Corona-Mutation: Immer mehr Staaten stoppen Großbritannien-Flüge wegen
Am Montag teilten die Regierungen Russlands, Norwegens, Dänemarks, Spaniens und Indiens mit, vorübergehend keine Flüge aus Großbritannien mehr landen zu lassen. Zuvor hatten bereits weitere europäische Staaten ihre Flugverbindungen mit Großbritannien gekappt. In Österreich dürfen ab Mitternacht keine Flugzeuge aus Großbritannien mehr landen.
Weitere österreichische Landeverbote oder Grenzschließungen gegenüber Ländern, wo die neuen Variante ebenfalls nachgewiesen wurde, sind derzeit nicht geplant, wie Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Montag erklärte. Das Landeverbot gegenüber Großbritannien sei "als Vorsichtsmaßnahme" verhängt worden, bis die Mutation im Detail wissenschaftlich untersucht worden sei. Die gute Nachricht sei jedoch, dass es bisher keine Hinweise gebe, "dass durch die Mutation unsere Impfpläne durcheinandergebracht werden", so Schallenberg bei einem Pressetermin mit Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Flughafen.
Landeverbot vorerst bis 1. Jänner
Der Zeitpunkt für das Landeverbot, das vorerst bis 1. Jänner 2021 gelten soll, sei "im europäischen Gleichklang" unter Berücksichtigung der Planbarkeit für die Menschen gewählt worden, erklärte Nehammer. Auch die Einreisende aus Großbritannien, die am Montag noch ankommen, bevor um Mitternacht das Landeverbot in Kraft tritt, würden genau kontrolliert, betonte Schallenberg. Seit 19. Dezember müssten auch alle Einreisende aus Großbritannien nach er Einreise für mindestens fünf Tage in Quarantäne.
Großbritanniens Premierminister Boris Johnson berief am Montag wegen der internationalen Flugverbote eine Krisensitzung seines Kabinetts ein. Bei dem Treffen werde es um die "Situation bezüglich des internationalen Verkehrs", insbesondere des Frachtverkehrs, gehen, sagte ein Regierungssprecher am Montag in London.
Zuvor hatte zahlreiche Länder Landeverbote für Flugzeuge aus Großbritannien verhängt. Israel beschloss am Montag, wegen der neuen Virus-Variante überhaupt Ausländern aus allen Ländern die Einreise zu verbieten. Israelis müssen ab Mittwoch um 14.00 Uhr Ortszeit (13.00 Uhr MEZ) nach ihrer Einreise zur Quarantäne in Corona-Hotels. Dort müssen sie mindestens zehn Tage bleiben, wenn zwei Corona-Tests negativ ausfallen. Ohne Tests müssen sie sogar 14 Tage dortbleiben.
Russland
In einem russischen Regierungsdekret hieß es, ab Mitternacht würden "aufgrund der sich verschlechternden epidemiologischen Situation" alle Flugverbindungen mit Großbritannien eingestellt. Die Regelung gelte zunächst für eine Woche.
Dänemark und Norwegen
Die Regierungen Dänemarks und Norwegens verkündeten ebenfalls Landeverbote für aus Großbritannien kommende Flüge. In beiden Ländern soll die Maßnahme zunächst nur für 48 Stunden gelten. Der Schritt erlaube es der Regierung, "weitere zu ergreifende Schritte auszuloten", sagte der dänische Transportminister Benny Engelbrecht. Dänemark gehört zu den Ländern, in denen die neue Corona-Variante bereits ebenfalls nachgewiesen worden ist.
Der norwegische Gesundheitsminister Bent Hoie begründete das Flugverbot damit, dass sichergestellt werden müsse, "dass sich die in Großbritannien nachgewiesene Variante des Virus so wenig wie möglich in Norwegen ausbreitet". Reisende aus Großbritannien müssen sich in Norwegen weiterhin wie alle anderen Neuankömmlinge für zehn Tage in Quarantäne begeben. Zusätzlich müssen sie sich bis zum 10. Jänner Tests unterziehen.
Spanien
Als eines der letzten Länder der EU verhängte auch Spanien ein Einreiseverbot für Besucher aus Großbritannien. Die Maßnahme werde am Dienstag in Kraft treten, teilte die Regierung am Montag in Madrid mit. Vom Verbot ausgenommen seien spanische Staatsbürger sowie Ausländer, die in Spanien ihren Erstwohnsitz haben, hieß es. Nach Angaben der nationalen Flughafenverwaltungsbehörde AENA standen am Montag insgesamt 201 Verbindungen von und nach Großbritannien auf dem Flugplan. Keiner dieser Flüge sei bisher gestrichen worden, hieß es auf Anfrage.
Indien
Die indische Regierung erklärte am Montag, "alle Flüge von Großbritannien nach Indien" würden bis zum Jahresende ausgesetzt. Das Ministerium für Zivilluftfahrt bezeichnete die Regelung als "Vorsichtsmaßnahme" und fügte hinzu, Transit-Passagiere aus Großbritannien müssten sich nach Ankunft Pflicht-Coronatests unterziehen.
Arabische Welt
Auch mehrere Länder der arabischen Welt beschränkten den internationalen Luftverkehr. Saudi-Arabien setzt eine Woche lang alle internationalen Passagierflüge aus. Auch die Einreise über Land und über See werde vorübergehend gestoppt, meldete die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA am Sonntagabend. Tunesien stoppte bis auf weiteres alle Flugverbindungen mit Großbritannien, Südafrika und Australien. Ausländer, die sich in einem der drei Länder aufgehalten hätten, dürften nicht einreisen, teilte das tunesische Transportministerium am Montag mit. Kuwait setzt bis zum 1. Jänner alle kommerziellen Flüge vom Internationalen Flughafen in Kuwait-Stadt aus, wie die Luftfahrtbehörde mitteilte. Der Oman schließe von Dienstag an für eine Woche alle Luft-, Land- und Seeverbindungen mit dem Ausland, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur des Golfstaates.
Bereits am Sonntag hatte Finnland ein zweiwöchiges Landeverbot für Passagierflugzeuge aus Großbritannien verhängt. Die Maßnahme trat am Montagmittag in Kraft.
Auch die Türkei stoppte alle Großbritannienflüge. Außerdem sei wegen des Auftauchens ansteckenderer Virusvarianten der Flugverkehr mit Südafrika und den Niederlanden vorerst eingestellt worden, twitterte der türkische Gesundheitsminister Fahrettin Koca am Sonntagabend. Zuvor hatten schon zahlreiche andere Staaten die Flugverbindungen zu Großbritannien stillgelegt.
"Bis zu 70 Prozent ansteckender"
Großbritanniens Premierminister Johnson hatte am Wochenende erklärt, die in Südostengland aufgetretene Mutation sei "bis zu 70 Prozent ansteckender" als die Ursprungsvariante des Coronavirus. Der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten, wies jedoch am Montag im Deutschlandfunk darauf hin, diese Angabe sei nur ein Schätzwert. Es sei noch unklar, ob die neue Variante tatsächlich stärker übertragbar sei. Großbritanniens Gesundheitsminister Mark Hancock sagte im Sender Sky News, die neue Mutation sei "außer Kontrolle".
Die Virus-Variante wurde auch bereits in weiteren Ländern nachgewiesen, darunter in Südafrika, Italien, Belgien, den Niederlande und Dänemark. Der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten, sagte am Montag im Deutschlandfunk, dass davon auszugehen sei, dass die Mutation auch Deutschland bereits erreicht habe. Er betonte, dass die Datenlage zu der Mutation noch sehr lückenhaft sei. Johnsons Angaben zum Ansteckungsgrad der Mutation seien ein Schätzwert.
Noch nicht in Österreich
In Österreich wurde die Virusmutation bisher nicht nachgewiesen, hieß es am Sonntag auf APA-Anfrage aus dem Gesundheitsministerium. Dass die Variante schon vereinzelt hierzulande aufgetreten ist, könne man nicht ausschließen, sagte allerdings Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) in Wien am Montag im Ö1-Mittagsjournal.
EU-Krisentreffen ohne konkrete Ergebnisse
Ein Krisentreffen der EU-Staaten ist ohne konkrete Ergebnisse geblieben. Nach der mehrstündigen Sitzung hieß es am Montag aus EU-Kreisen, die Teilnehmer hätten Informationen über die bisher verhängten nationalen Maßnahmen ausgetauscht. Dabei sei es vor allem um den Transport etwa von Passagieren und Fracht aus Großbritannien gegangen.
Mit Blick auf Verbindungen mit Großbritannien hätten Teilnehmer Unterstützung für ein schnelles und koordiniertes Handeln auf EU-Ebene ausgedrückt. Man habe die EU-Kommission dazu aufgefordert, Leitlinien dazu vorzulegen. Zudem hätten EU-Staaten betont, wie wichtig es sei, die Grenzen im Schengenraum offenzuhalten. Auch die Rückführung von Menschen, die aus Großbritannien in andere EU-Staaten zurückkehren wollten, sei Thema gewesen.
Grund für das Krisentreffen war eine kürzlich entdeckte Mutation des Coronavirus in Großbritannien, die womöglich deutlich ansteckender sein könnte als die bisher bekannte Form. Etliche EU-Staaten - unter ihnen auch Deutschland - haben den Flugverkehr nach Großbritannien bereits einstellt oder Grenzschließungen verhängt.
Deutschland, das derzeit turnusgemäß den Vorsitz der EU-Staaten innehat, hatte das Krisentreffen am Montag angesetzt. Bereits am Sonntag hatten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratschef Charles Michel die Lage in einem Telefonat erörtert.
Zusammenfassung
- Wegen der neuen Variante des Coronavirus stellen immer mehr Länder ihre Verkehrsverbindungen nach Großbritannien ein.