Lübcke-Mordfall: Gericht bestätigt lebenslange Haft
Das Urteil im Mordfall des Kasseler Regierungspräsidenten und CDU-Politikers Walter Lübcke ist rechtskräftig. Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) verwarf am Donnerstag sämtliche Revisionen. Der Vorsitzende Richter des dritten Strafsenats, Jürgen Schäfer, sprach von einer "fehlerfreien Beweiswürdigung" des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main - sowohl mit Blick auf die Schuldsprüche als auch auf die Freisprüche.
Haftstrafe und Freispruch bestätigt
Das OLG hatte den Rechtsextremisten Stephan E. im Jänner 2021 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren ist damit rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber so gut wie ausgeschlossen. Das OLG hatte es als erwiesen angesehen, dass der heute 48-Jährige den CDU-Politiker Lübcke am 1. Juni 2019 spätabends zu Hause auf dessen Terrasse aus nächster Nähe mit einem Kopfschuss getötet hatte. Er habe seinen Fremdenhass auf Lübcke projiziert, seit sich dieser auf einer Bürgerversammlung Jahre zuvor für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen hatte. Einen wegen Beihilfe Mitangeklagten sprach das OLG in diesem Punkt frei.
Aus Sicht des BGH hat das OLG die Tat des Hauptangeklagten richtig gewürdigt, insbesondere die Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe. Lübcke sei an jenem Abend arg- und somit wehrlos gewesen, er habe keine Chance gehabt. "Das Mittel der politischen Auseinandersetzung ist das Wort, nicht die Gewalt", sagte Richter Schäfer während der rund 45-minütigen Urteilsbegründung. (Az. 3 StR 359/21)
Familie sieht Mitschuld
Den Mitangeklagten Markus H., einen Freund des Hauptangeklagten aus der rechten Szene, hatte das OLG zu einer eineinhalbjährigen Bewährungsstrafe wegen eines Waffendelikts verurteilt - aber nicht wie angeklagt wegen Beihilfe zum Mord an Lübcke. Er kam im Oktober 2020 frei.
Die Beweiswürdigung des OLG weise auch in diesem Punkt keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf, sagte BGH-Richter Schäfer. Unter anderem seien am Tatort keine Spuren des Angeklagten gefunden worden. Der BGH hat das OLG-Urteil ausschließlich auf Rechtsfehler hin geprüft. Er hat keine Zeugen gehört und keine Beweise erhoben.
Die Familie des CDU-Politikers und die deutsche Bundesanwaltschaft hatten vor allem den Teilfreispruch für Markus H. moniert. Aus ihrer Sicht spielte der heute 46-Jährige eine wesentlich zentralere Rolle. Er habe mit dem Hauptangeklagten Schießen geübt und ihn in seinem Willen zur Tat bestärkt. Die Hinterbliebenen halten ihn sogar für einen direkten Mittäter.
Familie will "ganze Wahrheit"
Die Witwe Irmgard Braun-Lübcke hatte in der Verhandlung am BGH Ende Juli gesagt: "Für uns ist es wichtig, dass wir die ganze Wahrheit erfahren." Das bisherige Urteil lasse noch einige Fragen offen. Dabei gehe es vor allem um die letzten Minuten im Leben ihres Mannes: Gab es noch einen Wortwechsel, wurde er aus dem Hinterhalt erschossen?
Die Ermordung ihres Mannes, des Vaters ihrer beiden Söhne, des Großvaters ihrer vier Enkel, gehöre nun zu ihrem Leben, sagte Braun-Lübcke. Die Familie müsse damit umgehen. Das gelinge mal mehr, mal weniger gut, sagte sie. "Mit diesem Mord ist nicht nur sein Leben zerstört worden, sondern auch unsere teilweise."
Richter Schäfer sprach am Donnerstag von "eindrucksvollen Worten", die in Erinnerung blieben. Der Wunsch der Familie nach genauerer Aufklärung sei verständlich. Dass dies nicht geschah, sei aber an der konkreten Beweislage gelegen und nicht etwa am Unwillen des OLG.
Neben dem Fall Lübcke ging es in dem Verfahren noch um einen Angriff auf einen irakischen Asylbewerber. Jemand hatte den Mann Anfang 2016 attackiert und ihm ein Messer in den Rücken gestochen. Die deutsche Bundesanwaltschaft hält Ernst für den Täter, konnte die Gerichte aber nicht überzeugen. Das Opfer trat ebenfalls als Nebenkläger auf.
Auf Terrasse gefunden
Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni 2019 tot auf der Terrasse seines Wohnhauses im nordhessischen Ort Wolfhagen-Istha gefunden worden. E. soll ihn aus rechtsextremen Motiven erschossen haben. Es war der erste rechtsextreme Mord an einem deutschen Politiker seit 1945.
Das Verbrechen löste großes Entsetzen und große Anteilnahme aus. Landesweit wurde nach der Tat unter anderem über einen höheren Schutz von Lokalpolitikern vor Bedrohungen sowie die Gefahren durch Rechtsextremismus und Hasskommentare im Internet diskutiert.
Zusammenfassung
- Wegen des Mordes an dem deutschen CDU-Politiker Walter Lübcke hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Hauptangeklagten Stephan E. zu lebenslanger Haft verurteilt.
- Nun bestätigt der Bundesgerichtshof diese Entscheidung und lehnt damit die Revision ab.