Gewalt an Frauen
Genitalverstümmelung: Rund 230 Millionen Frauen betroffen
Mit Messern, Rasierklingen oder Glasscherben wird jungen Mädchen angetan, was nur schwer in Worte zu fassen ist. Die Verstümmelung der weiblichen Sexualorgane, auch Female Genital Mutilation/Cutting (FGM/C) genannt, bleibt in über 30 Ländern Afrikas, des Nahen Ostens und Asiens ein grausames Ritual - und auch in Europa ist sie verbreitet.
Meist wird der Eingriff ohne Betäubung und unter unhygienischen Bedingungen durchgeführt. Die Folgen sind unvorstellbare Schmerzen, massive Blutungen, Infektionen, Probleme in der Schwangerschaft, sexuelle Störungen sowie lebenslange körperliche und psychische Traumata. Als "wichtiger Schritt des Übergangs vom Mädchen zur Frau" erfolgt die qualvolle Prozedur daher generell vor der Pubertät. Zunehmend werden auch Säuglinge verstümmelt, die erst wenige Wochen alt sind, wie die FGMC-Koordinationsstelle Österreich berichtet.
Globale Eliminierung bis 2030 unwahrscheinlich
Das erklärte Ziel der Vereinten Nationen, die "Genitalverstümmelung bis 2030 weltweit zu eliminieren", wackelt. Die Fortschritte sind zu langsam und können mit dem Bevölkerungswachstum in den betroffenen Ländern nicht Schritt halten. "Die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung breitet sich global nicht weiter aus", stellt das UN-Kinderhilfswerk UNICEF in einem Informationsbericht fest. Gleichzeitig wächst jedoch die Zahl der Mädchen, die in FGM-praktizierenden Ländern geborenen werden, deutlich schneller, als im weltweiten Durchschnitt.
In einigen Gemeinschaften bleibt das Ritual also tief verwurzelt. Aber es gibt auch wenige ermutigende Fortschritte: Der Sahel-Staat Niger, der Genitalverstümmelung bereits 2003 unter Strafe stellte, gilt als Erfolgsgmodell. Laut UNICEF sind dort nur noch zwei Prozent der Frauen betroffen.
Es gibt jedoch auch gegenteilige Entwicklungen: Gambia wollte das Verbot im vergangenen Jahr aufheben, was jedoch durch Proteste verhindert wurde. Gegner des Verbots argumentieren mit "religiöser Reinheit" sowie dem Schutz "kultureller Normen und Werte".
Rund 10.900 Betroffene in Österreich
In Österreich wurde weibliche Genitalverstümmelung durch das Gewaltschutzgesetz 2019 explizit als Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB) eingestuft. Darauf stehen bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe – auch dann, wenn die betroffene Frau dem Eingriff ausdrücklich zustimmt. Sowohl die ausführenden Personen (z. B. Ärzt:innen oder Beschneider:innen) als auch Eltern können strafrechtlich belangt werden.
Eine Strafe hält Täter:innen jedoch nicht automatisch ab. In Österreich rund 10.900 Frauen betroffen, wie eine Studie der Medizinischen Universität Wien im vergangenen Jahr ergab. Die FGMC-Koordinationsstelle Österreich warnt zudem, dass durch die Migrationsbewegungen der letzten Jahre die Zahl betroffener oder gefährdeter Mädchen und Frauen weiter steigen wird.
Stadt Wien veröffentlicht Handlungsempfehlungen
Zum internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung hat die Stadt Wien neue Handlungsempfehlungen für Ärzt:innen veröffentlicht. Diese enthalten medizinisches Wissen rund um Schwangerschaft, Geburt und Folgekomplikationen von FGM sowie konkrete Anleitungen für Anamnesegespräche. Zudem wird empfohlen, eine geschulte Dolmetscherin beizuziehen, um betroffenen Frauen bestmöglich helfen zu können. Allein in Wien sind laut aktuellen Schätzungen 6.300 Frauen betroffen.
"Genitalverstümmelung ist Ausdruck geschlechtsspezifischer Gewalt und eine schwere Menschenrechtsverletzung, die entschlossen bekämpft werden muss. Hier darf es keine Toleranz geben", betonte Meri Disoski, Sprecherin der Grünen für Frauen- und Außenpolitik, in einer Aussendung.
"Weibliche Genitalverstümmelung ist immer und überall ein schrecklicher und grausamer Verstoß gegen die Menschenrechte. Betroffene Frauen verdienen ein klares Bekenntnis der politischen Entscheidungsträger:innen, dass sie in ihrer Situation nicht allein gelassen werden," so die Außenpolitische Sprecherin der SPÖ und Gründerin der Plattform StopFGM, Petra Bayr, in einer Aussendung. Sie plädiert für verpflichtende Schulungen für Gesundheits- und Bildungspersonal, die Erweiterung von Beratungsdiensten sowie zielgruppenspezifische Informationskampagnen.
Kostenlose Beratungsstellen
Beratungsstelle Wien
Frauengesundheitszentrum FEM Süd
Wiener Gesundheitsverbund – Klinik Favoriten
Kundratstraße 3, 1100 Wien
Telefon: +43 1 60191 5201
Mail: kfn.femsued@gesundheitsverbund.at
Beratungsstelle Steiermark
Österreichisches Rotes Kreuz
Landesverband Steiermark
Merangasse 26 (Eingang Leonhardstraße 23), 8010 Graz
Telefon: +43 50 1445 10159
Mail: migration@st.roteskreuz.at
Beratungsstelle Tirol
Österreichisches Rotes Kreuz
Landesverband Tirol
Heiliggeiststraße 19, 6020 Innsbruck
Telefon: +43 664 6046630419
Mail: fgmc-koordinationsstelle@roteskreuz-tirol.at
Beratungsstelle Salzburg
FrauenGesundheitsZentrum Salzburg
Alpenstrasse 48/1, 5020 Salzburg
Telefon: +43 662 442255
Mail: a.halhuber@fgz-salzburg.at
Beratungsstelle Oberösterreich
Linzer Frauengesundheitszentrum
Kaplanhofstraße 1, 4020 Linz
Telefon: +43 664 5648304
Mail: friederike_widholm@outlook.de
Zusammenfassung
- Die weibliche Genitalverstümmelung ist ein grausames und blutiges Ritual mit lebenslangen Folgen.
- Die tatsächliche Zahl der Opfer bleibt im Verborgenen, auch in Österreich geht man von rund 10.900 Frauen und Mädchen aus.
- Zum internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung hat die Stadt Wien neue Handlungsempfehlungen für Ärzt:innen veröffentlicht.