Ohne russisches Gas: Welche Alternativen hat Österreich?
Teuerung und gedrosselte Gaslieferungen - alles Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine. Dieser macht deutlich: Österreich ist stark abhängig von russischem Erdgas. Rund 80 Prozent wird aus Russland bezogen.
Ein Importstopp "von heute auf morgen" ist daher nicht möglich, wie schon Energie-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch und der Energieanalyst Johannes Benigni in Interviews ausführten. Und auch in der EU beträgt die Abhängigkeit etwa 30 Prozent des EU-weiten Gesamtgasverbrauchs.
Um hier einen Wandel zu vollziehen, brauche es ein "Bündel an Maßnahmen", sagt Peter Stieger, Leiter des Kompetenzfelds für Erneuerbare Energietechnologien an der FH Technikum Wien. Um Alternativen zu Erdgas zu finden, müsse man zwei Dimensionen betrachten: Zeit und Verwendung.
Gas wird in Österreich hauptsächlich zum Heizen in Wohnräumen, in der Industrie und zur Stromerzeugung herangezogen. Hier müsse man sich laut Stieger vor allem fragen: "Wofür verwenden wir Gas?". Dabei gibt es keine pauschale Lösung. Gas-Alternativen müssten individuell auf den Verwendungszweck zugeschnitten werden.
Ein PULS 24 Überblick zeigt, welche Möglichkeiten in den einzelnen Bereichen bestehen:
Gas zur Stromerzeugung
"Die Alternative für die Stromerzeugung ist der verstärkte Ausbau des erneuerbaren Stroms", erklärt Stieger. Dieser könne mengenmäßig bereits viel leisten und durch die steigenden Gaspreise rentiere sich schon die ein oder andere Investition mehr in diesen Bereich.
Überblick über mögliche Alternativen:
- Photovoltaik: Strom durch Sonnenenergie hat laut Stieger bereits "Break-Even" erreicht, d.h. diese Systeme rentieren sich bereits. In der Stadt könnten vor allem gemeinschaftliche Photovoltaikanlagen auf Mehrparteienhäuser eine Alternative zur Stromerzeugung darstellen. Hier müsse man u.a. die rechtlichen Hürden für Wohnungseigentümer weiter erleichtern.
- Windkraft: Strom wird durch die Kraft des Windes erzeugt. Stieger rechnet damit, dass auch diese Art des erneuerbaren Stroms durch die aktuelle hohen Preise rentabel ist.
- Wasserkraft: Die Strömungsenergie des Wassers wird in Strom umgewandelt. Laut Umweltministerium entfällt der größte Beitrag am Gesamtaufkommen von erneuerbarer Energie in Österreich auf die Wasserkraft.
- Biomasse: Wird fest, flüssig und gasförmig zur Strom- und Wärmerzeugung genutzt. Die biologische Masse stammt aus der Land- und Forstwirtschaft sowie aus Reststoffen. Vielerorts rentiere sich für Forstwirte die Einbringung von Biomasse noch nicht, meint Stieger.
Erneuerbarer Strom derzeit nur mittelfristige Lösung
Mittelfristig gesehen seien diese Alternativen allerdings noch auf Gas angewiesen, denn "die Herausforderung wird sein, dass diese erneuerbaren Energieträger nicht die ganze Zeit zur Verfügung stehen". Im Winter sei zu wenig Wind und Sonne vorhanden, um gleichviel Strom über Photovoltaikanlagen oder Windkraft zu erzeugen, wie im Sommer. Ähnliches gilt auch für Wasserkraftwerke. Um hier die Leistung auszugleichen, wird u.a. Gas benötigt. "Wir können aber versuchen die Gasmenge, die dabei verwendet wird über das Jahr zu reduzieren", so Stieger im Interview.
Verbraucherreaktion für kurzfristige Auswirkung
Zum einen gelingt dies, in dem die Speichertechnologien verbessert werden, doch auch das ist zurzeit durch die generelle Teuerung mit höheren Kosten verbunden. Zum anderen nimmt auch der Stromverbrauch der Konsumenten Einfluss auf die benötigte Gasmenge. Wie groß dieser Einfluss ist, hänge allerdings davon ab, "wie sehr die Kunden bereit sind ihren Energieverbrauch an das Angebot anzupassen", sagt der Experte für Erneuerbare Energietechnologien. Dabei müsste der Verbraucher bereit sein, weniger Energie zu nutzen, wenn weniger zur Verfügung steht. Das bedürfe allerdings ein Umdenken in der Bevölkerung, da man in Österreich gewöhnt sei jederzeit Strom zur Verfügung zu haben.
Als "realistisch" sieht Stieger das Ziel der Bundesregierung, ab 2030 den österreichweiten Gesamtstromverbrauch bilanziell zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen zu produzieren.
Gas zum Heizen
Angesichts des hohen Gaspreises werde die Jahresabrechnung beim Heizen "grausam", meint Stieger. Auf politischer Ebene müsse eine Wärmewende beschleunigt werden und eine Wärmestrategie weiter ausgebaut werden. Es brauche mehr Initiativen, die den Umstieg auf erneuerbare Energie bzw. die Sanierung von Wohnhäusern erleichtert, meint der FH-Kompetenzfeld-Leiter. Denn je besser ein Haus isoliert ist, desto weniger Wärmer dringt nach außen.
Mögliche Heiz-Alternativen:
- Ausbau von Fernwärme: Fernwärme ist derzeit in vielen Wärmenetzen noch von Gas abhängig. Da müssten laut Stieger Möglichkeiten gefunden werden, wie man das Gas ersetzen und gleichzeitig die Wärme in Wien uneingeschränkt an die Haushalte liefern kann. Besonders in Wien sei daher der Ausstieg von Gas sehr schwierig, meint der Experte.
- Biomasse: Wird aktuell vor allem im ländlichen Raum genutzt.
- Wärmepumpe: Entzieht einem Medium die Wärme und bringt diese ins Haus, dafür wird zum Teil jedoch Strom benötigt. Je nach Jahreszeit ist das Verhältnis - etwa bei einer Luftwärmepumpe - zwischen Strom und Luft unterschiedlich. "Je kälter es draußen wird, umso mehr Strom braucht die Wärmepumpe", erklärt Stieger im PULS 24 Interview. Luft ist hier die einfachste, aber auch am wenigsten effiziente Variante, es gibt laut dem FH-Lektor aber auch andere, bessere Wärmequellen, die genutzt werden können, wie z.B. die Erde.
Sparen als kurzfristige Maßnahme
"Kurzfristig müssen wir voraussichtlich sparen, wenn das Gas knapp wird", betont Stieger. Damit sollten Verbraucher auch beim Heizen - ähnlich wie beim Strom - darauf achten, wo man einsparen könnte. Eine Senkung der Raumtemperatur etwa um ein Grad spart 6 Prozent der Energie ein. Auch sind viele Heizsysteme nicht optimal eingestellt und benötigen daher mehr Erdgas als notwendig.
Gas in der Industrie
In der Industrie ist der Umstieg von Gas zu anderen Alternativen laut Stieger "schwierig", da viele Systeme auf Erdgas aufgebaut sind. Zudem wird in der Industrie eine signifikante Menge an Gas gebraucht. "Das lässt sich nicht so leicht durch Sparen ersetzten", sagt Stieger.
Durch bestimmte Maßnahmen ist die Industrie bereits teilweise "gezwungen energieeffizient zu sein. Die Industrie ist auch sehr preissensibel. Durch die ganze CO2-Bepreisung, etc., etc., hat sich die Industrie in Österreich natürlich schon nach der Decke gestreckt, weil Energie ein wichtiger Faktor ist", erklärt der Kompetenzfeld-Leiter. Daher sei in diesem Bereich schon viel passiert.
Wasserstoff als Alternative
Laut Stieger gäbe es bereits Initiativen, die vorsehen Wasserstoff als Alternative in der Industrie einzusetzen, "aber was immer wieder nicht gesehen wird: Wasserstoff ist ein Energieträger". Gas hingegen ist eine Energiequelle. Um Wasserstoff produzieren zu können, wird eine Energiequelle benötigt - das kann u.a. Erdgas sein, aber auch Photovoltaik oder Wasserkraft. Derzeit sei jedoch zu wenig von erneuerbaren Energiequellen vorhanden, um daraus Wasserstoff in großen Mengen produzieren zu können. In der Endanwendung sei es aber möglich, dass Wasserstoff Gas größtenteils ersetzt, wie Stieger erklärt, derzeit fehle aber noch die Primärenergie dazu. Um an diesem Punkt zu gelangen brauche es noch Zeit und große Investitionen.
Die ersten integrierten Systeme für Haushalte und kleine Gewerbe seien schon verfügbar. "Diese Systeme erzeugen voll automatisch Wasserstoff aus dem Strom der Photovoltaikanlage und speichern ihn. Zu einem späteren Zeitpunkt kann dann dieser Wasserstoff wieder in Strom umgewandelt werden. Damit wird dann im Winter eine Wärmepumpe zum Heizen betrieben", erklärt Stieger den Vorgang. Die Möglichkeiten seien daher da, es fehle noch die breite Akzeptanz und Umsetzung.
Umweltministerin Leonore Gewessler (Grünen) spricht im Interview mit PULS 24 u.a. über die Abhängigkeit Österreichs von russischem Erdgas.
"Prinzipiell einmal" könnte Gas also durch erneuerbare Energien ersetzt werden, meint Peter Stieger, wann genau es dazu kommt, sei allerdings noch nicht abschätzbar. Bis dahin führe eine kurzfristige Lösung daher weder an Einsparungen, noch an einem Zukauf von anderen Energiequellen - wie etwa flüssig Gas aus den USA oder Erdgas aus anderen Staaten - durch die EU vorbei. "Wir werden beides brauchen und es wird sich trotzdem ohne Schmerzen nicht ausgehen", sagt Stieger.
Anmerkung: Der Artikel ist erstmals am 17. März 2022 erschienen.
Zusammenfassung
- Um Österreich unabhängiger von russischem Gas zu machen, brauche es ein "Bündel an Maßnahmen", sagt Peter Stieger von der FH Technikum Wien.
- Im PULS 24 Interview spricht er über die Alternativen, die Österreich bleiben, wenn auf russisches Gas verzichtet wird.