Magdeburg-Anschlag: Erste Hinweise auf ein Motiv
Die Todesfahrt am Freitagabend entsetzte Deutschland. Der Anschlag wurde offenbar von einem Islam-Kritiker verübt. Der 50-jährige Arzt bezeichnet sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur selbst als "Ex-Muslim". In sozialen Medien und Interviews erhob er jüngst teils wirr formulierte Vorwürfe gegen deutsche Behörden.
Den Ermittlern zufolge ist unter den Toten ein neun Jahre altes Kind, die weiteren vier Toten seien Erwachsene. Laut einem "Spiegel"-Bericht gäbe es mittlerweile 41 Schwerverletzte. Der aus Saudi-Arabien stammende Mann wird verdächtigt, am Freitagabend mit einem Leihauto in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt gefahren zu sein.
Der Fahrer stand einem Bericht der "Bild" zufolge womöglich unter Drogen. Ein erster Drogenwischtest sei positiv ausgefallen, berichtet das Blatt ohne Angaben von Quellen.
Einzeltäter
Bei der tödlichen Attacke handelt es sich nach Polizeiangaben um einen Einzeltäter. Nach derzeitigem Ermittlungsstand könne ein zweiter Täter ausgeschlossen werden, sagte ein Polizeisprecher am Samstag.
Bei der Attacke auf dem Weihnachtsmarkt soll der mutmaßliche Täter über den Flucht- und Rettungsweg auf den zentralen Platz gelangt sein. Die Fahrt habe rund drei Minuten bis zur Festnahme gedauert, sagte Tom-Oliver Langhans, Direktor der Polizeiinspektion Magdeburg.
"Er hat sich zum Tatmotiv geäußert"
Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg hat die Staatsanwaltschaft erste Hinweise auf ein mögliches Motiv des Verdächtigen gegeben. "Er hat sich zum Tatmotiv geäußert", sagte der verantwortliche Oberstaatsanwalt Horst Nopens am Samstag in Magdeburg. "Unzufriedenheit mit dem Umgang mit saudi-arabischen Flüchtlingen" könne demnach der Hintergrund der Tat gewesen sein.
Weitere Details, was genau für eine Unzufriedenheit der Beschuldigte formuliert hat, nannte der Oberstaatsanwalt nicht. Seine Vernehmung lief demnach noch am Samstagnachmittag. Was von seinen Angaben stimme, "müssen wir jetzt aufklären, müssen wir weiter ermitteln." Dies sei ein weites Feld. Es müsse auch im Umfeld des Verdächtigen ermittelt werden.
Ermittlungsbehörden sprechen vorerst nicht von Terroranschlag
Nopens sagte, die Ermittler sähen in der Tat einen Anschlag oder eine Amokfahrt. Von einem Terroranschlag spreche er nicht - sollte sich der Anschlag als Terror herausstellen, werde die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen übernehmen. Diese prüft den Fall seit Freitagabend.
Weiter sagte der Oberstaatsanwalt, nach Abschluss der Vernehmungen solle der Beschuldigte in Untersuchungshaft genommen werden. Ihm werde derzeit fünffacher Mord vorgeworfen sowie 205 Mal versuchter Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
Wie der Direktor der Polizei Magdeburg, Tom-Oliver Langhans, sagte, hat die dortige Polizei bereits früher eine Strafanzeige gegen den Verdächtigen erhalten. Diese liege aber ein Jahr zurück. Damals sei vorgesehen gewesen, eine Gefährderansprache bei ihm durchzuführen. Dies sei aber nach den bisherigen Erkenntnissen nicht erfolgt. Langhans wollte sich nicht dazu äußern, welche Vorwürfe damals im Raum standen.
Offenbar kein AfD-Mitglied
Nach "Spiegel"-Informationen wurde er in der saudi-arabischen Stadt Hofuf geboren und kam im März 2006 zur Ausbildung nach Deutschland. Im Juli 2016 wurde er als Flüchtling anerkannt, wie der Spiegel unter Hinweis auf ein früheres Interview in der "Frankfurter Rundschau" berichtet.
Mittlerweile dürfte er laut den Recherchen des Magazins jedoch abgedriftet sein. Auf seinem Account beim Online-Dienst X habe er von einem gemeinsamen Projekt mit der in weiten Teilen rechtsextremen AfD geträumt - einer Akademie für Ex-Muslime. Wie "Spiegel" schreibt, sei der mutmaßliche Täter nach Angaben der AfD kein Mitglied der Partei gewesen.
In sozialen Medien und Interviews erhob der Tatverdächtige zuletzt zudem teils wirr formulierte Vorwürfe gegen deutsche Behörden. Er hielt ihnen vor, nicht genügend gegen Islamismus zu unternehmen. Nachdem er vor Jahren mit seiner Unterstützung für saudi-arabische Frauen, die aus ihrem Heimatland fliehen, an die Öffentlichkeit gegangen war, schrieb er später auf seiner Website in englischer und arabischer Sprache: "Mein Rat: Bittet nicht um Asyl in Deutschland."
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser bestätigte, dass der Mann eine islamfeindliche Haltung hatte. Polizei und Staatsanwaltschaft wollten auf einer Pressekonferenz am Nachmittag in Magdeburg über den Stand der Ermittlungen informieren. Ob der Generalbundesanwalt den Fall übernimmt, wird noch geprüft.
Zusammenfassung
- Nach dem mutmaßlichen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt am Freitagabend im ostdeutschen Magdeburg wurden mindestens fünf Menschen getötet, rund 200 verletzt.
- Unter den Todesopfern befindet sich auch ein Neunjähriges Kind.
- Bei einer Pressekonferenz am Samstagnachmittag, sagten die Ermittler, dass sie von einem Einzeltäter ausgehen.