Klimapolitik-Einfluss auf CO2-Reduktion bisher bescheiden
Die jüngere Geschichte der Treibhausgasemissionen hierzulande folgt gewissermaßen einem flachen, umgekehrten V: Vom Jahr 1995 bis 2005 ging die Kurve nach oben, um 2005 mit 79 Millionen Tonnen ein historisches Hoch zu erreichen. Von da ab ging es in einer holprigen Linie bis zum Jahr 2023 um ungefähr 20 Mio. Tonnen oder 26 Prozent nach unten. Bei ihren Angaben zu den CO2-Emissionen fokussieren die beiden WU-Forscher Talis Tebecis und Jesús Crespo Cuaresma auf jenen Ausstoß, der auf fossile Energieträger aller Art zurückgeht, da dies das Gros des gesamten Treibhausgasausstoßes ausmacht, wie es in der Analyse aus der Feder von Tebecis heißt.
Mit der neuen statistischen Methode zielen die beiden Wissenschafter darauf ab herauszufinden, worauf solche Reduktionen letztlich zurückzuführen sind. Dabei werden Effekte herausgerechnet, die rein auf die wirtschaftliche Gesamtentwicklung des Bruttoinlandsproduktes (BIP), die Bevölkerungsentwicklung in einem Land oder den allgemeinen technologischen Fortschritt zurückzuführen sind, wie Crespo Cuaresma gegenüber der APA erklärte. Auch die Effekte der Covid-19-Lockdowns, etwa mit ihren massiven, zeitweisen Reduktionen etwa im Verkehrssektor, können mittels des "umgekehrt kausalen Analyseansatzes" herausgerechnet werden.
Übrig bleiben dann markante Schwankungen in den Emissionsdaten, "die höchstwahrscheinlich auf Klimapolitik zurückzuführen sind", so Tebecis in einer WU-Aussendung: "Diese statistischen Ausreißer lassen sich oft mit konkreten politischen Maßnahmen in Verbindung setzen. Unser Datensatz kann also als Grundlage dienen, um die Effektivität von Klima-Maßnahmen zu überprüfen."
Österreich profitiert großteils von internationalen Trends
Auf Österreich gemünzt erscheint deren Effektivität höchst beschränkt. Vielmehr stützen die Zahlen die Sichtweise, dass das Land zum Großteil von übergeordneten wirtschaftlich-technologisch-demographischen Trends oder der Umsetzung von EU-Vorgaben profitiert hat - ein Faktor, der immer wieder von Experten kritisiert wird. Wie wenig Treibhausgaseinsparung quasi "hausgemacht" ist, zeigt sich etwa darin, dass die Wissenschafter hierzulande zwischen 1995 und 2021 nur 62 statistische Ereignisse identifiziert, die auf politische Maßnahmen zurückgeführt werden können: "Verglichen mit den anderen EU-Staaten ist das sehr wenig - in Deutschland etwa waren es 131 und in Irland sogar 261", so Tebecis. Ähnlich inaktiv wie Österreich waren demnach Länder wie Israel, die USA, Ungarn oder Polen.
Die so gefundenen "statistischen Brüche" - die potenziell auf klimapolitische Maßnahmen zurückzuführen sind - brachten laut den Forschern insgesamt nur "eine Reduktion der CO2-Emissionen um weniger als 2,5 Prozent der gesamten jährlichen Emissionen Österreichs, ausgehend von dem Niveau des Jahres 2005". Vergleiche man das mit dem Ziel, die heimischen Emissionen bis 2030 um 48 Prozent gegenüber dem Stand vor 20 Jahren zu verringern, liege man weit unter den angestrebten Werten. Selbst wenn Österreich bis dahin alle geplanten Maßnahmen umsetzen würde, käme man nur auf eine Reduktion um circa 35 Prozent. Es müsse also insgesamt politisch deutlich mehr getan werden, um das Land an das rechtlich bindende Einsparungsziel zu bringen, betont Tebecis.
Forscher für auf Wirtschaftssektoren abgestimmte, bundesweite Lösungen
Auf die verschiedenen Wirtschaftszweige bezogen, wurde hierzulande in der bekanntlich höchst emissionsintensiven Metallindustrie am meisten auf Basis von nationalen- oder EU-Regelungen eingespart. Ebenso signifikante Einsparungen fand das Team bei Raffinerien, Biomasse- und Müllverbrennungsanlagen oder in der Elektronik-Industrie. Wenig tat sich hingegen im Bereich der Elektrizitäts- und Wärmegewinnung, der Abwasseraufbereitung oder der Dungbewirtschaftung.
Daraus lasse sich ableiten, dass es auf verschiedene Wirtschaftssektoren genauer abgestimmte Maßnahmen bräuchte, um die Reduktion wirklich voranzutreiben. Außerdem sollte sich die Politik in erster Linie auf jene Sektoren konzentrieren, in denen die meisten Treibhausgase ausgestoßen werden. Das sind hierzulande der Verkehrs- und Transitbereich, die Elektrizitäts- und Wärmewirtschaft, der Produktions- und Bau-Sektor und der Bereich Wohnen. Letztlich müsse man auch darauf achten, dass Regulierungsmaßnahmen nicht durch Bundesländer-Regelungen wieder aufgeweicht und ausgehebelt werden. Die Analyse für Österreich wurde von der "eXplore!"-Initiative der B&C Privatstiftung gefördert.
(S E R V I C E - Analyse für Österreich: https://dx.doi.org/10.57938/92adb3ea-18cd-4d05-8d09-223bea611536; Publikation in "Scientific Data": https://doi.org/10.1038/s41597-024-04321-w)
Zusammenfassung
- Die von Österreichs Politik gesetzten Klimamaßnahmen führten zu einer Reduktion des Treibhausgas-Ausstoßes um maximal 2,5 Prozent im Vergleich zu 2005.
- Forscher der Wirtschaftsuniversität Wien fanden heraus, dass Österreich hauptsächlich von internationalen Trends profitiert und nur 62 politische Maßnahmen zwischen 1995 und 2021 auf CO2-Reduktion abzielen.
- Im Vergleich zu anderen EU-Ländern ist Österreichs Beitrag gering, da Deutschland 131 und Irland 261 Maßnahmen umsetzten.
- Österreichs Ziel, die Emissionen bis 2030 um 48 Prozent zu reduzieren, wird mit den aktuellen Maßnahmen nicht erreicht, es sind nur 35 Prozent möglich.
- Die Metallindustrie hat am meisten eingespart, während die Elektrizitäts- und Wärmewirtschaft hinterherhinken; gezielte Maßnahmen für verschiedene Sektoren sind nötig.