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Flüchtlinge: Frontex vertuschte tödlichen Rechtsbruch am Mittelmeer

Immer mehr Missstände und Fehlverhalten in und um die EU-Grenzschutzbehörde Frontex werden aufgedeckt. Nicht nur in Griechenland soll sie oft tödliche und illegale Pushbacks mitverantwortet haben - in Malta soll ähnliches Vorgehen vertuscht worden sein.

Illegale Praktiken an den EU-Außengrenzen scheinen beinahe an der Tagesordnung zu stehen. Migranten und Flüchtlinge sollen mit allen Mitteln davon abgehalten werden, in die EU einzureisen. In den vergangenen Wochen war vor allem Griechenland in den Schlagzeilen - auch gegen Kroatien gibt es schwere Vorwürfe.

Doch auch in Malta soll ein rechtswidriger Plan umgesetzt worden sein, darüber berichteten die "New York Times" Ende April. Ein EU-Untersuchungsbericht, über den unter anderem der "Spiegel" berichtet zeigt, dass die Grenzschutzagentur Frontex Fehlverhalten registriert, eine Überprüfung durch die internen Grundrechteschützer aber verhindert haben soll. 

Alles begann am 10. April 2020. Ein Frontex-Flugzeug sichtete vier Flüchtlingsboote, die in Richtung Malta unterwegs waren. Auf den Booten waren Männer und Frauen. Sie waren von der lybischen Küste aus aufgebrochen. 

Mitarbeiter von Frontex in der Zentrale in Warschau verfolgten das Geschehen am Mittelmeer mit. Sie sahen wackelige, völlig überfüllte Boote - sogar Frontex intern wurde festgehalten, dass die Flüchtlinge keine Schwimmwesten trugen, schreibt der "Spiegel". Tagelang sei zugeschaut worden. Die maltesischen Behörden unternahmen "tagelang" nichts, versorgten dann einige Flüchtlinge mit Trinkwasser, um diesen Teil der Flüchtlinge dann nach Sizilien weiterzuleiten. 

Fünf Leichen an Bord

Wie die "New York Times" berichteten, setzten die maltesischen Behörden dann Fischkutter eines privaten Unternehmens ein, um die restlichen Flüchtlinge gegen deren Willen zurück nach Libyen zu bringen. Als sie in den Hafen von Tripolis einliefen, waren nach Informationen der Frontex-Beamten fünf Leichen an Bord. Sieben weitere Menschen waren zuvor ertrunken.

Solche sogenannten Pushbacks sind in der EU illegal. Das ahnten, wie der "Spiegel" nun berichtet, auch einige Beamte bei Frontex. In der Zentrale baten sie, über den Fall in Malta einen Report der Kategorie 4 anlegen zu dürfen. Dieser hätte eine Untersuchung durch den damaligen Grundrechtsbeauftragten der Behörde nach sich gezogen. 

Untersuchungen verhindert

"Mehrmals insistierten die Beamten im Lagezentrum, wiesen auf die mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen hin. Doch ihre Vorgesetzten lehnten ab, zuletzt Anfang Mai. Der Bericht bekam die Kategorie 2. Die damalige Grundrechtsbeauftragte wurde nicht informiert. Sie durfte den Pushback nicht untersuchen", schreibt das deutsche Magazin über einen Bericht der EU-Antibetrugsagentur OLAF.

Die damalige Frontex-Führung um Fabrice Leggeri unterstützte und vertuschte illegale Pushbacks - nicht nur in Malta. Vorwürfe gibt es auch aus der Ägäis, wo griechische Küstenwächter Flüchtlinge zurück in türkische Gewässer schleppten und auf dem Meer aussetzten. "Der damalige Frontex-Chef Fabrice Leggeri behinderte die Arbeit der Grundrechtsbeauftragten, wo er nur konnte", so der "Spiegel".

Ob sich unter der interimistischen Nachfolgerin Aija Kalnaja bislang etwas an der Vorgehensweise von Frontex geändert hat, bezweifeln viele Menschrechtsorganisationen. Dabei wäre Frontex laut eigenen Regularien verpflichtet, eine Mission sofort abzubrechen, wenn es dabei zu Grundrechtsverletzungen kommt.

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ribbon Zusammenfassung
  • Immer mehr Missstände und Fehlverhalten in und um die EU-Grenzschutzbehörde Frontex werden aufgedeckt.
  • Nicht nur in Griechenland soll sie oft tödliche und illegale Pushbacks mitverantwortet haben - in Malta soll ähnliches Vorgehen vertuscht worden sein.