Teuerung: 50 Jahre gearbeitet, um "um Essen zu betteln"
Zahlreiche Menschen stehen vor dem Vinzi Markt in Graz Schlange. Der Andrang ist groß, denn hier können dank Spenden Lebensmittel zu sehr günstigen Preisen angeboten werden. Viele Österreicher:innen können es sich durch die Teuerung nicht mehr leisten, in normalen Supermärkten einzukaufen.
"Können sich den Alltag nicht mehr leisten"
Die Leiterin des Vinzi Marks, Sigrid Wimmer, bestätigt in "ATV Aktuell Im Fokus" einen Zustrom von 20 Prozent seit Jahresbeginn. Zu den Kund:innen gehören nun viele Menschen "aus der Mittelschicht, die sehr viele Kinder haben", aber auch Personen "die allein sind und sich einfach den Alltag nicht mehr leisten können".
Auch in den 14 Ausgabestellen der Caritas wird der Andrang immer größer. Während die Caritas im Jahr 2021 in Wien pro Woche durchschnittlich 17 Tonnen Lebensmittel an Bedürftige ausgegeben hat, sind es inzwischen bereits bis zu 26 Tonnen pro Woche. Immer mehr Alleinerziehende, Familien mit mehreren Kindern, aber auch Mindestpensionist:innen sind hier regelmäßig vor Ort.
50 Jahre gearbeitet, nun "um Essen zu betteln"
"Ich möchte zumindest so leben, dass ich keine Schulden machen muss", meint Frau Ursula, ehemalige Kaffeehausbetreiberin, im Interview. Für sie sei die Lebensmittelausgabe der Caritas "lebenswichtig".
"Ich hab fünfzig Jahre gearbeitet. Ich hab meine Kinder alleine großgezogen. Jedes Kind hat einen Beruf gelernt. Mehr konnte ich nicht leisten. Und jetzt steh' ich da und muss betteln gehen um Essen, weil ich sonst nicht über die Runden komme. Das ist zum Verzweifeln", beklagt sich die Pensionistin im Interview.
"Ich habe jetzt seit einem Dreivierteljahr keine Waschmaschine und ich kann es mir nicht leisten, es zu richten", beklagt sich auch Herr Braun - auch der ehemalige Lehrer bezieht nun regelmäßig Lebensmittel von der Caritas.
Und jetzt steh ich da und muss betteln gehen um Essen, weil ich sonst nicht über die Runden komme. Das ist zum Verzweifeln.
Anti-Teuerungspaket zu klein?
Unterdessen scheint das kürzlich angekündigte neue Anti-Teuerungspaket der Bundesregierung auf wenig Zufriedenheit zu stoßen. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr bezeichnete die Maßnahmen zwar alle als richtig, sie seien jedoch "angesichts der fast zweistelligen Inflationraten doch deutlich zu klein".
Unzufrieden mit dem Umgang der Regierung in Bezug auf die Teuerung, rief die SPÖ kürzlich sogar zu einer Sondersitzung des Nationalrats zusammen. Im Zuge eines Dringlichen Antrags verlangten die Roten etwa ein Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs.
Klaus Schwertner, Direktor der Caritas Wien, hat die Sorge, dass die Maßnahmen er Regierung nicht verbindlich genug sind. Es gelte abzuwarten, wie sich die Maßnahmen auf armutsbetroffene Haushalte tatsächlich auswirken. Was fehle, seien jedoch "strukturelle Maßnahmen" - und genau diese brauche es, um "gerade das untere Einkommensdrittel gut durch die Krise zu begleiten" und "zu verhindern, dass die Kluft zwischen Arm und Reich größer wird".
Anti-Teuerung: Entlastung für viele zu spät
Zu wenig, zu spät: Die Kritik am neuen Anti-Teuerungspaket der Bundesregierung ist vielseitig und kommt von unterschiedlichster Stelle.
"Für alle Menschen zu wenig"
Und auch diejenigen, die eine Entlastung dringend benötigen, scheinen von den derzeitigen Maßnahmen nicht begeistert zu sein. "Ich hab das Gefühl, dass generell keine langfristigen Strategien dahinterstecken, sondern eher quasi von Tag zu Tag gedacht wird. Und das ist eigentlich für alle Menschen viel zu wenig", meint ein betroffener Familienvater.
Zusammenfassung
- Die Teuerung hält Österreich weiter fest im Griff.
- Für viele Menschen wird es immer schwieriger sich das Leben hierzulande zu leisten.
- Und die Anti-Teuerungsmaßnahmen der Bundesregierung - die scheinen nicht auszureichen.