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München: Untypischer Islamist kaufte Waffe am Tag davor

Der 18-jährige Österreicher, der am Donnerstag in München das Feuer in der Nähe des israelischen Konsulats eröffnete, gilt als untypischer Islamist. Deutsche Sicherheitskreise gehen von einem HTS-Bezug aus. Sein Repetiergewehr soll er am Tag vor der Tat erhalten haben. Die Familie machte eine Vermisstenmeldung.

Er wohnte in einem Einfamilienhaus im beschaulichen Neumarkt am Wallersee, fuhr mit einer Weltkriegswaffe mit Bajonett nach München. Bart trug er keinen, dafür eine rote Hose und ein mehrfarbiges T-Shirt.

Ein typischer Islamist sieht anders aus als der 18-jährige Österreicher mit bosnischer Migrationsgeschichte, der am Donnerstagvormittag in München in der Nähe des israelischen Konsulats auf Polizisten schoss und im Anschluss getötet wurde

Bezug zu "Haiat Tahrir al-Sham"

Deutsche Sicherheitskreise gehen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur davon aus, dass der Verdächtige einen Bezug zur islamistischen Gruppe HTS hatte. HTS steht für "Haiat Tahrir al-Sham", eine militant-islamistische Miliz. Der bayerische Verfassungsschutz schreibt, dass HTS 2017 aus dem Zusammenschluss eines früheren Al-Kaida-Ablegers und einiger kleinerer militanter syrischer Gruppen hervorgegangen sei. Anders als Al-Kaida, die weiter Anschläge im Westen plane, konzentriere sich HTS auf Syrien und wolle den dortigen Machthaber Bashar al-Assad stürzen.

Laut Erzählungen im Salzburger Neumarkt am Wallersee war die Familie bestens ins Landleben integriert. Die Polizei durchsuchte am Donnerstagnachmittag das Haus mitsamt Zimmer des 18-Jährigen. Es wurden vorerst aber weder Waffen noch Propagandamaterial gefunden, hieß es. Seine Familie soll am Donnerstag eine Vermisstenmeldung gemacht haben, weil der junge Mann in den frühen Morgenstunden nach München fuhr.

Das Gewehr der "Kategorie C" soll er laut "Bild" am Tag vor der Tat bei einem Waffenhändler in Salzburg gekauft haben. Der Waffenhändler soll sich laut dem Bericht bei der Polizei gemeldet haben.

Waffenverbot, eingestellte Ermittlungen

Der junge Mann hätte das Repetiergewehr nicht kaufen dürfen, denn bis 2028 galt für ihn ein Waffenverbot. Dieses wurde im vergangenen Jahr verhängt, weil er wegen Gewalt in der Schule auffiel. Im Zuge der Ermittlungen wurden auf seinem Handy Sequenzen aus einem Computerspiel gefunden, bei welchen er mit einem Avatar unter Verwendung der Flagge der dschihadistisch-salafistischen Al-Nusra-Front spielerisch terroristische Akte nachstellte. Ermittlungen wegen terroristischer Vereinigung wurden allerdings eingestellt.

Waffen der Kategorie C können in Österreich nach einer dreitägigen Wartefrist ab 18 Jahren gekauft werden. Innerhalb von sechs Wochen muss der Verkauf registriert werden, dann wäre das Waffenverbot aufgefallen. 

In München dauerte unterdessen die Spurensicherung um den Tatort in der Maxvorstadt an. "Die Straßen sind frei, aber einzelne Gebäude oder Bereiche noch abgesperrt", hieß es am Freitagvormittag. Die Ermittler gehen von einem versuchten Terroranschlag gegen das israelische Generalkonsulat aus. Am Donnerstag hatte sich der Anschlag auf die israelische Olympiamannschaft bei den Spielen in München 1972 zum 52. Mal gejährt.

Dschihadisten immer jünger

Ob das der Anlass für den 18-jährigen Österreicher war, muss allerdings erst ermittelt werden. Laut der Terror- und Extremismusexpertin Daniela Pisoiu würde der vereitelte mutmaßliche Anschlag in München in eine "dschihadistische Welle" fallen, wie sie im PULS 24 Interview sagte. 

Video: Daniela Pisoiu im Interview

Die IS-Propaganda und die salafistische Propaganda habe über die sozialen Medien eine neue Reichweite bekommen und richte sich gezielt an Jugendliche, auch Minderjährige. Der Krieg in Gaza nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel würde das noch verstärken. Früher habe es den IS-Aufruf gegeben, nach Syrien zu fahren. Beim Gaza-Krieg ist das nicht möglich, die IS-Propaganda sage, dass 'der Westen' alle Muslime unterdrücken und bekämpfen würde, man müsse in Europa etwas unternehmen. 

Laut Pisoiu könne man vor allem bei jungen Dschihadisten bzw. Salafisten noch "etwas machen". Sie seien nicht besonders indoktriniert, hätten wenige Kenntnisse über die Religion.

ribbon Zusammenfassung
  • Der 18-jährige Österreicher, der am Donnerstag in München das Feuer in der Nähe des israelischen Konsulats eröffnete, gilt als untypischer Islamist.
  • Sein Repetiergewehr soll er am Tag vor der Tat erhalten haben. Die Familie machte eine Vermisstenmeldung.