Anton Zeilinger mit Plädoyer für den begabten "Außenseiter"
Zeilinger gab seiner Rede im Festsaal der ÖAW den Titel "Wissenschaft in Österreich. Eine persönliche Reise". Einmal mehr zeigte er darin, wie wichtig in seinem Werdegang die Freiheit war, Dingen nachzugehen, die weit weg von jeglichem absehbaren Nutzen waren. In Wien und Innsbruck habe er erlebt, wie unkompliziert Forschung gefördert werden konnte. Dazu brauchte es "mutige Entscheidungen", die naturgemäß immer unter Unsicherheit getroffen werden. Dies sollte in Österreichs Wissenschaftssystem auch heute öfters möglich sein, betonte der ehemalige Akademie-Präsident.
Heute gebe es technologische Anwendungen von Dingen, "von denen wir dachten, dass sie unmöglich sind". Hier zeige sich, dass ohne Risiko keine wirkliche Neuerung möglich ist. Heute werde zwar unglaublich viel publiziert, laut Analysen bleibe die Anzahl an Arbeiten, die wirklich Neues berichten, seit einigen Jahrzehnten jedoch in etwa gleich. Das liege auch daran, dass Wissenschafter mehr oder weniger dazu verdammt sind, viel Zeit mit dem Verfassen von Anträgen und in den Mühlen der Bürokratie zu verbrauchen.
In Österreich sollte eigentlich kein vielversprechendes Forschungsvorhaben abgelehnt werden, nur weil jemand nicht genau sagen könne, wie das Ergebnis aussehen wird. Er sei überzeugt, dass die Forschungsförderung komplett überarbeitet werden muss. Für Forscher sollte gelten: "Weniger publizieren, aber dafür mehr am Punkt."
Um den Problemen der Welt von wissenschaftlicher Seite zu begegnen, brauche es junge Leute, die den Ausgang mancher düsterer Zukunftsprognose vielleicht verändern können. Man müsse daher an allen österreichischen Schulen danach trachten, diese Menschen zu erkennen und mit anderen, möglicherweise verquer wirkenden Kollegen zusammenzubringen, so Zeilinger auch in Richtung von Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP). "Mein Lebenslauf war ungewöhnlich" - warum das wichtig war, um letztlich im Dezember 2022 die höchste wissenschaftliche Auszeichnung entgegenzunehmen, stellte der Quantenphysiker eindrücklich dar.
Zeilingers Vortrag gingen u.a. Grußworte von Bundespräsident und ÖAW-Schirmherr Alexander Van der Bellen voraus. Im ersten Teil davon hielt er sich strikt an seinen Redetext - um dann aufzuklären warum: Dieser war von dem KI-Chatbot ChatGPT verfasst worden. Man habe sich in der Hofburg ein kleines Experiment erlaubt. Nach einer Investition von zehn bis 15 Minuten in die Vorgaben zum gewünschten Text erschien in nur vier Sekunden eine "Allerweltsrede", die aber "nicht völlig falsch" erscheine, so Van der Bellen.
Dass so etwas heute möglich ist, "heißt auch einiges für den Bildungsbereich". Ein Verbannen der Technologie, ein Negieren ihrer möglichen Auswirkungen und ein Nicht-Sehen der Chancen, die sich ergeben könnten, wenn sie zum Lernen richtig eingesetzt wird, seien nicht zielführend. Künstliche Intelligenz sei "nunmal da", so der Bundespräsident: "Ich glaube, wir werden noch viel lernen müssen."
Mit Zeilingers Lernanregung in Richtung Entbürokratisierung und mehr Mut zur risikoreichen Entscheidung konnte auch der amtierende ÖAW-Präsident Heinz Faßmann einiges anfangen. So wie auch mit Polascheks Anliegen, die Wissenschaftsskepsis in Österreich zu reduzieren. "Wir sind nicht zufrieden, wenn Teile der Bevölkerung uns ablehnen", sagte Faßmann. Die ÖAW und andere Institutionen müssten stärker als Mittler und Übersetzer in der Gesellschaft fungieren.
Für mehr oder weniger alle Länder gelte eine einfache Rechnung: Je höher die Forschungsausgaben sind, desto höher ist auch das Bruttoinlandsprodukt. Faßmann: "Wenn wir die Kuh gut füttern, gibt sie auch mehr Milch." Wohin Mittel gehen, sollte man sich trotzdem gut überlegen und nicht unbedingt "neue Stand-alone-Institutionen" auf die grüne Wiese stellen. Ein wenig strategisches Auf- und Abbauen von Forschungseinrichtungen erzeuge nämlich nur Kosten, aber keine Erträge, so der ÖAW-Chef.
(S E R V I C E - https://www.oeaw.ac.at)
Zusammenfassung
- "Ich war ein Außenseiter", erinnerte sich Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger am Freitag im Rahmen des Festvortrages der Feierlichen Sitzung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien.
- Zum Glück habe es in seiner Schulzeit weitere Schüler mit ungewöhnlichen Interessen gegeben.
- Für Forscher sollte gelten: "Weniger publizieren, aber dafür mehr am Punkt."
- "Wir sind nicht zufrieden, wenn Teile der Bevölkerung uns ablehnen", sagte Faßmann.