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"Blutrausch": 12 Jahre Haft nach Obdachlosen-Doppelmord

Jener mittlerweile 18-Jährige, der im Sommer 2023 zwei Obdachlose in Wien getötet hat, ist dafür zu 12 Jahren Haft verurteilt und in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen worden.

Am Montag wurde am Wiener Landesgericht wegen Doppelmordes, versuchten Mordes und absichtlicher schwerer Körperverletzung gegen den 18-Jährigen verhandelt. Er bekannte sich in allen Punkten schuldig. "Ich hab es gemacht. Ich bereue es", sagte der junge Mann. Er sei "in eine Art Blutrausch verfallen", meinte der Angeklagte.

Dem Burschen wird in erster Linie vorgeworfen, im Sommer 2023 zwei schlafende Wohnungslose mit einem Messer vorsätzlich getötet und eine unterstandslose Frau schwer verletzt zu haben.

Der Angeklagte habe "seit Kindertagen Mordfantasien gehabt", schilderte Staatsanwältin Julia Kalmar eingangs der Verhandlung. Er habe beim Gedanken daran "Erregung und Gänsehaut verspürt."

Urteil: 12 Jahre Haft und Einweisung

Das Urteil am Montagabend: 12 Jahre Haft. Zudem wurde er aufgrund einer schwerwiegenden und nachhaltigen Persönlichkeitsstörung und seiner damit verbundenen Gefährlichkeit in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen.

"Ich nehme die Strafe an. Danke an die Geschworenen. Ich werde meine Chance nutzen", sagte der Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab, damit ist das Urteil nicht rechtskräftig.

Der zu den Tatzeitpunkten 16-Jährige entging mit der verhängten Strafe recht deutlich der Höchststrafe, die bei ihm nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) bei 15 Jahren gelegen wäre. Das Gericht billigte ihm neben den Erschwerungsgründen - der vorsitzende Richter erwähnte in diesem Zusammenhang "verwerfliche Beweggründe" und das Ausnützen der Wehrlosigkeit der schlafenden Opfer - mehrere Milderungsgründe zu.

Besonders der "Beitrag zur Wahrheitsfindung" - der Bursch hatte sich selbst der Polizei gestellt - und die detaillierten Angaben zum jeweiligen Tathergang wurden neben der bisherigen Unbescholtenheit, der herabgesetzten Dispositionsfähigkeit und "mindergünstigen Erziehungsverhältnissen" zugunsten des jungen Mannes berücksichtigt.

Video: Obdachenlosenmorde - "So kommt man nicht auf die Welt"

"Gefühl von Erfüllung" nach dem Mord

"Es waren nicht gezielt obdachlose Menschen", betonte der Angeklagte zuvor im Prozess. Er habe den Opfern "nicht in die Augen schauen können. Ich konnte nicht das Leiden im Gesicht sehen. Es waren schlafende Menschen." Nach dem ersten vollendeten Mord habe ihn "ein Gefühl von Erfüllung" überkommen: "Das Opfer sollte sterben."

Neben den Tötungsdelikten, zu denen der Angeklagte zuletzt geständig war, wird auch eine gegen die Mutter gerichtete Gewalttat verhandelt. Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigt dem Burschen, zu sämtlichen Tatzeitpunkten zurechnungsfähig und damit schuldfähig gewesen zu sein.

Der Sachverständige stellte jedoch fest, dass von dem 18-Jährigen infolge einer Persönlichkeitsentwicklungsstörung eine immense Gefahr ausgeht.

Dem Gutachten zufolge sind ohne therapeutische Maßnahmen mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftig wieder Straftaten mit schweren Folgen zu erwarten, weshalb die Staatsanwaltschaft gemäß § 21 Absatz 2 StGB zusätzlich die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum beantragt hat.

Fantasien von Amoklauf

In seiner Einvernahme erklärte der 18-Jährige, einst immer wieder mit seinem Vater beim Sportschießen gewesen zu sein. Mit 14 habe er überlegt, die Waffe von seinem Vater zu nehmen und einen Amoklauf in einer Schule zu begehen. Diese Idee habe er dann jedoch verworfen.

"Ich konnte mich abhalten. Damals war meine Störung noch nicht so stark. Damals konnte ich das noch als dummen Gedanken zur Seite schieben." Bereits mit zehn habe er mit einer Softgun auf seine Stiefmutter gezielt.

Der damals 17-Jährige soll zunächst am 12. Juli 2023 einen 56-jährigen Mann mit einem Küchenmesser auf einer Parkbank am Handelskai in Wien-Brigittenau erstochen haben.

Überlebende: "Habe das Blut gerochen"

Am 22. Juli fügte er laut Anklage mit derselben Waffe in der Venediger Au in Wien-Leopoldstadt einer 51 Jahre alten Frau schwere Stich- und Schnittverletzungen zu, die das Opfer überlebte.

"Ich habe gedacht, ich werde geschlagen mit einem Eisen. Ich habe zwei Schläge gespürt", schilderte die 51-Jährige als Zeugin dem Geschworenengericht. Sie habe zwei Stiche in die Leber und sieben in die Hand bekommen: "Ich habe das Blut gerochen." Sie habe sich aus dem Schlafsack ausgepackt, sei "zum Praterstern gegangen" und habe "um Hilfe gerufen".

Ein Taxifahrer wurde auf die 51-Jährige aufmerksam und setzte die Rettungskette in Gang. Die Schwerverletzte wurde ins AKH gebracht und konnte dank notfallmedizinischer Hilfe gerettet werden.

In der Nacht auf den 9. August soll der Bursch am Hernalser Gürtel in Wien-Josefstadt einen 55 Jahre alten Mann mit dem Messer getötet haben.

Am 18. September 2023 ging er dann laut Anklage auf seine Mutter los und fügte ihr mehrere Rippenbrüche, eine Schädelprellung, Hämatome und Abschürfungen am ganzen Körper zu, indem er ihr einen Faustschlag ins Gesicht versetzte und anschließend auf Kopf und Körper der zu Boden gestürzten Frau eintrat.

Video: Kriminalpsychologe zu den Obdachlosen-Morden

ribbon Zusammenfassung
  • Ein 18-Jähriger steht in Wien wegen Doppelmordes, versuchten Mordes und schwerer Körperverletzung vor Gericht. Er gestand, im Sommer 2023 zwei Wohnungslose mit einem Messer getötet und eine Frau schwer verletzt zu haben.
  • Ein psychiatrisches Gutachten bestätigt seine Zurechnungsfähigkeit, weist jedoch auf eine hohe Gefahr zukünftiger Straftaten hin. Die Staatsanwaltschaft beantragt daher seine Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum.
  • Neben den Morden wird auch eine Gewalttat gegen seine Mutter verhandelt. Die Verhandlung am Wiener Landesgericht ist auf zwei Tage angesetzt und die Überlebende soll als Zeugin aussagen.