmal zu viel anrufen, als einmal zu wenig"

Zivilcourage sei "gut und wichtig", betont die Polizei. Man verstehe aber auch Bedenken, "die Person anzusprechen und nachzufragen". Grundsätzlich sei für gesundheitliche Notfälle aber "144 der richtige Notruf und Ansprechpartner", heißt es. Die Polizei sei für "Gefahrenerforschung oder Gefahrenabwehr" zuständig, bei gesundheitlichen Notfällen würde man Erste Hilfe leisten, aber eben auch die Rettung verständigen. 

Hacker zu Mahrer: "Peinlich, peinlich, peinlich"

Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) reagiert im PULS 24 Interview auf den Vorfall.

Der Grüne Bezirksrat, der Mahrer beim Video-Dreh beobachtete, war just unterwegs zu einem Gespräch mit den Bezirksvorstehern Markus Reiter (Grüne, Neubau) und Markus Rumelhart (SPÖ, Mariahilf). In dem Gespräch sollte es darum gehen, wie man sozialen Härtefällen helfen könne. 

Auch vom Fonds Soziales Wien (FSW) hieß es am Freitag auf PULS 24 Anfrage, dass derzeit "Gespräche mit den Bezirken und Sozialorganisationen" stattfinden würden, "um mögliche weitere Maßnahmen zu prüfen". Man müsse aber erst "die unterschiedlichen Problemlagen der Menschen" beobachten und analysieren.

"Der öffentliche Raum ist für alle da"

Sowohl die Caritas als auch der Fonds Soziales Wien betonen, dass in ganz Wien - auch auf der Mariahilfer Straße - laufend Mitarbeiter:innen der Straßensozialarbeit unterschiedlicher Einrichtungen "in enger Abstimmung" im Einsatz seien. Die Sozialarbeiter:innen würden aufklären, beraten und obdachlose Menschen ermutigen, Tageszentren aufzusuchen. Dort könne man sich "besonders an heißen Tagen abkühlen und von der Hitze erholen". Der Besuch eines Tageszentrums sei aber natürlich freiwillig, betont man. 

In Wien gibt es zehn ganzjährig geöffnete Tageszentren, die Platz für mehr als 700 Personen bieten, heißt es vom FSW. Die Caritas betreibt 22 "Klimaoasen"

Dass sich momentan viele obdachlose Menschen im öffentlichen Raum aufhalten, bestätigen die Sozialeinrichtungen. Das hänge auch mit der Jahreszeit zusammen: "Im Sommer halten sich grundsätzlich immer mehr Menschen im öffentlichen Raum auf als im Winter. Das trifft auf uns alle zu – obdachlose Menschen bilden da keine Ausnahme", so die Caritas. 

Die rund 50 Notschlafplätze der Obdachloseneinrichtung Gruft seien derzeit aber "jede Nacht voll", heißt es. Auch das Tageszentrum der Gruft sei "immer gut ausgelastet". 

Gerade vulnerable Gruppen wie Obdachlose würden sich eben im öffentlichen Raum treffen, teilt der FSW mit. "Es geht um ein soziales Mit- und Nebeneinander im öffentlichen Raum, der für alle da ist". 

Wie kann man helfen?

Die Sozialeinrichtungen rufen ebenfalls zur Zivilcourage auf: "Unabhängig davon, ob es sich um eine obdachlose Person handelt oder nicht: Wenn Menschen in Wien gesundheitliche Probleme haben, kann man sie ansprechen und Unterstützung anbieten. Wenn es sich um einen möglichen Notfall handelt: Rettung verständigen", heißt es.

Die Caritas verweist auch auf die Möglichkeit, die Caritas-Streetwork-Teams per Telefon (01 5878754) oder E-Mail (gruft@caritas-wien.at) auf Schlaf- oder Aufenthaltsplätze von obdachlosen Menschen aufmerksam zu machen. Außerdem könne man für das Hitze-Paket spenden - damit würden Isomatten, Sommerschlafsäcke, Sonnencremen, Trinkwasser und Kopfbedeckungen für Obdachlose finanziert werden. 

ribbon Zusammenfassung
  • ÖVP-Wien Chef Karl Mahrer wurde dabei beobachtet, wie er wegen eines auf einer Bank schlafenden Mannes die Polizei rief.
  • Die ÖVP erklärt die Mariahilfer Straße zu einer entstehenden "Unsicherheitszone".
  • Was sagen Polizei und Sozialeinrichtungen dazu?